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RA Dr. Karl-Heinz Schnieder und Maximilian Koddebusch mit einer Analyse und kritischen Betrachtung des Plusminus-Beitrags und der Argumente zu Fremdinvestoren

Ein Bericht im ARD-Magazin „plusminus“ vom 24. Oktober 2018 sorgt anhaltend für Furore. Unter dem Titel „Zahnarztpraxen als Renditeobjekte“ führt der Bericht in den derzeitigen Eintritt von Investoren in den zahnärztlichen Wettbewerb ein. Die Übernahme von Zahnarztpraxen durch in- und ausländische Investoren wird dabei in ein fragwürdiges Licht gerückt.

Der Bericht lässt die Zuschauer an den Informationen eines anonymen Insiders teilhaben, der einst als angestellter Zahnarzt in einer Investorenpraxis tätig war. Dieser habe das Gefühl, dass „das Praxismanagement über den angestellten Zahnärzten“ stehe. Von der Zentrale sei er darauf hingewiesen worden, dass er eine seiner Patientinnen nicht mit einer Prothese versorgen sollte, obwohl er ihr eine solche bereits empfohlen hatte. Man habe ihn angewiesen, die Patientin stattdessen von der Notwendigkeit mehrerer Implantate zu überzeugen – „der teureren Variante“. Später konkretisiert der Insider: „Die Abrechnung läuft über eine Software. In der Zentrale gucken die dann in die Software; sehen, was für ein Umsatz gemacht wurde. Dann steht da auch drin, worüber ich aufgeklärt habe: Über Brücke, Krone oder Implantat. Behandlungsfreiheit, die hatte ich persönlich nicht. Und wenn man nicht mitmacht, dann gibt es Abmahnungen.“

Schwere Vorwürfe also, die geäußert werden. Kurz lautet die Anklage, dass Investorenpraxen das Patientenvertrauen auf Kosten der Therapiefreiheit zur Gewinnmaximierung missbrauchten.

Der Bericht hat auch in der zahnärztlichen Standespolitik großen Anklang gefunden. Beispielsweise veröffentlichten die Kammer und die KZV in Westfalen-Lippe ein gemeinsames Statement, in dem sie den Beitrag unterstützen: So zeigten „erdrückende Fakten“, dass „die negativen Folgen für die Patienten und für die jungen Zahnärzte, die ein Leben lang in diesen Zentren unter strengen Vorgaben zur Gewinnmaximierung arbeiten sollen, sehr gut in diesem Beitrag recherchiert und dargestellt“ seien.

Argument des Berufsrechts

Am selben Tag griff auch die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) das Thema in einer Presseinformation auf, in der sie Zahnheilkunde-GmbHs an den Pranger stellt. Gerade Großstrukturen unter der Leitung „gewinnorientierter Großinvestoren“ hätten „eine Tendenz zur Gewinnmaximierung unter Inkaufnahme von Über-, Unter- oder Fehlversorgung“, wird der Präsident der BZÄK, Dr. Peter Engel, zitiert. Das Übel liege darin, dass insbesondere die Rechtsform der GmbH selbst nicht der Kammerpflicht unterläge. Die Einhaltung des patientenschützenden Berufsrechts könne deshalb nicht überwacht werden. Konkret fordert die BZÄK deswegen erstens die Pflichtmitgliedschaft von zahnärztlichen juristischen Personen wie der GmbH in einer Zahnärztekammer und zweitens, den Risiken von Fehlanreizen durch den Einfluss von renditeorientierten Kapitalgebern durch gesetzgeberische Maßnahmen zu begegnen. Diese Argumentation wurde dann auch kurze Zeit später zum Deutschen Zahnärztetag und zur Bundesversammlung der BZÄK erneut aufgegriffen.

Manch einer wird sich an dieser Stelle die Augen reiben. Das Anliegen des Patientenschutzes ist aller Ehren wert. Als nüchterner Beobachter darf man sich aber fragen: Was soll das?

Sorge um Therapiefreiheit nachvollziehbar

Zuallererst lohnt der Blick auf den Impuls, der den Stein erst ins Rollen gebracht hat, also auf den „plusminus“-Bericht. Vorangestellt sei, dass der Bericht seine Daseinsberechtigung hat. Die Übernahme von Zahnarztpraxen durch Investoren dominiert gegenwärtig die Fachdiskurse. Fakt ist, dass die Marktstrategie der Investoren legal ist. Dass sich Patienten um die Therapiefreiheit ihrer Zahnärzte sorgen, ist dennoch durchaus nachvollziehbar.

Bei näherer Betrachtung muss sich der Bericht aber den Vorwurf gefallen lassen, dass er kein investorenspezifisches Problem beleuchtet. Der Kern der Kritik liegt darin, dass Großinvestoren die Therapiefreiheit „ihrer“ Zahnärzte dahingehend einschränken, dass diese ihren Patienten nur jeweils die profitabelste Behandlungsvariante „verkaufen“ sollten. Derartiges Verhalten wäre rechtswidrig; für den jeweiligen Zahnarzt auch berufsrechtswidrig. Die Pauschalität, auf die aus den zitierten Erfahrungen des Insiders geschlossen wird, ist indessen bedenklich.

Nichtsdestotrotz: Nehmen wir einmal an, der Vorwurf der Gewinnmaximierung durch das „Andrehen“ möglichst teurer, aber nicht unbedingt notwendiger Leistungen, träfe flächendeckend auf Investorenpraxen zu. Wäre dies ein Monopolproblem von Investorenpraxen?

Auch ein Zahnarzt muss seine Praxis profitabel führen

Die ehrliche Antwort: Keinesfalls. Der Beruf des Zahnarztes ist seiner Natur nach zwar ein freier. Seine Dienstleistungen stehen im Zeichen des Dienstes an der Gesundheit. Das ändert aber nichts daran, dass auch ein Zahnarzt Geld verdienen muss und dabei – natürlich! – auch das Ziel verfolgt, seine Praxis profitabel zu führen. Wie überall gilt auch in diesem Zusammenhang, dass sich der Zahnarzt dabei im Bereich des rechtlich Zulässigen bewegen sollte.

Die Idealvorstellung allgegenwärtiger Rechtskonformität unter Zahnärzten findet in der Realität aber nur ein verzerrtes Spiegelbild. Man sollte sich hier nichts vormachen. Es gibt Zahnärzte, die die Grenze des unternehmerisch legitimen Gewinnstrebens überschreiten und Patienten zu Implantaten raten, obwohl eine Prothese ausgereicht hätte – aber weniger Geld gebracht hätte. Genauso gibt es Fälle, in denen der Seniorpartner dem angestellten Zahnarzt auf die Finger schaut und ihn anweist, doch lieber „die teurere Variante“ zu wählen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Warum werden Investorenpraxen pauschal für Praktiken gegeißelt, die man auch außerhalb des Investorenwesens antreffen kann?

Die viel umfassendere Kontroverse um Investorenpraxen soll an dieser Stelle nicht weiter beleuchtet werden. Festzuhalten bleibt, dass man sich von dem „plusminus“-Bericht eine weitaus differenziertere Auseinandersetzung mit der Einschränkung der Therapiefreiheit hätte wünschen können.

Für Teile der Berufspolitik scheint der Bericht aber ein willkommener Türöffner gewesen zu sein. Je mehr man über die beschriebenen Reaktionen der Berufsvertretungen nachdenkt, desto stärker wird der Eindruck, dass diese den kritischen Bericht als günstige Gelegenheit betrachten, sich des Investorendorns in ihrem Auge zu entledigen.

Die Art und Weise des Kammerechos hinterlässt einen faden Beigeschmack. Das betrifft vor allem die Forderungen der BZÄK: In Berlin erhofft man sich  durch die Kammerpflicht für Zahnärzte-GmbHs eine Verbesserung des Patientenschutzes. Richtig ist, dass solche Gesellschaften in der Regel keine Kammermitglieder sind. Die Kammer- und Heilberufsgesetze der Länder sehen eine Mitgliedschaft nur der Berufsangehörigen selbst vor, also der Zahnärztinnen und Zahnärzte in Person.

Vorteil der Kammerpflicht einer GmbH nicht klar erkennbar

Was allerdings der Vorteil an einer Kammerpflicht etwa für die GmbH sein sollte, ist nicht auszumachen. Bedenken könnte man derzeit zwar daraus konstruieren, dass eine GmbH nur der Aufsicht einer IHK untersteht, die weder befugt ist noch imstande sein dürfte, die Einhaltung zahnärztlichen Berufsrechts zu überprüfen.

Die Tatsache, dass alle Zahnärztinnen und Zahnärzte einer Zahnärztekammer angehören, sorgt aber für umfassende und ausreichende Kontroll- und Sanktionierungsmöglichkeiten der Kammern. Jeder Zahnarzt ist verpflichtet, sich an das Berufsrecht zu halten. Das gilt unabhängig davon, ob er selbstständig ist oder angestellt und, im zweiten Fall, ob er bei einer „klassischen“ Praxis oder bei einer Investorenpraxis tätig ist. Verhält ein Zahnarzt sich rechtswidrig, kann die Kammer eingreifen und das Verhalten unterbinden. Welchen konkreten Bonus eine Mitgliedschaft auch der GmbH in der Kammer mit sich bringen würde, ist nicht erkennbar. Einer doppelten Eingriffsbefugnis bedarf es jedenfalls nicht. Das Ganze macht eher den Eindruck eines Scheingefechts.

Das Gesundheitswesen ist bereits überreguliert

Gleiches gilt für die zweite, nebulöse Forderung der BZÄK, den Risiken von Fehlanreizen durch den Einfluss von renditeorientierten Kapitalgebern durch gesetzgeberische Maßnahmen zu begegnen. Das Gesundheitswesen ist bereits überreguliert. Gerade erst wurden die Strafvorschriften zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen ins Leben gerufen. Daneben werden Fehlanreize auch in anderen Gesetzen und in den Berufsordnungen mahnenden Regelungen unterworfen. Die geforderten Maßnahmen sind also vorhanden. Ohne nähere Konkretisierung stößt die Forderung der BZÄK daher in einen luftleeren Raum.

Der zitierte Fernsehbeitrag hat kein positives Licht auf die Entwicklung der Investorenlandschaft auf dem dentalen Markt geworfen. Ein differenzierter Blick zeigt jedoch, dass der Bericht Investorenpraxen ohne echte Begründung in die Gruselecke rückt. Die Unterstellung eines Gewinnstrebens auf Kosten des Patientenwohls kann auf der einen Seite keineswegs allen Investorenpraxen unterstellt werden. Auf der anderen Seite kann sich nicht jede „klassische“ Zahnarztpraxis davon freisprechen.

Dass Kritik an dem Investorenmodell geübt wird, ist nachvollziehbar. Immerhin ist zu berücksichtigen, dass sich der Beitrag primär an den Endverbraucher, den Patienten, richtet. Von den berufsständischen Vertretungen hätte man aber eine sachliche Beurteilung erwarten dürfen, die leider ausgeblieben ist.

Wut und Angst – gegebenenfalls auch um die von Investorenketten bedrohte eigene Praxis – sind bekanntermaßen enorme Triebfedern, um die offenbar auch die Berufspolitik weiß. Sich für oder gegen investorenfinanzierte Zahnarztketten auszusprechen, steht jedem im Rahmen der Meinungsfreiheit offen. Bei aller Emotionalität darf aber die Objektivität nicht völlig auf der Strecke bleiben. Berufspolitische Forderungen auf dem rissigen Fundament undifferenzierter Berichterstattung aufzubauen, erscheint hier wenig hilfreich.

Dr. Karl-Heinz Schnieder, Maximilian Koddebusch, Münster

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Dr. Karl-Heinz Schnieder ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht und Mediator (cfm). Nach seinen Studium war er zwei Jahre als Referatsleiter Recht der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe tätig, seit 1994 ist er als Rechtsanwalt zugelassen.
Schnieder ist Geschäftsführender Partner der Rechtsanwaltskanzlei „kwm, kanzlei für wirtschaft und medizin“ mit Standorten in Münster, Berlin, Hamburg, Hannover, Bielefeld, Essen. Er ist Lehrbeauftragter der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der privaten Hochschule für Logistik und Wirtschaft, SRH Hamm. Schnieder ist auch als Autor und Referent tätig mit zahlreichen Publikationen zum Arzt-, Zahnarzt- und Tierarztrecht und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltsverein; der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen.
Neben seiner juristischen Tätigkeit ist er auch Initiator und Gründer der Gesundheitsregion-Stadt e.V., medizinische Netzwerke in Deutschland mit zurzeit zehn Gesundheitsregionen in Deutschland www.gesundheitsregion-deutschland.de. Kontakt zum Autor unter schnieder@kwm-rechtsanwaelte.de.
Foto: kwm


Maximilian Koddebusch (Foto: Privat)

Maximilian Koddebusch studierte Rechtswissenschaften an der Westfälischen-Wilhelms-Universität in Münster und legte das erste Staatsexamen vor dem OLG Hamm Ende 2015 ab. Im Anschluss daran fertigte er eine Dissertation zu Fragestellungen auf dem Gebiet der Korruption im Gesundheitswesen (Paragraf 299a f. Strafgesetzbuch) an, die sich derzeit im Prüfungsverfahren befindet. Im Dezember 2017 hat Koddebusch das juristische Referendariat aufgenommen. Bereits seit 2013 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Rechtanwaltskanzlei „kwm kanzlei für wirtschaft und medizin“ in Münster tätig. (Foto: Privat)


Titelbild: shutterstock.com/Serhii Bobyk
Quelle: Quintessence News Politik

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