0,00 €
Zum Warenkorb
  • Quintessence Publishing Deutschland
Filter
76 Aufrufe

Gesundheit in Deutschland: Hohe Ausgaben, schwache Ergebnisse – aktuelle Analyse zeigt, woran es hakt

Prof. Dr. Hajo Zeeb: „Deutschland kann sich sein aktuelles System auf Dauer nicht leisten – weder gesundheitspolitisch noch wirtschaftlich.“

(c) Leibnitz-Institut BIPS/youtube

Deutschland gehört zu den wirtschaftsstärksten Nationen der Welt. Das Sozialsystem ist gut ausgebaut, die Gesundheitsausgaben pro Kopf sind die dritthöchsten innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Trotzdem bleiben die Gesundheitsindikatoren des Landes hinter denen vergleichbarer europäischer Staaten zurück. Die Menschen sind kränker und sterben früher. Wie kann das sein?

Eine am 3. März in der Fachzeitschrift Lancet Public Health erschienene gesundheitspolitische Übersichtsarbeit unter der Leitung von Prof. Dr. Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Deutschland hat ein strukturelles Problem in der öffentlichen Gesundheitsversorgung. Statt Krankheiten zu verhindern, konzentriert sich das System zu sehr auf deren Behandlung – und das mit zum Teil ineffizienten Strukturen.

Drei Hauptprobleme

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen drei Hauptprobleme:

  • Fehlende zentrale Steuerung: Deutschland hat keine starke Institution, die Public-Health-Maßnahmen koordiniert. Stattdessen herrscht ein Flickenteppich aus Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen, der zu schlechter Abstimmung und ineffizienter Mittelverteilung führt.
  • Zu wenig Prävention, zu viel Reparaturmedizin: Die Krankenkassen investieren Milliarden in hochspezialisierte Behandlungen, während die Finanzierung von Prävention und Gesundheitsförderung weiterhin ein Nischendasein fristet.
  • Lobbys verhindern wirksame Maßnahmen: Zuckersteuer? Werbeverbote für ungesunde Lebensmittel? Regulierungen für Tabak und Alkohol? In Deutschland sind diese Maßnahmen entweder abgeschwächt oder nie umgesetzt worden – oft unter dem Einfluss wirtschaftlicher Interessen.

„Die Folge ist ein Gesundheitssystem, das zwar enorm teuer ist, aber zu wenig für die langfristige Gesundheit der Bevölkerung tut“, sagt Erstautor Zeeb.

Nachteile föderaler Strukturen

Neben einigen Vorteilen wie dem Spielraum für eigene Schwerpunktsetzungen haben die föderalen Strukturen in der öffentlichen Gesundheitsversorgung auch Nachteile. Zu oft werden Gesundheitsdaten unkoordiniert erhoben und sind nicht ausreichend miteinander verbindbar – ein Problem, das sich während der Covid-19-Pandemie besonders deutlich zeigte. „Während andere Länder klare Strategien für Public Health entwickelt haben, fehlt eine solche in Deutschland“, erklärt Ko-Autor Prof. Dr. Ansgar Gerhardus von der Universität Bremen.

Lösungsvorschläge: Mehr Mut zu Public Health

Die Autorinnen und Autoren der Arbeit schlagen vier zentrale Reformen vor:

  1. Eine starke Identität für Public Health entwickeln: Deutschland braucht eine kohärente Vision für Gesundheitspolitik, die Prävention und Gesundheitsförderung in den Mittelpunkt stellt.
  2. Eine nationale Public-Health-Strategie aufstellen: Gesundheitsförderung darf nicht länger ein Flickwerk bleiben, sondern muss systematisch und sektorübergreifend gedacht werden.
  3. Gesundheitsförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen: Neben dem Gesundheitswesen müssen auch Bildung, Arbeit und Umweltpolitik verstärkt auf präventives Handeln ausgerichtet werden.
  4. Kommerzielle Interessen regulieren: Die Politik muss sich trauen, gesundheitsschädliche wirtschaftliche Interessen stärker zurückzudrängen, sei es bei Ernährung, Alkohol oder Tabak.

„Deutschland muss umdenken“

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betonen, dass der Status quo nicht nur ein Problem für die Gesundheit der Bevölkerung ist, sondern auch für die wirtschaftliche Zukunft des Landes. Die Kosten für das Gesundheitssystem steigen seit Jahren, während die Krankenkassen immer wieder Beitragserhöhungen ankündigen müssen. „Deutschland kann sich sein aktuelles System auf Dauer nicht leisten – weder gesundheitspolitisch noch wirtschaftlich“, sagt Zeeb. „Wir brauchen eine Neuausrichtung hin zu mehr Prävention, wenn wir nicht weiter in der Kostenspirale gefangen bleiben wollen.“

Die Analyse macht deutlich: Deutschland hat die Mittel, um ein gesünderes und effizienteres System aufzubauen – doch es fehlt bislang der politische Wille, die notwendigen Reformen anzugehen.

Originalpublikation 

Zeeb H, Loss J, Starke D, Altgeld T, Moebus S, Geffert K, Gerhardus A. Public health in Germany: Structures, dynamics and ways ahead health policy. The Lancet Public Health. 2025. https://doi.org/10.1016/S2468-2667(25)00033-7

Quelle: BIPS Politik Wirtschaft Nachrichten

Adblocker aktiv! Bitte nehmen Sie sich einen Moment ...

Unser System meldet, dass Sie eine aktive AdBlocker-Software verwenden, die verhindert dass alle Seiteninhalte geladen werden können.

Fair geht vor: Unsere Partner aus der Industrie tragen durch ihre Anzeigen einen maßgeblichen Teil zum Betreiben dieser Newsseite bei. Diese finden Sie in überschaubarer Anzahl auf der Startseite sowie den einzelnen Artikelseiten.

Bitte setzen Sie www.quintessence-publishing.com auf Ihre „AdBlocker Whitelist“ oder deaktivieren Ihre AdBlocker Software. Danke.

Weitere Nachrichten

  
10. März 2025

Info-Quelle IDS: MDR-Handlungsoptionen für die Praxis

Hoffnung auf Weiterführung gut etablierter und hochgeschätzter Dentalprodukte – aktuelle Auswirkungen der Medizinprodukteverordnung
10. März 2025

Chasing realities: Wenn die Politik der Realität hinterherjagt

Die aktuell gehandelten Summen wirken sie Speed auf Politik und Lobbyisten – doch noch ist nichts geregelt, warnt Dr. Uwe Axel Richter
10. März 2025

Kurz und knapp

Kurznachrichten und Informationen aus der (dentalen) Welt – März 2025
10. März 2025

24 Leistungen mit medizinisch zweifelhaftem Nutzen identifiziert

Gemeinsame Studie der TU Berlin, der TKK und dem Zentralinstitut für kassenärztliche Versorgung (Zi)
7. März 2025

Selbst in „Frauenberufen“ bekommen Männer oft mehr

Equal Pay Day: Bewertung frauendominierter Berufe muss grundlegend neu erfolgen
4. März 2025

Neues Wahlpflichtfach Öffentliches Gesundheitswesen

Medizinstudentinnen erhalten in Mettmann Einblicke in die Arbeit des Kreisgesundheitsamts
4. März 2025

Erster Warnstreik von ZFA in der Geschichte

Verband medizinischer Fachberufe: Zahnärzteschaft verzögert Verhandlungen und verweigert damit verdiente Gehaltserhöhungen
3. März 2025

Sparvorschläge der Kassen scharf kritisiert

„Ausgabenmoratorium“ und Gesundheitsgipfel im Kanzleramt gefordert – Sondierungsgespräche von Union und SPD zunächst ohne Gesundheitsexperten