Die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen meldet sich mit Kritik an Überlegungen der FDP zum Gesundheitswesen. Hintergrund sind die liberalen Leitlinien für den zukunftsfähigen Umbau des deutschen Gesundheitssystems, die der 75. Bundesparteitag der FDP am 27. April 2024 im Rahmen eines Antrags zusammengestellt hat.
Diese wiesen, so die KZV Hessen, neben durchaus konsensfähigen Forderungen – wie etwa das Umlagesystem der Gesetzlichen Krankenversicherung durch eine Kapitaldeckung zu ergänzen, Maßnahmen zum Bürokratieabbau voranzubringen und die Eigenverantwortung der Patienten zu stärken – drei grobe Schnitzer auf, die einer Korrektur bedürfen.
Die Kritikpunkte der hessischen Zahnärzte: Patientenkontakte, Heilhilfsberufe und iMVZ
1. Unter der Überschrift: „Personalressourcen effizient und effektiv nutzen“ werden von den Verfassern weitgehende Eingriffe in den Arztvorbehalt einer Heilbehandlung verlangt. So wird in Frage gestellt, ob der Arzt für erkrankte Patienten die erste Ansprechperson sein sollte. Falls damit eine Behandlung von Patienten ohne Arztkontakt gemeint sein sollte, ist anzumerken, dass eine Therapie zu Lasten der GKV ohne ärztliche Diagnose nicht möglich ist (Paragraf 15 i. V. mit Paragraf 28 SGB V). Es kann sich also nur um die Idee einer organisatorisch untergeordnete Ebene handeln, die dem Arzt zuarbeitet – und die es in einigen medizinischen Einrichtungen bereits gibt.
2. Des Weiteren wird unter der gleichen Überschrift ein Direktzugang der Patienten zu den Heilberufen gefordert. Wenn damit die sogenannten Heilhilfsberufe oder Gesundheitsfachberufe gemeint sind – zu den Heilberufen besteht für Patientinnen und Patienten ja bereits Direktzugang – bleibt die Frage offen, wer die für die Therapie erforderliche Diagnose stellt. Die Diagnosestellung steht unter Arztvorbehalt. Die Diagnostik ist auch nicht Lehrinhalt der Ausbildung von Heilhilfsberufen.
3. Unter der Überschrift „Mit mehr Wettbewerb die Versorgungsqualität verbessern und gleichzeitig Kosten reduzieren“ fordern die Verfasser des Antrags eine weitgehende Deregulierung des 1. Gesundheitsmarktes, sodass Fremdkapital noch besseren Zugang zum Versorgungsmarkt hat. Die Gründung von Investoren-MVZ soll erleichtert werden. Als Begründung wird die Verbesserung der zunehmend unzureichenden ländlichen Versorgung genannt. Fakt ist, dass gerade in ländlichen Bereichen ein Engagement von institutionellen Investoren im Rahmen von Medizinischen Versorgungszentren eher die Ausnahme ist, was nicht an den Bedingungen der jetzt schon sehr investorenfreundlichen gesetzlichen Regelungen liegt, sondern vielmehr an der ausschließlich gewinnorientierten Ausrichtung der Investoren bei der Standortwahl. Wie der Wortlaut im Antragstext „gerade im ländlichen Raum sorgen Investoren getragene MVZ-Strukturen für dringend benötigte Versorgungskapazitäten“ vor dieser Tatsache zu verstehen ist, erschließt sich nicht – ebenso wenig, worin die Verfasser die notwendige Motivation für Investoren für eine verstärkte Gründung von MVZ unter den bekannten wirtschaftlichen Bedingungen des ländlichen Raumes sehen.
FDP-Bundesvorstand sollte sich mit Kritik befassen
Der Antrag wurde vom Parteitag nicht final beschlossen, sondern an den Bundesfachausschuss Gesundheit der Partei weitergeleitet. Dieser soll eine Beschlussempfehlung für das Präsidium abgeben. Vor diesem Hintergrund fordert die KZV Hessen den Bundesvorstand der FDP auf, sich noch einmal mit den drei kritisierten Punkten des Antrages zu beschäftigen. Der Vorstand der KZV Hessen ist gern zu einem lösungsorientierten Gedankenaustausch bereit.