Der Austausch der Konnektoren in den Praxen sorgt weiterhin für großen Unmut. Nach Bekanntwerden von Hinweisen, dass ein teurer Wechsel aller Geräte wohlmöglich nicht erforderlich sein könnte, verlangt nicht nur die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) von der Gematik eine Neubewertung.
„An dieser Forderung halten wir fest“, sagte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel am 28. Juli 2022 den „PraxisNachrichten“ der KBV. Die Antwort der Gematik auf ein Schreiben der KBV sei nicht „befriedigend“. Nur zu sagen, „die aktuellen Aussagen aller Hersteller bestätigen, dass der Austausch einer alten gSMC-K gegen eine neue gSMC-K nicht möglich ist“, reiche nicht aus, stellte Kriedel klar. Es gehe schließlich um rund 300 Millionen Euro, die der Austausch koste, und viel Ärger, die die Praxen damit hätten und nach dem Schiedsspruch zur Finanzierung nun auch noch draufzahlen müssten.
In ihrem Antwortschreiben, das auch auf der Internetseite der Gesellschaft eingestellt ist, teilt die Gematik mit, dass der im c’t-Artikel beschriebene Aus- und Wiedereinbau der gSMC-K zu keinem Zeitpunkt „eine vorgesehene Lösung“ gewesen sei. Aussagen aller Hersteller würden bestätigen, dass der Austausch einer alten gSMC-K gegen eine neue gSMC-K nicht möglich sei.
Gematik weist Kritik zurück
Die Gematik teilt mit, man habe den Gesellschaftern als Lösungsmöglichkeiten sowohl die Laufzeitverlängerung als auch den Gerätetausch mit den Vor- und Nachteilen beschrieben und zur Entscheidungsfindung bereitgestellt hat. Der Konnektor als Kernelement der TI sei als eine untrennbare Einheit von eigentlichem Konnektor und den dort verbauten gSMC-K mit den aufgebrachten Zertifikaten konzipiert und in der Folgezeit weiterentwickelt worden. Ein Ausbau und Tausch der gSMC-K seizu keinem Zeitpunkt eine vorgesehene Lösung gewesen, so die Gematik.
„Die aktuellen Aussagen aller Hersteller bestätigen, dass der Austausch einer alten gSMC-K gegen eine neue gSMC-K nicht möglich ist. Auch mit einer Neuausstattung der drei erforderlichen gSMC-K des Konnektors ist ohne weitere Anpassung im Fertigungsumfeld (d.h. durch den Hersteller) eine Weiternutzung des alten Konnektors nicht gegeben. Die spezifischen Speicherbereiche der gSMC-K werden in der Fertigungsumgebung vorbereitet. Karten-PIN und Schlüssel sind außerhalb dieser Umgebung nicht erstellbar, so dass die alte gSMC-K des Konnektors nicht umkonfiguriert werden kann. Der Konnektor ist somit nicht TI-fähig, das heißt, das Zertifikat ist weiterhin abgelaufen“, so die Gematik. Der Beschluss der Gesellschafter, Konnektoren auszutauschen und auf die optionale Umsetzung der Laufzeitverlängerung zu verzichten, habe darauf darauf abgezielt, zweimalige Kosten zu vermeiden und Risiken zu reduzieren.
KBV bringt Thema in die Gesellschafterversammlung
Der KBV reicht diese Antwort nicht aus. Sie will das Thema nun auf der nächsten Gesellschafterversammlung der Gematik am 2. August 2022 zur Sprache bringen. „Wir erwarten von der Gematik, dass sie Gespräche führt, um herauszufinden, unter welchen Bedingungen die Hersteller gegebenenfalls die gSMC-K austauschen können und was dies kosten würde“, sagte Kriedel. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) müsse dann prüfen, ob die Vorschläge sicherheitstechnisch machbar sind. Nur so könne eine ergebnisoffene Bewertung der Alternativen im Sinne der Solidargemeinschaft erfolgen, fügte er hinzu.
„Ganz und gar verbrannter Boden“
Auch der Hartmannbund, dessen Vorsitzender Dr. Klaus Reinhardt zugleich Präsident der Bundesärztekammer ist, warf dem Bundesgesundheitsministerium und der Gematik massives Versagen bei der Etablierung der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen vor. Die quälende aktuelle Diskussion um den (Nicht-)Austausch von Konnektoren sei – bei aller Bedeutung des Themas für die Betroffenen – leider nur eine Fußnote auf einem inzwischen ganz und gar verbrannten Boden.
„Die in den vergangenen Jahren erlebte Mischung aus Zwangsmaßnahmen, wenig überzeugender technischer Performance und finanzieller Unterdeckung in den Praxen ist eine Geschichte nachhaltigen Versagens“, sagte der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt. Es sei den Gesellschaftern der Gematik – allen voran dem Mehrheitsgesellschafter Bund – nicht gelungen, aus einem im Kern gemeinsamen Interesse ein gemeinsames Projekt zu machen. „Man kann es nicht oft genug sagen, dass auch die Ärztinnen und Ärzte in ihren Praxen ein elementares Interesse an einer für sie und ihre Patientinnen und Patienten sinnvollen Implementierung von digitalen Prozessen haben“, betonte Reinhardt. Dazu müsse aber der Mehrwert mindestens in einem angemessenen Verhältnis zum erbrachten Aufwand stehen – egal ob finanziell oder auch mit Blick auf die „human resources“. Das mühsame Feilschen um kostendeckende Erstattungen und fehlendes Vertrauen seien jedenfalls kein guter Nährboden für blühende digitale Landschaften.
Finanzierung so nicht möglich
Reinhardt appellierte vor diesem Hintergrund mit Blick auf die am kommenden Dienstag stattfindende Gesellschafterversammlung der Gematik eindringlich an alle Beteiligten, endlich Klarheit über die bisher abgelaufenen Prozesse und über den aktuellen Stand der Dinge zu schaffen. „Wenn wir Vertrauen bei den Kolleginnen und Kollegen an der Basis schaffen wollen, dann brauchen wir einen einvernehmlichen Beschluss auf Grundlage von unbestreitbaren Fakten.“
Zu diesen Fakten gehöre im Übrigen auch, dass die Finanzierung eines möglichen Konnektoraustauschs auf Basis des bestehenden Beschlusses nicht machbar sei. Hier müsse sich der Bund als Mehrheitsgesellschafter auf jeden Fall noch bewegen.
DGMKG und weitere Gesellschaften fordern Moratorium
Auch verschiedene Fachgesellschaften haben sich der Kritik angeschlossen. So fordert die Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) ein sofortiges Telematik-Infrastruktur (TI)-Moratorium im Zuge der Digitalisierungsstrategie des deutschen Gesundheitswesens. Man teile uneingeschränkt die Forderung des Deutschen Berufsverbands der HNO-Ärzte, des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen (BVDD), des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) und weiterer Berufsverbände für ein sofortiges Moratorium der Telematik-Infrastruktur (TI), wie es der Deutsche Ärztetag bereits 2021 gefordert hatte.
Totalschaden bei der Akzeptanz der Nutzer abwenden
Anlass zu diesem Moratorium ist der von der Gematik im März 2022 beschlossene Austausch der rund 130.000 Konnektoren, der einen hohen Aufwand für die Praxen bedeute. Daher werde ein sofortiges Umdenken und ein Moratorium gefordert, um den zu erwartenden Totalschaden bei der Akzeptanz durch die Nutzer abzuwenden. „Wenn die von der Gematik angekündigte TI 2.0 verfügbar ist und damit die Voraussetzungen für den störungsfreien Betrieb sichergestellt sind, kann ein Neustart des Projekts erwogen werden. Weiterhin dürfen keine zusätzlichen Kosten für die Arztpraxen entstehen“, so die DGMKG.