„(Zahn-)Medizin ist kein Anlage-Investment.“ Die Bundeszahnärztekammer fordert ebenso wie die bayerische Standespolitik, weitere Engagements von Fremdkapitalgebern in der zahnmedizinischen Versorgung in Deutschland zu stoppen.
Anlass für diese wiederholte Forderung ist unter anderem ein ausführlicher Bericht der „Welt“ („Welt+: Deutschlands Gesundheitswesen erlebt einen historischen Wandel“, online), der das Thema erneut beleuchtete. „Fremdkapitalgebern wie Private Equity Fonds muss der weitere Zugang zur zahnmedizinischen Versorgung in Deutschland verwehrt werden“, fordert Christian Berger, Präsident der Bayerischen Landeszahnärztekammer (BLZK) und Vorsitzender des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB). Er richtet diesen dringenden Appell an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Die Versorgung der Patientinnen und Patienten leide, wenn Gewinnmaximierung bei zahnärztlicher Behandlung das oberste Ziel von Fremdinvestoren sei, so Berger.
BZÄK sieht „Verkaufsdruck“ auf junge Zahnärzte
Die BZÄK fordert, das Aufkaufen von Zahnarztpraxen durch Fremdkapitalgeber wie Private-Equity-Fonds zu stoppen. „Erste Erfahrungen mit solchen Konstrukten bestätigten die Sorge, dass in diesen Zahnärztegesellschaften in der Hand von Investoren ‚Verkaufsdruck‘ auf die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte ausgeübt wird“, heißt es. BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel: „Der ungehemmte Zustrom von Fremdkapital in die Zahnmedizin muss beendet werden, um weiterhin einen wirksamen Patientenschutz zu gewährleisten. Junge Zahnärztinnen und Zahnärzte dürften niemals unter Druck geraten, Leistungen am Patienten zu erbringen, die nicht medizinisch angezeigt sind. Die Skandale um fremdkapitalfinanzierte Zahnarztketten in Spanien, England und Frankreich sollten der Politik hierzulande als Warnsignal dienen. Darauf haben wir gemeinsam mit den Ärzten bereits mehrfach hingewiesen.“
Konzentration auf Ballungsräume in Bayern
Berger verwies auf die Entwicklung in Bayern: Setze sich der Aufkauf von Zahnarztpraxen durch Fremdinvestoren und die damit einhergehende Kettenbildung weiterhin ungebremst fort, werde sich die zahnmedizinische Versorgung grundlegend verändern – mit schlimmen Folgen für die Patientinnen und Patienten, warnt er: „Die Industrialisierung der Zahnmedizin wirkt sich eindeutig nachteilig auf die Versorgung im ländlichen Raum aus. Das belegen aktuelle Zahlen der KZVB. Fremdkapitalfinanzierte Medizinische Versorgungszentren (MVZ) konzentrieren sich auf die städtischen Ballungsräume. Von den 158 zahnmedizinischen MVZ, die es Ende 2019 in Bayern gab, hatten 68 ihren Sitz in Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern, 63 in Städten zwischen 10.000 und 100.000 Einwohnern und nur 27 in kleineren Gemeinden.“
Ein großes Angebot von Teilzeitarbeitsplätzen und familienfreundliche Arbeitszeiten für junge Zahnärztinnen und Zahnärzte seien längst auch in inhabergeführten Zahnarztpraxen üblich. Berger ergänzt: „Jeder Zahnarzt, der sich in einem Ballungsraum im MVZ anstellen lässt, fehlt in der flächendeckenden, wohnortnahen Versorgung in Bayern. Dort gehen in den kommenden Jahren viele Zahnärzte in den Ruhestand.“
Negative Beispiele aus dem Ausland – mehr Transparenz gefordert
Wie die BZÄK, verweisen auch die bayerischen Standespolitiker auf das Ausland. Hier habe sich gezeigt, dass fremdkapitalfinanzierte „Zahnarztketten“ die Versorgung auch qualitativ verschlechtern können, so Dr. Rüdiger Schott, Stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der KZVB und Vizepräsident der BLZK. „In Frankreich und Spanien waren Dentalketten für den Großteil der Patientenbeschwerden verantwortlich und beschäftigen derzeit die Gerichte, weil diese Ketten von Patienten hohe Vorauszahlungen kassiert haben und dann zahlungsunfähig geworden sind. In einigen Fällen musste der Staat mit Entschädigungszahlungen einspringen. Künftig soll jeder Patient in Deutschland schon auf dem Praxisschild sehen können, ob die Praxis oder das MVZ einem Fremdkapitalgeber gehört oder Zahnärzten – momentan ist das nicht zu erkennen.“
Politik soll Vergewerblichung stoppen
Dr. Manfred Kinner, Mitglied des Vorstands der KZVB, ergänzt: „Wir fordern Bundesgesundheitsminister Spahn und die Bundesregierung auf, die ‚Vergewerblichung‘ der Zahnmedizin umgehend zu stoppen. Die Quotenregelung im Terminservice- und Versorgungsgesetz vom vergangenen Jahr ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, reicht aber nicht aus. Wir brauchen weitere Maßnahmen, um die über Jahrzehnte gewachsene und im internationalen Vergleich qualitativ hoch angesiedelte Versorgungslandschaft in Deutschland zu erhalten. Der Schutz unserer Patientinnen und Patienten bleibt unser oberstes Ziel.“ Spahn hatte bereits auf der Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung im November 2019 in Berlin angekündigt, dass auch das Bundesgesundheitsministerium die Wirksamkeit der Regelungen aus dem TSVG und die weitere Entwicklung im Bereich Fremdinvestoren beobachten werde.
Kapitalgeber in Steueroasen profitierten von deutschen Kassengeldern
Es sei schwer erträglich, so BZÄK-Präsident Engel, dass mehr als 75 Prozent der Fremdkapitalgeber ihren steuerlichen Sitz in Steueroasen wie den Cayman Islands hätten, wie eine Studie der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen zeige, während die normale Zahnarztpraxis natürlich in Deutschland steuerpflichtig sei. „Es macht uns fassungslos, dass auf diesem Weg Beiträge deutscher Krankenversicherter in Steueroasen weltweit landen“, so Engel weiter. „Deutschland hat eines der besten zahnmedizinischen Versorgungssysteme der Welt, das auf diesem Wege nachhaltig beschädigt werden kann. Wir appellieren an die Bundesregierung, dieser Entwicklung – beispielsweise durch eine Änderung des Zahnheilkundegesetzes – endlich einen Riegel vorzuschieben. Der Schutz unserer Patientinnen und Patienten macht mindestens Aufsichts- und Berufsrechtsregelungen, wie eine verbindliche zahnärztliche Mehrheitsbeteiligung und die Kontrolle juristischer Personen durch die Zahnärztekammern, zwingend erforderlich.“
Quellen: Pressemeldungen der BZÄK und KZVB/BLZK vom 20.01.2020.