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Kostensteigerung in den Praxen nicht berücksichtigt – KBV ist von Schiedsspruch enttäuscht und fordert Energiekostenausgleich

Personal- und Betriebskostenentwicklung von Arztpraxen in Deutschland 2017 bis 2020 und Projektion für die Jahre 2021 und 2022 (im Vergleich zur Inflationsrate)

(c) ZI

Am 14. September 2022 ist Berlin das Ergebnis des Schiedsspruchs in den Vergütungsverhandlungen der Vertragsärzte und des GKV-Spitzenverbands zum Orientierungswert für die vertragsärztliche Versorgung im Erweiterten Bewertungsausschuss bekanntgegeben worden. Danach soll der Wert nur um 2 Prozent steigen – viel zu wenig, so die Kassenärzte.

Hierzu erklärt der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Dr. Dominik von Stillfried: „Der Erweiterte Bewertungsausschuss hat mit seinem Beschluss gegen die Stimmen der Ärzteschaft den Orientierungswert, also die Preiskomponente der ärztlichen Leistungen, um 2 Prozent weiterentwickelt. Die nun festgelegte Anpassung reicht noch nicht einmal aus, um die Mehrkosten durch die Tariflohnsteigerung in den Praxen im vergangenen Jahr auszugleichen. Zieht man die aktuellen Daten aus dem Zi-Praxis-Panel (ZiPP) heran, bringt die Anpassung des Orientierungswerts den Praxisinhaberinnen und -inhabern rund 5.200 Euro. Allein für die Anpassung der Mitarbeitenden-Gehälter mussten diese im vergangenen Jahr, wie auch in Vorjahren, aber bereits rund 5.400 Euro aufwenden. Das Rechenbeispiel zeigt, dass der vom unparteiischen Vorsitzenden festgesetzte Wert nicht annähernd die nunmehr deutlich steigenden Aufwendungen ausgleichen kann, mit denen Praxen in diesem Jahr konfrontiert sind. Die Folgen sind spürbare reale Einkommenseinbußen bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten oder, wo dies von Praxisinhabern nicht akzeptiert wird, zusätzliche Engpässe in der Versorgung. Den Aufbau eines resilienten Gesundheitssystems stellt man sich anders vor.“

„Kein Interesse am Erhalt der ambulanten Strukturen“

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung zeigte sich enttäuscht vom Ergebnis. Das Ergebnis zeige, dass es kein wirkliches Interesse am Erhalt der ambulanten ärztlichen und psychotherapeutischen Strukturen gebe, die das Rückgrat der Versorgung für die Menschen im Land bildeten, wie zuletzt die Pandemie gezeigt habe, kritisierte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV die Entscheidung. „Ein Plus von zwei Prozent beim OW ist viel zu wenig und deckt nichts an Kosten adäquat ab“, sagte Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender KBV-Vorstandsvorsitzender.

Nicht von der Systematik abgewichen

„Wir haben deutlich auf die aktuelle finanzielle Situation der Praxen hingewiesen, die insbesondere unter dem diesjährigen hohen Inflationsdruck leiden“, betonte Gassen. Doch der Erweiterte Bewertungsausschuss sei nicht von der Systematik, dass jeweils die Kostenentwicklung des Vorjahres betrachtet werde, abgewichen. Dadurch könnten die aktuellen Preissteigerungen erst bei den Verhandlungen im kommenden Jahr für den Orientierungswert 2024 berücksichtigt werden, fuhr Gassen fort. Für die Praxen sei das eine Katastrophe. Sie hätten bereits dieses Jahr mit deutlich höheren Kosten insbesondere im Bereich der Energie, aber auch beim Personal zu kämpfen.

KBV will auf Kassen zugehen und fordert Energiekostenausgleich

Gassen kündigte an, dass die KBV nach dem heutigen Beschluss nicht lockerlassen werde und einen Energiekostenausgleich fordern werde. „Wir werden auf die Kassen zugehen und schauen, ob wir hier eine Lösung finden, auch gegebenenfalls unter Zuhilfenahme des Wirtschaftsministeriums.“ Es gehe schließlich um eine kritische Infrastruktur, die durch die massiv explodierenden Energiekosten gefährdet sei und wie andere Bereiche dringend einen Ausgleich benötige.

Fachkräftemangel und hohe Inflation: Arztpraxen stark belastet

Das ZI hatte Ende August Zahlen dazu veröffentlicht, wie stark die Arztpraxen durch die Inflation und Teuerung belastet sind. Die anhaltend hohe Teuerungsrate und der umkämpfte Arbeitsmarkt für Medizinische Fachangestellte (MFA) stellt die Arztpraxen in Deutschland vor immer größere wirtschaftliche Herausforderungen. Wie das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) in seinem Praxis-Panel (ZiPP) gezeigt hat, sind die Kosten für den Praxisbetrieb bereits in den Jahren 2017 bis 2020 um durchschnittlich 13,2 Prozent gestiegen. Und dies, obwohl die Inflation in diesem Zeitraum lediglich 3,7 Prozent betrug.

Kostentreiber waren laut Panel vor allem die Aufwendungen für das Personal. Zwischen 2017 und 2020 stiegen diese Ausgaben um 18,9 Prozent. Der Anteil der Personalkosten an den Gesamtkosten des Praxisbetriebs liegt bei rund 56 Prozent. 2017 lagen die Ausgaben für den Praxisbetrieb bei rund 142.000 Euro pro Praxisinhaberin/-inhaber. Der Anstieg der Betriebskosten bis 2020 betrug 18.900 Euro, die Personalkosten stiegen absolut um 14.400 Euro pro Praxisinhaberin/-inhaber.

Mehr als 12.000 Euro Kostensteigerung pro Praxisinhaberin/-inhaber

Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts betrug die Inflationsrate für Juli 2022 7,5 Prozent. Durch den Wegfall kostendämpfender Maßnahmen (9-Euro-Ticket und Tankrabatt) sowie weitere dynamische Energiekostenanstiege (Gasumlage) werden für die kommenden Monate weiter steigende Teuerungsraten erwartet, so das ZI. Nehme man diesen Wert als Untergrenze für die Kostenentwicklung in Arztpraxen, sehen sich Praxisinhaber:innen allein im Jahr 2022 Kostensteigerungen in Höhe von 12.700 Euro pro Praxisinhaberin/-inhaber gegenüber. Auf die Personalkosten entfallen dabei mindestens 7.100 Euro. Gegenüber 2017 wären die Personalkosten dann um mehr als 30 Prozent, die Gesamtkosten für den Praxisbetrieb um nahezu 27 Prozent gestiegen.

„Diese Kostenexplosion muss durch die gesetzlichen Krankenkassen noch im laufenden Jahr gegenfinanziert werden“, forderte der Zi-Vorstandsvorsitzende von Stillfried anlässlich der Präsentation der Daten Ende August 2020. Die Datengrundlage aus zurückliegenden Jahren, die üblicherweise zur Berechnung der Vergütungsanpassung herangezogen wird, reiche alleine nicht aus. Zumal dann nicht, wenn die Teuerungsrate im Laufe des Jahres 2022 nicht abnehmen werde, so von Stillfried weiter.

Engpassberuf MFA – Personalknappheit verschärft sich weiter

„Gemäß der Bundesagentur für Arbeit gilt der Beruf der Medizinischen Fachangestellten als Engpassberuf. Waren der Behörde im Juli 2019 noch ca. 6.700 offene Stellen bekannt, sind es im Juli 2022 bereits 9.600 – eine Steigerung um 42 Prozent. Die Ausbildung der Medizinischen Fachangestellten findet in den Praxen statt. Zunehmend bieten aber Kliniken höhere Gehälter, um eigene Personalengpässe auszugleichen. Arztpraxen müssen aber ein attraktiver Arbeitgeber für medizinisches Fachpersonal bleiben, um die ambulante Versorgung auch zukünftig sicherstellen zu können. Damit Terminengpässe nicht noch größer werden, müssen die Praxen in die Lage versetzt werden, steigende Personalkosten zu stemmen. Das sollte auch im Interesse der gesetzlichen Krankenkassen und insbesondere deren Versicherten liegen“, bekräftigte der Zi-Vorstandsvorsitzende.

 

Quelle: Quintessence News Politik Praxis Nachrichten

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