Für die niedergelassenen Ärztinnen/Ärzte und Zahnärztinnen/Zahnärzte wird es immer schwieriger, im Wettbewerb mit Krankenkassen und Pflegeeinrichtungen um gute Mitarbeiterinnen bei den Gehältern mitzuhalten. Darauf haben die Expertinnen des Verbands medizinischer Fachberufe (vmf) im Vorfeld der Protestaktion am 8. September 2023 in Berlin hingewiesen – und auch dort war das Thema.
Verbandspräsidentin Hannelore König, Sylvia, Gabel, Referatsleiterin Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA), und Karola Will, Referatsleiterin Zahntechnik, stellten dazu die Ergebnisse der Online-Umfragen des Verbands unter Medizinischen Fachangestellten (MFA), ZFA und Zahntechniker vor und erläuterten dazu die Hintergründe. Der wichtigste: Die Politik fördert einseitig den stationären und Pflegebereich mit neuen Pflegemindestlöhnen, für die Mittel bereitgestellt werden. Krankenkassen können für die Gehälter und Inflationsausgleichsprämien auf die Sozialkassen beziehungsweise staatliche Gelder zurückgreifen. Im ambulanten Gesundheitswesen dagegen müssen die Chefinnen und Chefs das alles aus den – nun in der Zahnmedizin auch noch budgetierten – unzureichenden Honoraren der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finanzieren, die weder Inflation noch gestiegene Energiekosten oder gar Personalkosten berücksichtigen. Die Vergütung für die Privatleistungen mit seit Jahrzehnten unveränderten Punktwerten und nicht aktuellen privaten Gebührenordnungen GOÄ und GOZ kann das nicht ausgleichen, zumal die Arztpraxen nur etwa 25 Prozent der Einnahmen aus Privatabrechnungen generieren (Zahnärzte ca. 48 Prozent). in der Zahntechnik sind die Preise für zahntechnische Leistungen in der GKV ebenfalls durch eine strenge Grundlohnsummenanbindung gedeckelt.
Je nach Region bis zu 35 Prozent der Zahntechniker im Niedriglohnbereich
„Wir zeigen bei der Protestaktion auch als Zahntechnikerinnen und Zahntechniker dem Gesundheitswesen die Rote Karte. Die strikte Deckelung der Vergütung der zahntechnischen Leistungen im Rahmen des GKV-Systems lehnen wir als Verband ab, weil auch zur Fertigung von Regelversorgungen die Expertise von gut ausgebildeten Zahntechnikerinnen und Zahntechnikern erforderlich ist, die entsprechend honoriert werden können muss. Und zwar überall, denn alle Patientinnen und Patienten haben das Recht auf ordentlichen Zahnersatz auch in der Regelversorgung“, erklärte Karola Will, Referatsleiterin Zahntechnik im vmf. Bei einer aktuellen Umfrage unter den Berufsangehörigen hatten jedoch 9 Prozent angegeben, dass sie im Niedriglohnbereich (bis 12,76 Euro Bruttostundenlohn) arbeiten: In Mecklenburg-Vorpommern waren es sogar 35 Prozent der Teilnehmenden, in Sachsen 22 Prozent, in Thüringen 21 Prozent, in Schleswig-Holstein 10 Prozent.
Versteckte Leistungskürzung
Sylvia Gabel, Referatsleiterin ZFA im vmf, erklärte. „Bei derzeit hohem Fachkräftemangel wird die wieder eingeführte Budgetierung dazu führen, dass die Arbeitsplätze der ZFA verloren gehen. Die Konsequenzen für die Patientinnen und Patienten sind: langwierige Behandlungen, Wartezeiten und Wechselwirkungen zur Allgemeingesundheit“, so Sylvia Gabel. Sie verwies auch auf die fatalen Folgen der Budgetierung für die erst zum 1. Juli 2021 eingeführte neue PAR-Richtlinie für Kassenpatienten. Die Krankenkassen genehmigten fleißig jeden PAR-Antrag, und die Patientinnen und Patienten erwarten eine zügige Behandlung – für die die zahnärztlichen Teams nicht bezahlt werden. „Das ist für mich versteckte Leistungskürzung!“, so Gabel. Wegen der Budgetierung fielen zum Beispiel auch Diabetiker aus dem Behandlungskonzept der Parodontologie, weil sie nicht zu den vulnerablen Gruppen gehören. „Dabei ist der Zusammenhang zwischen Mundgesundheit und HBA 1c Wert bekannt. Ein Motto vom Tag der Zahngesundheit lautet: Gesund beginnt im Mund! Diese Worte haben in Deutschland keine Bedeutung mehr, es wird gespart – aber am falschen Ende.“
Immer mehr MFA und ZFA wechseln in Kliniken und Pflege
„Schon jetzt verlieren wir im ambulanten Gesundheitswesen immer mehr Medizinische Fachangestellte (MFA) und auch ZFA an die Kliniken und Pflegeeinrichtungen“, berichtete Hannelore König, Präsidentin des vmf. Bei der Online-Umfrage des vmf im Frühsommer dieses Jahres hatten 27 Prozent der MFA und sogar 51 Prozent der ZFA angegeben, weniger als 16 Euro brutto pro Stunde zu erhalten.
Weiter Druck wegen steigender Gehälter in Pflege und Co.
„Die Gehaltssituation ist beschämend. Wenn ab dem 1. Mai 2024 der Mindestlohn für qualifizierte Pflegehilfskräfte mit einer mindestens einjährigen Ausbildung 16,50 Euro/Stunde steigt beziehungsweise ab 1. März 2024 MFA/ZFA im öffentlichen Dienst 17,34 Euro/Stunde oder als qualifizierte Pflegehilfskraft 17,71 Euro/Stunde erhalten, werden noch mehr diese Berufe verlassen.“
Sie erinnerte daran, dass bei der AOK aktuell ein Einstiegsgehalt von 17,26 Euro/Stunde und bei der IKK 17,74 Euro/Stunde und zudem eine Inflationsausgleichsprämie geboten wird. Gehalt wie Prämie würden von den Sozialversicherungen beziehungsweise vom Staat gegenfinanziert.
Große Unzufriedenheit
Dagegen hatten unter den Teilnehmenden an der Umfrage bis Mai 2023 mehr als die Hälfte nicht einmal einen Teil der Inflationsausgleichsprämie erhalten. Entsprechend zeigte sich die Unzufriedenheit mit dem Gehalt: Im Vergleich zu einer Umfrage im Februar 2022 hat sie bei MFA von 58 auf 66 Prozent und bei ZFA von 59 auf 69 Prozent deutlich zugenommen.
„Die Schlussfolgerung aus Unzufriedenheit mit dem Gehalt lautet nicht selten: Raus aus der Praxis oder dem Job. In Zeiten des Fachkräftemangels wird so mancher Gedanke daran noch eher umgesetzt“, so Hannelore König weiter. „Der Anteil derjenigen, die in den vergangenen zwölf Monaten mindestens mehrere Male im Monat daran gedacht, den AG zu wechseln beziehungswesie aus dem Beruf MFA oder ZFA auszusteigen, lag bei knapp 40 Prozent.“
Vollumfängliche staatliche Gegenfinanzierung und Steuererleichterungen
Mit Blick auf die große Gehaltsdifferenz zu anderen Berufen im Gesundheits- und Sozialwesen mit gleicher Qualifikation bekräftigte die Präsidentin die Forderung nach einer vollumfänglichen, staatlichen Gegenfinanzierung verhandelter Tariferhöhungen sowie einen Branchenmindestlohn als Lohnuntergrenze für die Fachkräfte. Kurz- bis mittelfristig seien steuerliche Regelungen für Gesundheits- und Sozialberufe mit niedrigem Bruttoentgelt notwendig, um die prekäre Situation dieser Berufe zu verbessern.
Politik muss Leistungen der MFA und ZFA endlich sehen
„Wir zeigen der Gesundheitspolitik die Rote Karte. Denn es geht um die Gesundheit der Menschen in Deutschland, um die wohnortnahe Versorgung und die Wertschätzung derjenigen, die daran engagiert mitwirken. Der Bundesgesundheitsminister sieht die Anhebung der Mindestlöhne für Pflege- und Betreuungskräfte als Zeichen der Anerkennung dafür, was sie täglich leisten. Der Beitrag unserer Berufsangehörigen ist keinen Deut geringer. Ihre Arbeit ist eine entscheidende Grundlage für eine gute (zahn)ärztliche Versorgung. Auch sie brauchen faire Entlohnung, und zwar jetzt!“, so König.
Umfrageergebnisse bei MFA und ZFA im Überblick
Die Online-Umfragen wurden vom 2. bis 25. Juni 2023 unter ZFA und vom 21. Juni bis 16. Juli 2023 unter MFA durchgeführt. Es haben ca. 3.500 Medizinische Fachangestellte (MFA) und 1.350 Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA) teilgenommen. Das sind ca. 0,9 Prozent der Fachkräfte und Berufsexperten in den Arztpraxen, sowie 0,7 Prozent in den Zahnarztpraxen erreicht.
Altersgruppe von 30 bis unter 50 stark vertreten: Die Altersstruktur bewegte sich dabei von unter 30 (bei ZFA: 20 Prozent und MFA 15 Prozent) bis 60 plus (je 2 Prozent). Besonders stark vertreten waren die Altersgruppen 30 bis unter 40 und 40 bis unter 50 Jahre, die in beiden Berufen jeweils etwas mehr als 32 Prozent ausmachten. Damit war diese Gruppe im Vergleich zu den Angaben der Gesundheitsberichterstattung des Bundes etwas überrepräsentiert.
Alle Bundesländer gut vertreten: Alle Bundesländer waren gut vertreten, wobei sich aus Niedersachsen und Hessen überproportional viele und aus Bayern und Baden-Württemberg eher weniger ZFA beteiligt haben. Bei den MFA stach vor allem Nordrhein-Westfalen heraus. Dort arbeiten 23,5 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten MFA, bei der Umfrage kam sogar mehr als jede dritte MFA aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland.
Quereinsteiger selten: Bei beiden Berufen zeigt sich, dass Quereinsteigerinnen/-einsteiger noch sehr selten sind. Ihre Prozentzahl lag bei den ZFA unter 1 Prozent. Bei den MFA gaben rund 4 Prozent an, dass sie aus einem anderen Gesundheitsberuf kommen und 1 Prozent ist Quereinsteiger aus einer anderen Branche.
Berufliche Fortbildungen häufig: Ausgesprochen häufig sind berufliche Fortbildungen: 85 Prozent der teilnehmenden ZFA haben nach ihrem Berufsabschluss eine weitere Fort- oder Weiterbildung absolviert. Bei den MFA waren es 57 Prozent und bei Quereinsteigerinnen/-einsteigern aus einer anderen Branche waren es sogar 76 Prozent. Bei Quereinsteigern aus anderen Gesundheitsberufen sind es nur 47 Prozent sind, die eine weitere Fort- und Weiterbildung absolviert haben.