„Die Finanzmittel für die ambulante ärztliche und psychotherapeutische Versorgung müssen deutlich aufgestockt werden“, so der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen. Am 9. August 2023 beginnen in Berlin die Finanzierungsverhandlungen der KBV mit dem GKV-Spitzenverband für 2024 – und die werden nicht einfach werden.
„Die hohe Inflation und die stark gestiegenen Kosten vor allem beim Personal machen den Praxen zu schaffen“, betonte Gassen in einem Gespräch mit den PraxisNachrichten der KBV. Die Ärzte und Psychotherapeuten hätten weder für das vorige Jahr noch für dieses Jahr einen Inflationsausgleich erhalten. Durch die jahrelange Unterfinanzierung und Budgetierung treffe dies den ambulanten Bereich besonders hart.
Inflationsausgleich auch für 2023
Bei den Finanzierungsverhandlungen für 2023 vor einem Jahr hatte die KBV gefordert, dass die hohe Inflation berücksichtigt wird. Dies fand im Erweiterten Bewertungsausschuss keine Mehrheit. „Das war falsch und muss in diesem Jahr korrigiert werden“, forderte Gassen. Die inflationsbedingten Mehrbelastungen, die die Praxen momentan zu tragen hätten, erschütterten ihre wirtschaftliche Situation, ohne dass sie die Möglichkeit zum Gegensteuern hätten.
Der Orientierungswert (OW) ist zu Jahresbeginn um lediglich 2 Prozent gestiegen, so die KBV. Die Inflationsrate lag im ersten Quartal 2023 bei 8,3 Prozent.
Ambulanter Bereich wird unattraktiv
Gassen wies darauf hin, dass die Niedergelassenen infolge der hohen Preissteigerungen reale Einkommensverluste hinnehmen müssten, während die Gehälter in den Krankenhäusern steigen. „Wir steuern auf ein riesiges Versorgungsproblem zu, wenn der ambulante Bereich kaputtgespart und für den Ärztenachwuchs zunehmend unattraktiver wird“, warnte er. Schon jetzt fänden viele Ärztinnen und Ärzte für ihre Praxen keine Nachfolger.
Ohne Personal können Praxen dichtmachen
Das gleiche Problem zeichnet sich Gassen zufolge beim qualifizierten nichtärztlichen Personal ab, wo es bereits einen akuten Mangel gibt. Praxisinhaber könnten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunehmend nicht mehr adäquat bezahlen, sodass immer mehr von ihnen durch Kliniken abgeworben würden. Ohne Personal müssten viele Praxen ihren Leistungsumfang kürzen oder gar dichtmachen.
„Wir brauchen dringend finanzielle Unterstützung durch die Krankenkassen, um die Attraktivität des Berufsbildes zu erhalten und Abwanderungen aus dem ambulanten Sektor abzuwenden“, betonte der KBV-Vorstandsvorsitzende. Diese werde die KBV in den Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband einfordern. Gassen: „Der eklatante Wettbewerbsnachteil im Rennen um qualifiziertes Personal mit den Kliniken muss ein Ende haben.“
Verhandlungen zum Orientierungswert 2024
Bei den am 9. August beginnenden Finanzierungsverhandlungen von KBV und GKV-Spitzenverband geht es darum, wie viel Geld die Krankenkassen im nächsten Jahr für die ambulante ärztliche Versorgung bereitstellen. Dazu wird der bundeseinheitliche Punktwert als Orientierungswert an die gestiegenen Kosten und Investitionen der Praxen angepasst. Anders als bei Tarifverhandlungen gibt es für die OW-Verhandlungen gesetzliche Vorgaben, wie die Höhe der Anpassung festzulegen ist. Auch für die ambulante ärztliche Versorgung waren im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz Abstriche an den Honorarvolumina vorgesehen worden. So fiel unter anderem die Neupatientenregelung weg. Anders als bei den Vertragszahnärzten, bei denen die strikte Budgetierung von 2013 bis 2023 ausgesetzt war, gibt es bei den Ärzten durchgehend eine Budgetierung der Vergütungen.
Für den 18. August hat die KBV die KVen und Ärzteverbände zu einer Krisensitzung zur Situation der ambulanten ärztlichen Versorgung nach Berlin eingeladen.