Traditionell ist die erste Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) im Juni/Juli eine sogenannte Arbeits-VV. Hier stehen vorwiegend aktuelle Projekte und interne Arbeitsthemen auf der Agenda. Angesichts der gesundheitspolitischen Gemengelage fiel aber diese KZBV-VV erwartungsgemäß sehr politisch aus, stand doch unter anderem eine gemeinsame Kampagne mit Ärzte- und Apothekerschaft zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) auf der Agenda.
Den politischen Auftakt machte das Grußwort der hessischen Gesundheitsministerin Diana Stolz. Die CDU-Politikerin erklärte, dass das Gesundheitssystem durch die vielen Belastungen wie Pandemie, Ukraine-Krieg etc. stark belastet sei und die vielen laufenden und angekündigten Gesetzesvorhaben das System und die Finanzsituation weiter unter Druck setzen werde. Auch liege es auf der Hand, dass die Gesetze aus Berlin zu weiteren Ausgabensteigerungen führen werden. Regelungen zur Neuordnung der Finanzierung stünden aber immer noch aus.
Gerade jetzt sei aber der Austausch mit denen, die die Versorgung im Alltag stemmten, besonders wichtig: „Seien Sie versichert, dass Sie trotzdem Gehör und Beachtung für Anliegen der Zahnärzteschaft finden“, erklärte die Ministerin. Es sei in Hessen ein Pakt für Gesundheit mit allen Partnern geplant, auch mit der KZV und der Zahnärztekammer.
Hessen kündigt Befassung mit der Evaluierung zur PAR-Richtlinie an
Mit Blick auf die Evaluierung zu den Auswirkungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes auf Parodontitistherapie, bei denen das Bundesgesundheitsministerium zu einer völlig anderen Bewertung kommt als die von der KZBV und der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie vorgenommene eigene Evaluierung, werde man in der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) der Länder in Travemünde Mitte Juni zum Thema machen. Hessen werde einen Antrag stellen und weitere Anstrengungen unternehmen, die Parodontitistherapie aus strikter Budgetierung wieder herauszunehmen, erklärte Stolz unter Beifall der VV.
Ebenfalls Beifall fanden ihre Ausführungen zur stärkeren Regulierung der investorengeführten Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ). Hier gebe es durchaus hohe juristische Hürden. Aber die hessische Landesregierung befürworte trotzdem sehr stark eine stärkere Regulierung, auch im Interesse der Patienten. Und auch hier warte die GMK seit einem Jahr auf Umsetzung durch den Bundesgesundheitsminister.
Der Vorstandsvorsitzende der KZBV, ZA Martin Hendges, dankte Stolz für ihr Grußwort und das große Engagement: „Das, was Sie gesagt haben, war eindrucksvoll und hat uns abgeholt.“ Dies sei ein Zeichen für die große Wertschätzung der Zahnärzteschaft und die tägliche Leistung der Selbstverwaltung. „Wir brauchen dringend einen gesundheitspolitischen Kurswechsel“, so Hendges, eine Politik, die den Patienten im Fokus hat und gleichzeitig den Rahmen schafft für diejenigen, die die Versorgung in Zukunft sicherstellen sollen.
Forderungen der Zahnärzteschaft
Am ersten Tag formulierte der Vorstand in seinen Berichten die aktuellen Forderungen der Vertragszahnärzteschaft und legte den Stand zu den vielen Gesetzesvorhaben und Aufgaben der KZBV dar. Martin Hendges erklärte im politischen Teil seines Berichts dazu: „Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz bietet der Ampel die wahrscheinlich letzte Chance, noch in der laufenden Legislaturperiode das Ruder in Richtung einer präventionsorientierten zahnmedizinischen Versorgung herumzureißen. Hält Minister Lauterbach aber an seinen radikalen Vorhaben fest, unsere bewährten Strukturen in Richtung einer am Reißbrett geplanten zentralistisch diktierten Staatsmedizin reformieren zu wollen, gefährdet dies die Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten. Daher darf die Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung nicht weiter ausgehöhlt werden! Unser hochgeschätztes Gesundheitssystem fußt maßgeblich auf Praxisnähe und unserer fachlichen Expertise.“
Dringenden politischen Handlungsbedarf sieht die Vertreterversammlung auch an anderen Stellen: Eine überbordende Bürokratie und eine praxisuntaugliche Digitalisierungsstrategie provozieren vorzeitige Praxisschließungen und halten die junge Zahnärzteschaft zunehmend davon ab, sich niederzulassen.
Immer wieder Probleme mit der TI
„Während der Gesundheitsminister auf Künstliche Intelligenz in allen Bereichen setzt, knirscht es in der Telematikinfrastruktur“, betont Dr. Karl-Georg Pochhammer, stellv. Vorsitzender des Vorstandes der KZBV. Allein in diesem Jahr seien bereits über 30 Störungen mit teilweise tagelangen Beeinträchtigungen für die Praxen aufgetreten. „Die Politik muss sich vielstärker auf das fokussieren, was Zahnärztinnen und Zahnärzte bei der Digitalisierung ihrer Prozesse tatsächlich benötigen: eine stabile TI, praxistaugliche Anwendungen und mehr Einflussmöglichkeiten der Selbstverwaltung. Sanktionen, um praxisferne Anwendungen in die Versorgung zu zwingen, sind hingegen völlig kontraproduktiv“, so Dr. Pochhammer, der auch die geplante Ausweitung der Befugnisse der gematik im Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz kritisiert: „Die gematik muss sich jetzt vorrangig um den Betrieb der TI kümmern, nicht um die Entwicklung immer neuer Dienste und Anwendungen.“
Auch beim Setzen von technischen Standards bei (zahn-)medizinischen Daten zum interdisziplinären Austausch oder zur Unterstützung der elektronischen Patientenakte über die Grenzen der Praxisverwaltungssysteme (PVS) hinweg fordert die Vertretersammlung von der Politik eine praktikable Vorgehensweise.
Falsche Signale der Politik in Richtung Interoperabilität
„Grundsätzlich unterstützen wir eine stärkere Interoperabilität im Gesundheitswesen. Das mit dem Digitalgesetz neu aufgesetzte Zertifizierungsverfahren für PVS-Hersteller muss sich aber erst noch beweisen. Wir rufen alle Beteiligten dazu auf, bei Vorgaben und Fristen mit Fingerspitzengefühl zu agieren. Die PVS-Hersteller, die ebenso wie auch die Zahnarztpraxen unter dem Fachkräftemangel zu leiden haben, programmieren mit Hochdruck an stabilen und tragfähigen Softwarelösungen für die Zahnarztpraxen. Den Praxen mit Abrechnungsverboten zu drohen, sofern ihre PVS-Hersteller das kleinteilige Zertifizierungsverfahren nicht bestehen, ist nicht nur das falsche Signal, sondern geht an der Realität völlig vorbei und kommt einer Kollektivstrafe gleich. Hier muss der Gesetzgeber dringend nachbessern“, ergänzt Dr. Ute Maier, stellvertretende Vorsitzende des Vorstands der KZBV. (Die Reden der Vorstandsmitglieder stehen auf der Website der KZBV zur Verfügung.)
Am zweiten Tag der Vertreterversammlung in Frankfurt stand zunächst die Beschlussfassung zu den Anträgen auf der Agenda, bevor über die neue gemeinsame Kampagne mit KBV und Apothekerschaft diskutiert wird. (Weitere Berichterstattung folgt.)
Dr. Marion Marschall, Berlin