Die Ausgaben für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz sind für das Jahr Corona-Jahr 2020 mit einem Plus von 0,3 Prozent stabil geblieben. Das geht aus den vorläufigen Finanzergebnissen der Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) hervor, die das Bundesministerium für Gesundheit Anfang März veröffentlicht hat. Einen Rückgang gab es dagegen beim Zahnersatz mit -5,2 Prozent.
Die Zahlen sind noch vorläufig und beruhen zum Teil auf Schätzungen, da die Abrechnung der Ärzte und Zahnärzte für das 2. Halbjahr 2020 noch nicht vorliegen. Die finalen Zahlen werden voraussichtlich erst im Juni veröffentlicht werden, heißt es.
Die gesetzlichen Krankenkassen haben nach den vorliegenden Finanzergebnissen im Jahr 2020 insgesamt ein Defizit von rund 2,65 Milliarden Euro ausgewiesen. Die Finanzreserven der Krankenkassen lagen zum Stichtag 31. Dezember bei 16,7 Milliarden Euro. Der Gesundheitsfonds verbuchte 2020 ein Defizit von 3,49 Milliarden Euro. Die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds lag zum Stichtag 15. Januar 2021 bei rund 5,9 Milliarden Euro.
Die Einnahmen der Krankenkassen, die sie in erster Linie durch vorab festgelegte Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erhalten, sind um 4,0 Prozent auf 260,0 Milliarden Euro gestiegen. Die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten verzeichneten bei einem Anstieg der Versichertenzahlen von 0,3 Prozent ebenfalls einen Zuwachs von 4,0 Prozent auf 262,6 Milliarden Euro.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erklärte zu den Zahlen, die Pandemie habe auch die Entwicklung der Krankenkassen-Bilanzen im vergangenen Jahr geprägt. „Die Zahlen für das letzte Jahr zeigen aber auch: Durch den zusätzlichen Bundeszuschuss und den Abbau der Finanzreserven ist es uns gelungen, dass Beitragszahler und Arbeitgeber nicht übermäßig belastet worden sind. Die Beiträge stabil zu halten – das ist auch mit Blick auf das laufende Jahr unser Ziel.“
Kassen warnen vor noch größerem Defizit
Die Krankenkassen hatten anlässlich der vorläufigen Zahlen vor einem noch größeren Defizit der Kassen gewarnt und Gegenmaßnahmen gefordert. Die Finanzentwicklung sei geprägt gewesen von deutlichen Ausgabensteigerungen in zentralen Leistungsbereichen, aber teils auch von Ausgabenrückgängen, etwa im Bereich der Früherkennung, die unter Versorgungsgesichtspunkten beunruhigend sind. Dazu erklärte Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, die gesetzliche Krankenversicherung habe nicht nur alles medizinisch Notwendige finanziert, sondern auch für eine Stabilisierung der Versorgungsstrukturen gesorgt. Das System der gesetzlichen Krankenversicherung habe sich in der Krise bewährt. Die Ausgaben seien aber zum Teil deutlich gestiegen.
Vorsorgeangebote wahrnehmen
„Sorge bereitet mir, dass die Ausgaben für Früherkennungsmaßnahmen gesunken sind. Ich appelliere dringend an alle Versicherten, die Vorsorgeangebote der gesetzlichen Krankenversicherung auch in Corona-Zeiten wahrzunehmen“, so Pfeiffer. Die Leistungen für ärztliche Früherkennungsmaßnahmen waren um 2,8 Prozent zurückgegangen, die für Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen um 15,2 Prozent.
Kassen-Minus von 6,2 Milliarden „Alarmsignal“
Das Defizit 2020 der gesetzlichen Krankenversicherung setzt sich aus einem Minus beim Gesundheitsfonds in Höhe von 3,582 Milliarden Euro sowie dem Krankenkassen-Defizit in Höhe von 2,654 Milliarden Euro zusammen. Insgesamt kommt die gesetzliche Krankenversicherung somit im Jahr 2020 auf ein Defizit in Höhe von 6,236 Milliarden Euro. Dieses Minus von 6,2 Milliarden Euro sei einAlarmsignal, so Pfeiffer weiter „Für dieses Jahr bin ich noch optimistisch, dass die Zusatzbeitragssätze nicht weiter angehoben werden müssen. Möglich wird das vor allem durch das weitere Abschmelzen der Reserven der Krankenkassen. So müssen die Krankenkassen in diesem Jahr allein acht Milliarden Euro aus ihren Finanzreserven an den Gesundheitsfonds abführen, damit dieser seine laufenden Zahlungsverpflichtungen erfüllen kann.“ Der Bund leiste ergänzend einen einmaligen zusätzlichen Bundeszuschuss in Höhe von fünf Milliarden Euro. Allerdings bleibe der Pandemieverlauf auch für dieses Jahr die große Unbekannte, so die Vorstandsvorsitzende des GKV-SV.
Kassen fordern Weichenstellung für adäquate Finanzierung
„Für das kommende Jahr zeichnen sich große finanzielle Herausforderungen ab. Da der Extra-Bundeszuschuss einmalig war und die Rücklagen sowohl der Krankenkassen als auch des Gesundheitsfonds zum großen Teil in diesem Jahr aufgebraucht werden, entsteht im nächsten Jahr eine Finanzierungslücke im zweistelligen Milliardenbereich. Wer im nächsten Jahr stabile GKV-Finanzen haben möchte, muss jetzt die Weichen für eine adäquate Finanzierung stellen. Leistungskürzungen sollten im Interesse der Patientinnen und Patienten tabu sein, auf der anderen Seite wären höhere Beiträge kein gutes Zukunftssignal für den notwendigen wirtschaftlichen Aufschwung. Deshalb wäre ein dauerhaft erhöhter Bundeszuschuss der richtige Schritt. Die Bundesregierung ist gefordert, in der Haushaltsplanung entsprechende Mittel einzuplanen, so Pfeiffer.
Finanzentwicklung nach Krankenkassenarten
Bis auf die landwirtschaftliche Krankenversicherung (LKK), die 2020 einen Überschuss von 58 Millionen Euro erzielte, verbuchten alle Krankenkassenarten im vergangenen Jahr Defizite: Für die Ersatzkassen betrug das Minus 1.114 Millionen Euro, für die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) 974 Millionen Euro, für die Betriebskrankenkassen (BKK) 235 Millionen Euro, für die Innungskrankenkassen (IKK) 250 Millionen Euro und für die Knappschaft 138 Millionen Euro.
Deutliche Schwankungen bei den Ausgaben
Die Ausgaben der Krankenkassen für Leistungen und Verwaltungskosten stiegen im 1. bis 4. Quartal 2020 um 4,0 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen um 4,0 Prozent, die Verwaltungskosten um 4,8 Prozent. Die Ausgabenentwicklung war im vergangenen Jahr pandemiebedingt von deutlichen Schwankungen geprägt. Gegenüber der jeweiligen Vorjahresperiode stiegen die Ausgaben im 1. Quartal 2020 um 5,6 Prozent, im isolierten 2. Quartal sanken die Ausgaben der Krankenkassen unter den Auswirkungen des Lockdowns hingegen um 1,0 Prozent. Im Zuge der Abflachung des Infektionsgeschehenes im Sommer stiegen die Ausgaben im isolierten 3. Quartal wiederum um 8,6 Prozent und im isolierten 4. Quartal mit dem Lockdown ab Mitte November um 3,6 Prozent an.
Ausgabenentwicklung in einzelnen Leistungsbereichen
Im Bereich der ärztlichen Behandlung gab es mit 7,3 Prozent deutlich überproportionale Zuwächse. Da für das 2. Halbjahr noch keine Abrechnungsdaten der Ärzte vorliegen, sind diese Veränderungsraten jedoch noch unsicher und in hohem Maße von Einschätzungen der Krankenkassen geprägt. Bei den Krankenhausausgaben verbuchten die Krankenkassen 2020 einen vergleichsweise geringen Anstieg von rund 1,3 Milliarden Euro beziehungsweise 1,7 Prozent. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Krankenhäuser bis Ende Dezember zusätzlich rund 9,4 Mrd. Euro aus Steuermitteln für freigehaltene Betten sowie rund 700 Millionen Euro für die Erhöhung der Kapazitäten von Intensivbetten aus Mitteln des Gesundheitsfonds erhalten haben.
Die Ausgaben für Arzneimittel stiegen um 5,4 Prozent, zweistellige Zuwachsraten gab es hingegen bei den Krankengeldausgaben mit 10,8 Prozent. Bei den Heilmitteln, bei denen die Ausgaben der Krankenkassen um 2,3 Prozent/rund 200 Millionen Euro stiegen, sei zu berücksichtigen, dass die Leistungserbringer in diesem Bereich im vergangenen Jahr aus Mitteln des Gesundheitsfonds rund 814 Millionen Euro an zusätzlichen Ausgleichszahlungen erhalten haben.
Minus bei Vorsorge und ZE
Während die Ausgaben für zahnärztliche Behandlung weitgehend stagnierten (+0,3 Prozent), wurde in den nachfolgenden Bereichen Ausgabenrückgänge bei den Krankenkassen verzeichnet: beim Zahnersatz (-5,2 Prozent), bei den Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen (-15,2 Prozent) sowie bei den ärztlichen Früherkennungsmaßnahmen (-2,8 Prozent). Bei den Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen wurden die Belegungsrückgänge durch Ausgleichszahlungen in Höhe von rund 335 Millionen Euro aus dem Gesundheitsfonds abgefedert.
Maßnahmenpaket stabilisiert für 2021
Mit dem Maßnahmenpaket, das der Gesetzgeber Ende 2020 mit dem Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz beschlossen hatte, wurden die Voraussetzungen für eine stabile Finanzierungsgrundlage der GKV auch im Jahr 2021 geschaffen. Der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz 2021 sei durch einen ergänzenden Bundeszuschuss von fünf Milliarden Euro und eine leistungsgerechte Abführung der Finanzreserven der Krankenkassen in Höhe von acht Milliarden Euro auf 1,3 Prozent weitestgehend stabilisiert worden. „Obwohl zum Jahreswechsel 40 von 102 Krankenkassen ihren Zusatzbeitragssatz angehoben, zwei Krankenkassen ihren Zusatzbeitragssatz gesenkt und 60 Kassen keine Veränderungen vorgenommen hatten, ist der durchschnittlich von allen Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz mit 1,28 Prozent leicht unterhalb des vom BMG im Oktober 2020 bekanntgemachten Durchschnittswert von 1,3 Prozent geblieben“, heißt es.