In der Regel muss der Patient nachweisen, dass ein Arzt oder Zahnarzt einen Behandlungsfehler begangen hat, der ursächlich für seine Probleme ist. Erst bei einem groben Behandlungsfehler setzt die Beweislastumkehr ein. Dieser grobe Behandlungsfehler kann auch bei einer Häufung von Behandlungsfehlern angenommen werden.
Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat jetzt in einem Fall einer Zahnärztin so entschieden (Urteil vom 1. Dezember 2019, Az.: 11 O 309/11). Für das Gericht war hier aufgrund der Häufung von Behandlungsfehlern ein grober Behandlungsfehler anzunehmen. „Die Feststellung eines groben Behandlungsfehlers hat Bedeutung für die Beweislast der Beteiligten im Haftungsprozess. Bei einem groben Behandlungsfehler werden die behaupteten Leiden des Patienten als Folge der Behandlungsfehler zu Lasten des Behandlers vermutet, ohne dass der Patient die Kausalität des Fehlers für seine Leiden darlegen muss. Das gilt aufgrund von Rechtsprechung schon länger, kommt aber nicht häufig vor“, so die Kanzlei heller::kanter Rechtsanwälte, Köln, in ihrem Rundbrief für Zahnärzte zu diesem Urteil.
Unzureichende Diagnostik und Vorbehandlung
Im vorliegenden Fall hatte eine Patientin geklagt, bei der wegen mangelnder Eignung der bisherigen Pfeilerzähne 13 und 23 im Jahr 2006 eine neue teleskopierende Brücke über die Oberkieferfront hergestellt wurde. Im Nachgang traten massive Probleme auf, bis hin zu eitrigen Entzündungen und Extraktion. Die von der Patientin und vom Gericht bestellten Gutachter, ebenso der vom Gericht zusätzlich eingesetzte Obergutachter, stellten eine ganze Reihe von Problemen fest, so eine unzureichende Diagnostik parodontaler und endodontischer Probleme. Auch fehlte es an einer präprothetischen Behandlung dieser Probleme.
Fehlende Aufklärung über Therapiealternativen
Die Gutachter wiesen zudem auf die unzureichende Aufklärung zu alternativen Therapiemöglichkeiten hin. „Primär entscheidet der Arzt über die Behandlungsmethode. Gibt es indessen mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden, die wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen, besteht mithin eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten, dann muss diesem nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben“, so die Kölner Anwälte in ihrer Diskussion des Urteils.
Das LG Frankfurt (Oder) stellte fest: „Die Häufung der von den Gutachtern aufgezählten Behandlungsfehler führt im Ergebnis dazu, dass ein grober Behandlungsfehler anzunehmen ist. Folglich werden die von der Klägerin vorgetragenen Leiden als Folge der Behandlungsfehler vermutet. Es fehlt an einer Aufklärung über Alternativbehandlungen. Diese ließen sich in den vorgelegten Dokumentationen nicht feststellen. Es fehlt an einer endodontischen Behandlung und einer Paradontalbehandlung vor der prothetischen Versorgung.“
Höheres Schmerzensgeld wegen fehlender Unrechtseinsicht des Zahnarztes
Bemerkenswert sei, dass das Gericht der Unrechtseinsicht des Zahnarztes rechtliche Relevanz beimaß und deswegen das Schmerzensgeld erhöhte, so die Kölner Anwälte. Das Gericht schreibt dazu in seinen Entscheidungsgründen: „Bei der Höhe des Schmerzensgeldes hat das Gericht berücksichtigt, dass die Behandlung über einen langen Zeitraum andauert und die zahnärztliche Behandlung, so das Ziehen von Zähnen und anschließende Entzündungen äußerst schmerzhaft ist. Bei der Höhe des Schmerzensgeldes hat das Gericht außerdem das Verhalten der Beklagten berücksichtigt, die auch nach Vorlage von insgesamt drei Sachverständigengutachten keine Einsicht gezeigt hat. Dies führte letztlich auch zu der langen Verfahrensdauer. Der Feststellungsantrag ist gleichfalls begründet, die zahnärztliche Behandlung der Klägerin ist noch nicht endgültig abgeschlossen.“
Die beklagte Zahnärztin wurde verurteilt, neben 10.000 Euro Schmerzensgeld zuzüglich Zinsen und Anwaltskosten von mehr als 700 Euro auch der Patientin „sämtliche weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche dieser aus der fehlerhaften Behandlung entstanden sind und noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.“
Quellen: ADP-Medien/Information der Kanzlei heller::kanter Rechtsanwälte, Köln; Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder), Urteil vom 1. Dezember 2019, Az.: 11 O 309/11