Deutschlands Erwerbstätige befinden sich im Dauerstress mit einem hohen Risiko zum Burn-out: 61 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehen sich gefährdet, an einer Überlastung zu erkranken.
40 Prozent stufen ihre eigene Burn-out-Gefährdung als mäßig ein, 21 Prozent sogar als hoch. Im Vergleich zu 2018, also vor der Coronapandemie, bedeutet dies einen Anstieg um elf Prozentpunkte. Etwa gleich viele (62 Prozent) haben eine Arbeitsüberlastung schon mal selbst erlebt oder bei Kolleginnen oder Kollegen beobachtet.
In den vergangenen zwölf Monaten haben 34 Prozent der Beschäftigten einen Burn-out und 23 Prozent einen Bore-out entweder selbst durchgestanden oder Kolleginnen/Kollegen waren betroffen.
Dies sind Ergebnisse der repräsentativen Studie „Arbeiten 2023“ der Pronova BKK (siehe hierzu auch unseren Beitrag Krankmeldung – eine Frage des Alters?), für die im November 2023 rund 1.200 Arbeitende ab 18 Jahren online befragt wurden.
Gen Z ist häufiger von Unter- oder Überforderung betroffen
Wenn es um Stress am Arbeitsplatz geht, ist die Generation Z (18 bis 29 Jahre) im Vergleich zu den anderen Generationen überdurchschnittlich belastet. In den vergangenen zwölf Monaten erkrankten 18 Prozent an einem Burn-out, gegenüber 13 Prozent aller Arbeitenden. Starke Unterforderung erlebten 17 Prozent der unter 30-Jährigen, während eine Bore-out-Erfahrung 11 Prozent aller Erwerbstätigen im gleichen Zeitraum hatte. Weil die Generation Z höhere Maßstäbe an Arbeitsbedingungen stellt, fühlen sie sich an diesen gemessen eher gestresst als ältere Kolleginnen/Kollegen.
Große Auswahl kann zu einer erhöhten Belastung führen
Wirtschaftspsychologin und Resilienz-Trainerin Patrizia Thamm von der Pronova BKK ordnet die Ergebnisse ein: „Die Generation Z hat durch verschiedene Krisen wie der Corona- und Klimakrise zu spüren bekommen, dass Lebensbedingungen sich schlagartig ändern können und es keine Garantie auf eine sorgenfreie Zukunft gibt. Dies motiviert sie, im Hier und Jetzt zu leben und ihre hohen Ansprüche auch an ihre Arbeit sofort zu verwirklichen, anstatt lange zu warten. Gleichzeitig bietet ihr der Markt eine Fülle an Optionen. Diese große Auswahl kann paradoxerweise zu einer erhöhten Belastung führen, da die Entscheidung für den richtigen Job und die Suche nach einem erfüllenden Arbeitsleben zu einer Überforderung wird.“
Führungskräfte brauchen gute Antennen für ihr Team
Thamm sagt weiter: „Manchmal sind die Forderungen der Gen Z an ihren Arbeitsplatz vielleicht zu anspruchsvoll und sie werfen zu früh das Handtuch, wenn nicht immer gleich alles so läuft, wie sie es sich vorstellt. Jüngere Erwerbstätige wechseln überdurchschnittlich häufig Job und Arbeitgeber – auch das zeigt unsere Studie. Ihnen rate ich, frühzeitig das Gespräch mit ihren Arbeitgeberinnen/Arbeitgebern zu suchen, und zunächst erstmal offen zu sein für mögliche Veränderungen und neue Chancen. Führungskräfte sollten wiederum gute Antennen für ihr Team haben, um Über-, aber auch Unterforderung zu erkennen und entsprechend zu reagieren.“
Mobbing und Quiet Firing sorgen für schlechtes Arbeitsklima
In einem zunehmend stressigen Arbeitsalltag nehmen mentale Belastungen zu, die maßgeblich zu einem negativen Betriebsklima beitragen. Fast die Hälfte der Befragten (48 Prozent) haben bereits Erfahrungen mit psychischen Belastungsfaktoren wie Mobbing und Quiet Firing gemacht – letzteres bedeutet, dass Arbeitende nicht offiziell entlassen, sondern so schlecht behandelt werden, bis sie von selbst kündigen.
Betroffenen, die das Gefühl haben, „still gekündigt“ zu werden, rät Thamm, sich mit Kolleginnen/Kollegen über die Situation austauschen, um festzustellen, ob andere ähnliche Erfahrung gemacht haben. „Bei Verdacht auf stilles Ausscheiden ist es wichtig, ein offenes Gespräch mit den Vorgesetzten zu führen, um die Gründe für die nicht zufriedenstellende Zusammenarbeit zu erfahren. So erhält die oder der Mitarbeitende ein klareres Bild von der Situation, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können."
Weitere Stressfaktoren: Überstunden und ständiger Termindruck
Während jüngere Erwerbstätige zwar deutlich mehr Belastungen als ihre älteren Kolleginnen und Kollegen erleben, sind die Hauptursachen für Stress im Arbeitsalltag aber dieselben: Überstunden (34 Prozent) und ständiger Termindruck (32 Prozent). Nur ein Viertel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stresst nichts mehr als vor fünf Jahren.
Die Gründe für häufigere stressauslösenden Situationen sind die ungleiche Verteilung der Arbeitslast (35 Prozent), permanente Erreichbarkeit (27 Prozent) und zu viel Bürokratie (26 Prozent). Die moderne Arbeitswelt mit der Vielzahl an Kommunikationstools und Technikproblemen (jeweils 21 Prozent) stresst ebenfalls.
Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben verschwimmen
Thamm vergleicht mobiles Arbeiten mit einem neuen Job, für den Mitarbeitende erst neue Strukturen schaffen müssen. „Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben verschwimmen durch das Homeoffice – die Entgrenzung wird dabei zur Herausforderung. Neue Rituale zu schaffen, um die berufliche Rolle klar von den privaten Lebensbereichen abzugrenzen, gesunde Routinen schaffen, Mikropausen einlegen und die Zeit gut strukturieren – zum Beispiel in Phasen für Kommunikation und solche für konzentriertes Arbeiten – hilft die mentale Balance aufrechtzuerhalten.“