Der diesjährige Cerec-Tag wurde als fünftägig gegliedertes Abend- und Wochenend-Webinar von den Cerec Masters unter der Leitung von Dr. Andreas Kurbad, Viersen, im Oktober 2024 durchgeführt. Von den mehr als 1.000 Besuchern nahm die Mehrheit mittels Digitalendgeräten (PC, Smartphone, Tablet) an den mehrtägigen Online-Veranstaltungen teil.
Der Höhepunkt der Webinare war der Auftritt von Prof. em. Dr. Dr. Werner H. Mörmann, Zürich (Abb. 1) – der in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gemeinsam mit Elektroingenieur Dr.-Ing. Marco Brandestini, ETH Zürich, die Entwicklung des Cerec-Systems angestoßen und damit den Grundstein für den CAD/CAM-Einsatz in Zahnmedizin und Zahntechnik gelegt hatte.
Prof. em. Dr. Dr. Walter Mörmann, geboren 1941 in Göppingen, Württemberg, studierte von 1962-1967 Zahnmedizin an der Universität Heidelberg und arbeitete 1968 arbeitete als Assistent in einer Privatpraxis in Mannheim. 1969 absolvierte er seine erste Promotion an der Universität Heidelberg und arbeitete als Praxisassistent in Schaan, Fürstentum Liechtenstein. 1970 war Mörmann Assistent am Zahnärztlichen Institut der Universität Zürich, 1974 folgte die Promotion (2) und 1979 die Habilitation an der Universität Zürich.
1980-1985 entwickelte Mörmann das Cerec-System mit Elektroingenieur Dr. Marco Brandestini in Zürich. 1985 gründeten beide die Brains AG, Zürich, ein Jahr später startete die Zusammenarbeit mit Siemens/Sirona/Dentsply Sirona. 1990 wurde die Stiftung zur Förderung der Computer-Zahnmedizin und 1992 die Station für Zahnfarbene- und Computer-Restaurationen am Zentrum für Zahnmedizin (ZZM) der Universität Zürich gegründet. Im Jahr 2006 folgte Prof. Mörmanns Emeritierung.
Prof Mörmann publizierte zahlreiche Beiträge zu den Themen Präventivzahnmedizin, Parodontologie, Zahnerhaltung, Endodontie, Cerec Patente und CAD/CAM. Er wurde vielfach mit Preisen und Ehrungen ausgezeichnet, darunter dem Walter Engel-Preis oder dem Götz-Preis der Universität Zürich. (Quelle: SSO 2022)
Heute ist Restaurieren ohne Computerunterstützung nicht mehr vorstellbar. Die digitale Messaufnahme, das Scannen von Antagonisten und Registraten, das dreidimensionale Konstruieren auf dem Bildschirm, die Nutzung unzähliger Zahnformen aus der Zahndatenbank, die Gestaltung anatomischer Kauflächen, die subtraktive Bearbeitung von Hochleistungskeramiken – all das wäre ohne Computereinsatz nicht möglich. Alternativ zur Chairside-Behandlung hat Cerec durch die Weiterleitung der Scandaten das zahntechnische Labor unmittelbar in den Planungs- und Fertigungsprozess einbezogen. Klinisch wurde das Cerec-Verfahren in vielen Studien seit 1985 untersucht – und seitdem sind weltweit mehr als 30 Millionen Cerec-Restaurationen eingegliedert worden.
Die Idee der computergestützten Restauration
Die visionäre Idee der computergestützten Restauration eröffnete der Zahnheilkunde einen völlig neuen Therapieansatz und wurde zum Ausgangspunkt einer „stillen Revolution“ in der Klinik, Praxis und im ZT-Labor. Cerec ist durch die Technologie des digitalen Workflows zum Schlüssel für zahlreiche integrierte Verfahren geworden.
Zum Beispiel kann der Anwender im Zusammenspiel mit 3D-Röntgendaten Implantate virtuell planen, Enossalpfeiler über Bohrschablonen in den realen Kieferkamm passgenau übertragen und mit individualisierten Abutments und Kronen sofort versorgen. In der Kieferorthopädie ermöglicht die digitale Abformung die Bereitstellung von Alignern für die Schienentherapie oder in Kombination mit der SICAT Function-Software die Funktionsdiagnostik, etwa bei Craniomandibulärer Dysfunktion (CMD).
Eine Zeitreise mit Cerec
Basiert heute „Industrie 4.0“ auf der intelligenten Vernetzung von Produktionsabläufen mit Informations- und Kommunikationstechnik zwischen Menschen, Maschinen und Produkten, zielt sie mit der digitalen Vernetzung auf die Steigerung der Effizienz, stellvertretend für Qualität, Kosten, Flexibilität, Ressourcenschonung und Zeitaufwand. Für die Zahnmedizin liegt die Geburtsstunde der computergestützten Behandlung im Jahr 1985.
Rückblick: In den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde an der Universität Zürich die Füllungstherapie neu diskutiert und hierbei erkannt, dass die Adhäsivtechnik als Lösung für den Verbund von Restauration und Restzahn neue Möglichkeiten für die Versorgung erschloss. Auf der Suche nach einer Amalgamalternative mit heißpolymerisierten Kunststoff-Inlays für die Kavitätenversorgung erzielte Mörmann keine zufriedenstellenden Ergebnisse. Stattdessen schien ihm Keramik als ein probater Werkstoff, weil sie hinsichtlich der Struktur, Farbe, Festigkeit und Beständigkeit der Zahnhartsubtanz sehr ähnlich ist. Ziel war die Substitution der Kavitätenversorgung mit zahnfarbener, industriell gefertigter Keramik mit schmelzähnlichen Abrasionseigenschaften sowie die Behandlung des Patienten in einer Sitzung – also ohne provisorische Zwischenversorgung.
Die ersten Komponenten von Cerec
Zusammen mit Brandestini entstand 1980 eine digitale 3D-Kamera als Intraoralscanner für die lichtoptische Abformung der Präparation, ferner eine Schleifeinrichtung sowie eine Steuerungssoftware für die Konstruktion und für das Ausschleifen der Restauration aus einem zahnfarbenen Feldspatkeramikblock des Kooperationspartners Vita Zahnfabrik. Hauptmodul für die Bilderfassung war ein programmierbarer Bildsignalprozessor aus der Fairchild Videokonsole, eingefügt in die intraorale Scanner-Kamera. Für die Ausleuchtung des Bildfelds mit dem Intraoralscanner gab es damals nur Dioden mit langwelligem Infrarotlicht. Den CCD-Bildsensor gab es nur für die militärische Nutzung; Personalcomputer und Software steckten noch in den Kinderschuhen (Abb. 2); der Turbinenantrieb zum Ausschleifen der Keramik war seinerzeit nur mit Wasserstrahlkraft möglich. Trotz aller Hindernisse konnte mithilfe des Prototyps (Abb. 3), der zitronengelb lackierten Cerec 1-Einheit mit integrierter Schleifkammer, am 19. September 1985 das erste Keramikinlay hergestellt und dem Patienten eingegliedert werden – eine Welturaufführung für die kommende, digitale Zahnmedizin.
Enthielten die ersten Cerec-Typen noch eine turbinen- oder motorisch betriebene Schleifkammer zum Ausschleifen der Keramikrestauration, liefen ab dem Jahr 2000 die Schleifeinheiten getrennt von den Scannern. Damit konnten unterschiedlich dimensionierte Keramikblocks verarbeitet und austauschbare Schleifwerkzeuge für abgestufte Schleifmodi genutzt werden.
Wissenschaftliche Begleitung
Meilensteine in der Cerec-Historie setzten die klinischen Langzeitstudien von niedergelassenen Praxen, die den Inlays und Onlays aus Feldspatkeramik selbst nach 27 Jahren in situ eine hohe Überlebenswahrscheinlichkeit bescheinigten (Colares et al., 2016; Otto et al., 2017; Reiss CSA-Feldstudie, 2018, Wierichs et al., 2021). Die guten Perspektiven der Cerec-Restauration und deren Ausbau in Lehre und Forschung führte 1992 zur Gründung der „Station für Zahnfarbene Computer-Restaurationen“ an der Universitäts-Zahnklinik Zürich unter der Leitung von Mörmann im Rahmen eines Stiftungslehrstuhls. Die Ausbildung von Studierenden als Undergraduate Cerec Training begann 1997 im 4. Ausbildungsjahr mit der interdisziplinären Vorlesungsreihe „Digitale Zahnmedizin“.
Biogenerische Okklusion und digitale Artikulation
Ein Höhepunkt in der Software-Entwicklung war die „Biogenerische Okklusion und digitale Artikulation“ (Abb. 4), entwickelt von Prof. Dr. Dr. Albert Mehl, Zürich, der die Nachfolge von Mörmann am Lehrstuhl im Jahr 2010 angetreten hatte. Wurde bisher die Kauflächen-Morphologie für Cerec-Kronen manuell gestaltet, konnten nun charakteristische Kauflächen für jeden Zahntyp zur individuell angepassten Okklusion genutzt werden – basierend auf einer Datenbank mit 600 Seitenzahn-Scans, gewonnen von natürlichen Zahnflächen. Dadurch erleichterte die Software funktionell auch die statische und dynamische Okklusion.
Waren mit den früheren Cerec-Generationen nur monochromatische Scans nach reflexionsvermeidender Puderung der Zahnflächen möglich, erlaubte ab 2012 die Omnicam-Intraoralkamera puderfreie Scans. Der neue, bildgebende Video-Modus lieferte farbcodierte Scans in Echtfarben.
Konfokaler Scan und Backward-Planning
Eine deutliche Verbesserung für die Erfassung und Darstellung der Präparation lieferte das konfokale Scannen ab 2019 (Abb. 5). Der Tiefenmessbereich der Triangulation von bisher 6 mm wurde mit der Primescan auf 20 mm in der Vertikalen erweitert. Auch die Abbildungsschärfe wurde gesteigert.
Die digital geführte Navigation in der Implantologie wurde von Cerec ab 2009 datenbasiert unterstützt (Abb. 6). Das Konzept der Rückwärtsplanung verknüpfte die prothetische Gestaltung der Suprastruktur auf dem Enossalpfeiler mit der idealen Position des geplanten Zahnersatzes und der invasiven Insertion des Implantats mittels Bohrschablone. In einer weiteren Stufe wurden alle Arbeitsstufen in einer gemeinsamen Software verbunden: die Diagnostik, die 3D-Planung mit dem digital generierten Röntgenbild (DVT), das Platzieren von Scan-Bodies zur Überführung der virtuellen Implantatposition in eine Führungsschablone für die Implantatbohrer, die Fertigung der Bohrschablone im Rapid-Prototyping sowie die Konstruktion der Mesiostruktur.
Im Prinzip stützt sich die digital geführte Diagnostik auf eine umfassende Situationsanalyse. Die algorithmische Auswertung führt zu einem therapeutischen Behandlungsmodell, das erst virtuell generiert und dann real am Patienten untersucht und in die finale Entscheidung eingebracht wird. Komplexe Prozessketten wie zum Beispiel in der Implantologie können durch die Behandlungsplanung wesentlich verkürzt, das heißt, die chirurgische und prothetische Versorgung im Vergleich zur analogen Technik in weniger Sitzungen durchgeführt werden.
Manfred Kern, Wiesbaden für den Cerec Masters Club
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Vortrag von Prof. em. Dr. Dr. Werner Mörmann, Zürich, auf dem Cerec-Tag 2024 und wird von „Quintessenz News“ fortgesetzt.