Ultraschallaktivierte Spülungen, neue Aufbereitungsmotoren und Feilensysteme, Bildgebung etc.– in der Endodontie sind in den vergangenen Jahren eine Fülle nicht nur technischer Neuerungen zu verzeichnen. Dr. Jörg Schröder, Endodontologe aus Berlin, gibt im Interview mit Quintessence News Auskunft über aktuelle Trends – und Entwicklungen, die heute schon in der Praxis etabliert werden sollten.
Im vergangenen Jahr waren Sie selbst Referent beim Wissenschaftlichen Kongress des Deutschen Zahnärztetags und haben darüber gesprochen, wie sich in der Endodontie Komplikationen beherrschen und Misserfolge vermeiden lassen. In diesem Jahr stehen beim Kongress „Trends auf dem Prüfstand“. Welche Entwicklungen in der Endodontie sind aus Ihrer Sicht besonders zukunftsweisend?
Dr. Jörg Schröder: In den vergangenen Jahren lag der Schwerpunkt der endodontischen Weiterentwicklung aus meiner Sicht hauptsächlich im Bereich der technischen Neuerungen. Hier denke ich insbesondere an Nickel-Titan-Legierungen mit erheblich verbesserten physikalischen Eigenschaften und optimierte kabellose Aufbereitungsmotoren, die zum einen vollrotierende und reziproke Aufbereitung miteinander kombinieren (zum Beispiel OGP und OTR-Mode beim Tri Auto ZX2) und gleichzeitig aufgrund fehlender Kabelanbindung ein effizientes und ergonomisches Arbeiten ermöglichen.
Beim Streben nach bestmöglicher Desinfektion der zu behandelnden Kanalhohlräume haben wir mit der Aktivierung der Spüllösung mittels ErYAG-Laser eine sehr wirkungsvolle Technik hinzugewonnen, die sicherlich weitere Verbreitung finden wird.
Bei der Behandlung traumatisch geschädigter Zähne mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum erscheint mir das Cell-Homing, also das „Anlocken“ von Stammzellen aus der apikalen Papille solcher Zähne durch Wachstumsfaktorenkonzentrate (PRF oder CGF) die zuvor aus venösem Eigenblut der Patienten gewonnen worden sind, ein vielversprechender Ansatz zu sein, um das Wurzellängen- und -dickenwachstum der betroffenen Zähne wieder einsetzen zu lassen.
Dr. Jörg Schröder, Berlin (Foto: Jet-Photo, Berlin)Dr. Jörg Schröder studierte von 1982 bis 1988 Zahnmedizin an der FU Berlin. Bereits im Jahr 2000 begann er, sich intensiv in der Endodontie fortzubilden und spezialisierte sich 2005 ganz auf dieses Fachgebiet. Seit dieser Zeit ist er auch als Referent im In- und Ausland aktiv.
Seit 2003 ist er in Berlin in eigener Praxis niedergelassen, die er seit 2013 als endodontologische Privatpraxis führt. Der ausgewiesene Experte ist Mitglied nationaler und internationaler Fachgesellschaften, unter anderem als Certified Member der European Society of Endodontology, der Deutschen Gesellschaft für Endodontie und zahnärztliche Traumatologie, und des International College of Dentists (ICD, Fellow und Vice-Regent). Im Jahr 2013 erhielt er den Peter-Guldener-Praktikerpreis der Zeitschrift „Endodontie“.
Dr. Schröder ist auch Autor des 2016 erschienenen Videos „Ergonomie am Dentalmikroskop“ (Quintessenz, Berlin).
Und was ist nicht mehr Trend, sondern sollte schon Standard sein, zum Beispiel in der Längenbestimmung?
Schröder: Für spezialisiert arbeitende Praxen sollte die dreidimensionale Diagnostik mittels kleinvolumigem und hochauflösendem DVT in bestimmten Behandlungsfällen Standard sein. Hier denke ich insbesondere an Zähne mit internen oder externen Resorptionen, an Zähne mit periapikalem Fremdmaterial zum Beispiel nach bereits erfolgter Resektion und an Zähne mit Instrumentenfragmenten im unteren Wurzeldrittel, die jenseits einer Krümmung gelegen sind, um nur einige Indikationen zu nennen.
Die Längenbestimmung per Endometrie gehört aus meiner Sicht – auch für Generalisten – zum Standard einer endodontischen Behandlung, da sie gegenüber der Längenbestimmung anhand des zweidimensionalen Röntgenbildes erhebliche Vorteile hinsichtlich Wiederholbarkeit, Präzision und Strahlenbelastung aufweist. Eine Bestimmung der Arbeitslänge nach taktiler Rückmeldung, Schmerzempfinden der Patienten oder nach Abschätzen am Röntgenbild hingegen eröffnet unzählige Komplikationsmöglichkeiten und führt nur durch Zufall zum richtigen Ergebnis.
Kabellose Handstücke wie das Tri Auto ZX 2 mit integrierter Längenmessung von Morita gehören zu den technischen Neuerungen, die endodontische Behandlungen für Spezialisten, aber auch für Generalisten in der täglichen Praxis einfacher und erfolgreicher machen. Seit 2010 begleitet Morita den Deutschen Zahnärztetag als Premium Partner für die Bereiche Röntgen, Behandlungseinheiten, Endodontologie und DVT. Auch in diesem Jahr stehen die Mitarbeiter des Unternehmens am 8. und 9. November 2019 beim Wissenschaftlichen Kongress des Deutschen Zahnärztetags zum Thema „Meine Praxis – meine Zukunft. Trends auf dem Prüfstand“ den Teilnehmern für Fragen und Informationen zur Verfügung.
Welche Rolle spielt die Bildgebung heute für den Behandlungserfolg?
Schröder: Die Bildgebung ist zu einem zentralen Bestandteil einer zeitgemäßen endodontischen Behandlung geworden. Sowohl im Bereich der Diagnose als auch im Bereich der Behandlungsplanung, zum Beispiel bei Revisionsbehandlungen und in Fällen komplexer Anatomie, hilft eine optimale Darstellung der zu behandelnden Strukturen, Fehler zu vermeiden und die Behandlung vorhersagbarer zu machen. Während in der Vergangenheit die Bildgebung durch die Beschränkung auf die zweidimensionale Darstellung eher begleitenden Charakter hatte (Messaufnahme, Kontrolle der Lage der Wurzelfüllung), eröffnet die heute zur Verfügung stehende hochauflösende dreidimensionale Bildgebung neue Möglichkeiten. Dies betrifft sowohl die Entscheidung, ob ein Zahn aus technischer Sicht erfolgversprechend behandelt werden kann, als auch die Möglichkeit, im Vorfeld der endodontischen Behandlung diese bereits exakt Schritt für Schritt planen zu können.
So ist es zum Beispiel von Vorteil, die Lage einer Kommunikation zweier Wurzelkanäle im unteren Wurzeldrittel und die in bukko-lingualer Richtung durchaus deutlich voneinander abweichende Krümmung zu kennen, um zu entscheiden, von welchem Kanal aus das apikale Foramen am ungefährlichsten erreicht werden kann. Das Risiko unerwünschter Komplikationen wie Stufenbildung oder Instrumentenfraktur minimiert sich dadurch sehr.