Die Verlustraten dentaler Implantate mit unter fünf Prozent nach zehn Jahren scheinen optimal. Allerdings werden Misserfolge in der Regel nicht gezeigt. Die Folgen: Fehleinschätzung der Sicherheit einzelner Therapieprotokolle und ein Überschreiten von Indikations- und Kompetenzgrenzen mit vorprogrammierten Misserfolgen.
Der in seiner Offenheit beispielhafte Workshop von Dentsply Sirona Implants zum Thema „Shit happens – Komplikationsmanagement in der Implantologie“ war bis auf den letzten Platz ausgebucht.
Unter der Moderation von PD Dr. Dr. Markus Schlee (Forchheim) schilderten Prof. Michael Stimmelmayr (Cham), Dr. Christopher Köttgen (Mainz), Dr. Puria Parvini M.Sc. (Frankfurt) und der Moderator anhand von überwiegend eigenen klinischen Fällen und wissenschaftlichen Daten, wie mögliche Probleme erkannt, Komplikationen gehandhabt und Misserfolge vermieden werden können.
Komplikationsmanagement bei Hartgewebsaugmentation
Zwar kann, so Prof. Stimmelmayr, aufgrund der heterogenen Datenlage (Erfolgsquoten zwischen 60 und 100 Prozent) keine bestimmte Methode für eine Hartgewebsaugmentation hervorgehoben werden. Dennoch zeigen in einen stabil augmentierten Knochen gesetzte Implantate vergleichbare Erfolgsraten wie in ortsständigen Knochen gesetzte Implantate.
Allerdings können intra- oder postoperativ Komplikationen wie Wundehiszenzen, Infektionen oder Augmentatresorptionen auftreten. Bei Wunddehiszenzen führt eine, bei Bedarf auch mehrmalige, Anfrischung der Weichteile und des Knochens (nach Spülung und Gel-Applikation) oftmals zur Spontanheilung. Kortikale Knochenblöcke oder -schalen hingegen müssen perforiert, schlimmstenfalls auch entfernt werden. Wurde jedoch nach der modifizierten Schalentechnik mit ein oder zwei horizontalen Knochenschalen augmentiert, können okklusal freiliegende Knochenspäne einfach mit einer Pinzette entfernt und eine Blutung provoziert werden. Um Infektionen vorzubeugen, ist vor einer Implantation nach Augmentation eventuell eine gesunde PA-Situation nötig, eine präoperative PZR jedoch grundsätzlich ein „absolutes Muss“. Zusätzlich sollten vor einer Augmentation eine antiseptische Spülung und eine Antibiotikagabe erfolgen.
Ausführliche und ehrliche Aufklärung
In allen Fällen aber sind schon unter dem Aspekt der Adhärenz eine ausführliche und ehrliche Aufklärung des Patienten sowie eine gewissenhafte Dokumentation präoperativ absolut notwendig. Denn eine Nachbehandlung mit sekundärer Wundheilung verlangt vom Patient viel Einsicht und Geduld. Vor allem, wenn im worst case eine Komplettrevision des augmentierten Bereichs mit Drainage unumgänglich ist.
Misserfolg trotz Nachsorge
Trotz regelmäßigem Recall können systemische und lokale Faktoren das Auftreten und die Progression periimplantärer Entzündungen maßgeblich beeinflussen. Für Dr. Christopher Köttgen ist daher auch der Recall ein ganz entscheidender Faktor für den implantatprothetischen Langzeiterfolg: „Recall ist keine Kosmetik, sondern eine Therapie!“ Drei Aspekte für eine erfolgreiche unterstützende Parodontitistherapie (UPT) hob der Referent heraus:
- Patientenbezogene Risikofaktoren genau analysieren und ein entsprechend personalisiertes Recallprogramm auflegen.
- Dem Patienten personalisierte Instruktionen für die häusliche Mundhygiene an die Hand geben.
- die Kompetenz des betreuenden Teams durch permanente Weiterbildung fördern.
Seine Empfehlung für Recallintervalle bei Implantatträgern: drei Monate bei multiplen Risikofaktoren und schlechter Mundhygiene, vier Monate nach einer PA-Therapie und guter Mundhygiene sowie sechs Monate für Patienten ohne Risikofaktoren und mit sehr guter Mundhygiene.
Grundsätzlich gab er auch zu bedenken, welche Folgen ein Abschrauben der Prothetik alle drei oder vier Monate haben kann und ob eine stabil sitzende, aber dennoch herausnehmbare Arbeit (Steg, Teleskope) daher aus mechanischen (Abnutzung Gewinde), hygienischen (effektivere häusliche Pflege) sowie ökonomischen (Zeit und Kosten durch Schraubenwechsel) Aspekten nicht vorteilhafter wäre.
Chirurgisches Komplikationsmanagement
Intraoperative Blutungen, Nachblutungen, Rupturen der Schneiderschen Membran oder anatomische Besonderheiten wie Septen oder Mucocelen können – gerade bei implantatchirurgischen Eingriffen – zu unvorhergesehenen Komplikationen führen, wie Dr. Puria Parvini anhand klinischer Bilder eindrucksvoll zeigte. Sechs Aspekte gilt es zu beachten, um derartige Komplikationen zu vermeiden:
- Sorgfältige Anamnese,
- gute Anatomiekenntnisse,
- genaue klinische und radiologische Befunde und Diagnostik,
- Vertiefen der eigenen operativen Fähigkeiten und chirurgischen Kompetenz,
- Verwendung eines entsprechend geeigneten Instrumentariums und
- ein gutes Team.
Dr. Parvini zeigte anhand von Fällen, wie Fehler in der chirurgischen und implantologischen Tätigkeit verhindert und nicht verhinderbare Komplikationen beherrscht werden können.
Misserfolgsmanagement in der Weichgewebschirurgie
Zwei zentrale Fragen stellte abschließend PD Dr. Markus Schlee in den Raum: Lässt sich periimplantäre Mukosa langzeitstabil verdicken und kommt es dadurch zu weniger Knochenresorption? Denn bei einem dünnen Morphotyp wird der Implantologe mit mehreren Risiken konfrontiert. So können destruktive Reaktionen auf externe Stimuli wie Entzündung oder Trauma, häufigere Rezessionen und niedrigere Papillenhöhen auftreten. Für eine Weichgewebeverdickung bieten sich verschiedene Techniken an: eine Bindegewebstransplantation, das Einbringen einer Kollagenmatrix oder das Aufzelten.
Die Studien unter Mitwirkung des Referenten zur Weichgewebeverdickung hätten zwar eine nur niedrige Evidenz und beruhten eher auf Konsens der Community als auf Daten. Ihre Ergebnisse jedoch ließen aufhorchen. Denn eine adäquate Breite und Dicke keratinisierter Mukosa (drei bis vier Millimeter) wirkte sich positiv aus im Hinblick auf eine ausgeprägtere Papille, weniger Rezession, weniger Knochenverlust und verbesserte Ästhetik. „Verdickungen könnten“, wie Schlee betont, „deshalb nötig sein“. Die Fixation und die Immobilität der Mukosa scheinen sich dabei als die entscheidenden Punkt heraus zu kristallisieren.
Ausgiebige und lebhaft geführte Diskussionen zeugten von der inhaltlichen Brisanz der Referate. Ein Workshop, der seinem Anspruch – das Erkennen potenzieller Probleme und Risiken sowie das Aufzeigen von Lösungswegen – mehr als nur gerecht wurde und den Teilnehmern viele wertvolle Hinweise gab.