Gips ist ein Mineral, dass aufgrund seiner bemerkenswerten Eigenschaften in der Baustoff- und Lebensmittelindustrie, in Medizin wie Kunst vielfach genutzt wird. Nicht ohne Grund sind Gips- und Anhydritstein Gestein des Jahres 2022 (mehr dazu auf Quintessence News). In der Zahnmedizin und Zahntechnik ist Gips oft die Grundlage für die Planung und Therapie.
Gips nicht!
Etwa die Hälfte (ca. 5 Millionen Tonnen) der in der Industrie benötigten Gipsmenge wurden 2019 durch die Verwendung von Rauchgasentschwefelungsanlagengips (REA-Gips) gedeckt. Durch die Abkehr von fossilen Brennstoffen werden die verfügbaren Mengen an REA-Gips in Zukunft deutlich sinken. Dies muss durch den verstärkten Abbau von Naturgips kompensiert werden, sofern keine Alternativen gefunden werden.
Naturgips schonen
Entlang des Südharzer Zechsteingürtels erstecken sich qualitativ hochwertige Sulfatlagerstätten, deren Abbau ein wichtigen Wirtschaftszweig in der Region ist. Doch der Abbau von Gips- und Anhydritstein ist vor allem aus Landschafts- und Naturschutzgründen umstritten. Um die Naturgipsreserven und die einzigartige Karstlandschaft im Südharz zu schonen, haben sich die Hochschule Nordhausen (HSN), das gipsproduzierende Unternehmen Casea GmbH mit Sitz in Ellrich, die Bauhaus-Universität Weimar (BUW) sowie der Verein für Regionalentwicklung e.V. zu einem Bündnis zusammengeschlossen. Da die BUW bereits über langjährige Erfahrung in der Baustoffforschung verfügt, wurde die Forschungskompetenz durch die Integration dieses nicht in der Region ansässigen Partners gestärkt. Hinzu kommen zahlreiche weitere regionale und überregionale Bündnispartner sowie assoziierte Partner und Akteure aus Gesellschaft und Politik.
Bündnisziele
Das WIR!-Bündnis „Gipsrecycling als Chance für den Südharz“ hat sich zum Ziel gesetzt, ein Gesamtkonzept für das Recycling von gipshaltigen Stoffströmen zu erarbeiten. Hier stehen die Sammlung und Rückführung von gipshaltigen Abfallströmen (unter anderem Abbruchmaterial und Formgipse der Dentaltechnik und der keramischen Industrie), die individuelle Aufbereitung dieser kalziumsulfathaltigen Stoffströme sowie die Generierung von Produkten auf Recyclinggipsbasis im Mittelpunkt. Durch die Steigerung der Rückführungsquoten von Gipsabfällen sollen langfristig die Recyclingquoten und somit auch die verfügbaren Recyclinggipsmengen erhöht werden.
Theoretisch unendlich recycelbar
„Aufgrund des Wegfalls des REA-Gipses aus der Kohleverstromung entsteht eine Gipslücke, die geschlossen werden muss. Dazu gibt es verschiedene Wege beziehungsweise Ansätze“, erklärt Prof. Ariane Ruff von der Hochschule Nordhausen. Sie ist überzeugt, dass im Recycling von Gipsabfällen eine große wirtschaftliche Chance für die Region besteht. Immerhin ließe sich Gips theoretisch unendlich oft und ohne Qualitätsverlust im Wertschöpfungskreislauf führen. Doch nicht alle Gipsabfälle sind uneingeschränkt recycelbar. Störstoffe und Zusatzstoffe können die Recyclinggipsqualität negativ beeinflussen und eine hochwertige Verwertung erschweren. Im Jahr 2019 wurden ca. 45.000 Tonnen [2] Recyclinggipse aus Bauabfällen auf Gipsbasis (insbesondere Gipskartonplatten) erzeugt. Die Kapazität vorhandener Gipsrecyclinganlagen ist damit jedoch noch lange nicht ausgeschöpft. Umso wichtiger ist es, bisher ungenutzte, störstoffarme und qualitativ hochwertige Gipsabfallströme zu mobilisieren – zum Beispiel Modellgipse aus Dentaltechnik und Orthopädie.
„RC-Gipse bieten die Chance, den Wegfall des REA-Gipses teilweise zu kompensieren. Um die RC-Gipsmengen langfristig zu steigern, entwickelt das Bündnis daher ein Gesamtkonzept für den Südharz – von der Rückführung von Gipsabfällen über deren Aufbereitung und Verwertung bis hin zur direkten Wiederverwendung von Gipsbauprodukten“, erklärt Ruff. Auf diesem Innovationsfeld könnten sich weitere Geschäftsfelder auftun und der Region ein neues Profil geben. Damit hätte die strukturschwache ländliche Region des Südharzes auch künftig als Lieferant von Gips und Gipsprodukten eine deutschlandweite Bedeutung und könnte Arbeitsplätze erhalten beziehungsweise neue schaffen.
Um diese Vision umzusetzen förderte das Bundesforschungsministerium für Bildung und Forschung das WIR!-Bündnis „Gipsrecycling als Chance für den Südharz“ zunächst in einer Konzeptphase. Nach positiver Beurteilung des entwickelten Konzeptes im Jahr 2019 haben die Partner bis Ende 2023 die Chance, ihr Konzept im Rahmen der ersten Umsetzungsphase in die Praxis zu überführen. Mehr Informationen zum Projekt, den Bündnispartnern sowie den Verbundvorhaben finden Sie unter: https://gips-im-suedharz.de/.
[1] https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/naturschutz/naturschutz_gipsgutachten.pdf
[2] https://www.rewimet.de/images/downloads/symposium2021_joerg-demmich.pdf