Auch wenn vielfach immer noch einzelne Produkte die Neuheitenpräsentationen vieler Unternehmen bestimmen, geht der Trend doch klar zu integrierten Lösungen und Abläufen für die Zahnarztpraxis und das Dentallabor. Und das ist nicht nur der Digitalisierung geschuldet, die aufgrund der komplexen Datenverarbeitung abgestimmte Produkte und validierte Workflows befördert, um bestmögliche Ergebnisse zu erhalten. Vor allem die großen Anbieter und die auf digitale Anwendungen oder Spezialbereiche fokussierten Unternehmen präsentierten auf der Internationalen Dental-Schau (IDS) in Köln nicht mehr einzelne Produkte, sondern komplette Lösungswege und Systeme.
Diese Beobachtung machte auch Rudolf Weiper, seit Jahrzehnten auf den Dentalmarkt spezialisierter Unternehmensberater. In seinem Statement für Quintessence News hob er zudem den deutlich fachlich orientierten Charakter der diesjährigen IDS hervor. Weniger Show, mehr fachlicher Austausch und qualifizierte Informationsangebote hätten diese IDS ausgezeichnet, so seine Einschätzung.
Wie sich die Unternehmen auf der IDS 2019 präsentiert haben, dazu hat Rudolf Weiper, Unternehmensberater aus Basel, im Video eine aktuelle Einschätzung gegeben. (Video: Quintessence News/QTV)
Die Veranstalter – der Verband der Deutschen Dental-Industrie (VDDI) mit seiner Wirtschaftsgesellschaft GFDI und die Koelnmesse – heben in ihrer fachlichen Messebilanz ebenfalls die Integration neuer technischer Entwicklungen hervor (mehr zu den Zahlen rund um die IDS im gesonderten Beitrag). Die Akteure in der Dentalbranche hätten in den vergangenen Jahren zahlreiche technologische Impulse aufgenommen. Man denke zum Beispiel an CAD/CAM, an digitale Bildgebungsverfahren, an den 3D-Druck oder an innovative Werkstoffe. Die IDS habe nun gezeigt, wie sich diese Trends aktuell in neuen Verfahren und Produkten konkretisieren.
Verbindung von digital und analog
Die aktuellen technologischen Entwicklungen bringen Chancen für die Praxis wie für das Labor und lassen in weiten Bereichen neue Formen der Zusammenarbeit von Zahnarzt und Zahntechniker entstehen. Auch für ihre Teams ergeben sich attraktive Möglichkeiten zur stärkeren Entfaltung. Die engagierte Assistenz kann sich zum Beispiel bei der professionellen Zahnreinigung mit innovativen Verfahren fortentwickeln und teilweise einen größeren eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich gewinnen. Der Zahntechniker ist sowohl klassischer Handwerker, traditioneller Edelmetalltechniker oder Keramiker etc. und übernimmt gleichzeitig weitreichende zusätzliche Aufgaben im Bereich zukunftsträchtiger Technologien (zum Beispiel EDV-Manager, CAD/CAM-Spezialist, Experte für den 3D-Druck).
Neue Konzepte bei Füllungsmaterialien
Trotz aller digitalen Technologien gibt es allerdings Bereiche mit klassischen und dabei sehr erfolgreichen Arbeitsweisen. Dazu zählt die zahnärztliche Füllungstherapie. Werkstoffinnovationen machen sie zurzeit noch sicherer und komfortabler. So lassen sich mit gemischten Nanokomposit-Harzen, die zum Beispiel Zirkonoxid neben Siliziumdioxid oder gegebenenfalls Hydroxyapatit enthalten, sowohl kleinste Hohlräume füllen als auch der Wiederaufbau von Zahnschmelz unterstützen.
Neuartige Werkstoffe vereinen jetzt die Einfachheit eines Glasionomers mit der Haltbarkeit klassischer Komposite – und das bei guter Ästhetik. So kann eine Kavität ohne Adhäsiv und retentive Präparation in nur einer Schicht versorgt werden. Andere Komposite versprechen, dank ihrer Thixotropie Kavitäten aller Klassen, mit spürbarer Zeitersparnis füllen zu können. Wieder andere Werkstoffe schaffen den Switch durch Temperaturmodulation: Extraorale Erwärmung macht es zunächst fließfähig, ermöglicht ein optimales Anfließen und eine luftblasenfreie Applikation, auch in schwer sichtbaren Bereichen, und später wird eine modellierbare Konsistenz erreicht. Mit einem speziellen System lassen sich darüber hinaus Befestigung und Stumpfaufbau zu einem einzigen Schritt zusammenführen, denn man braucht dafür – statt zwei – nur noch ein einziges Komposit. Und für eine Top-Ästhetik versprechen innovative Varianten, Farben nicht durch zugesetzte Pigmente, sondern durch gezielt erzeugte strukturelle „Farben aus Licht“ zu erzeugen.
Zur Aushärtung stehen jetzt „mitdenkende“ und kommunikative Polymerisationslampen zur Verfügung. Zum Beispiel erkennt ein automatischer Belichtungsassistent, wenn die Lampe im Patientenmund bewegt wird. Durch Vibration weist sie auf solche Fehler hin und verlängert automatisch die Belichtungszeit. Verändert sich die Position zu stark, schaltet sich das Gerät sogar selbstständig ab und der Vorgang lässt sich anschließend korrekt wiederholen. Angeboten wurden auch komplette Sets aus Kompositen und Lampen für den Seitenzahnbereich.
Neue Zahnpasten, verbesserte Bürsten
Damit orale Erkrankungen erst gar nicht entstehen, wartete auf der IDS 2019 die Prophylaxe mit diversen Innovationen auf. Dazu gehört für das häusliche Badezimmer eine Zahnpasta, die geschwächten Zahnschmelz mit Fluorid und Calcium remineralisiert und vor zukünftigen Säureangriffen schützt; die Formulierung mit einem speziellen Copolymer sorgt dafür, dass die remineralisierenden Komponenten tief in den Zahnschmelz eingeschlossen werden. Eine weitere neue Zahnpasta setzt auf die Kombination der Aminosäure Arginin mit einem dualen Zinksystem – eine neue Formel zum Schutz vor Plaque und Gingivitis ebenso wie vor Karies, Dentinhypersensibilität und Halitosis. Und eine innovative Zahnbürste verspricht eine so gründliche Reinigung, dass die Ergebnisse an eine professionelle Zahnreinigung heranreichten.
Intraoralscanner weiterhin im Aufwind
Bei den Intraoralscannern (iOS) brachte die IDS einen neuen Schub an Genauigkeit und Schnelligkeit auf der einen und günstigeren Preisen auf der anderen Seite. Nicht nur für die Prothetik, auch für die Kieferorthopädie mit Alignern und für weitere klinische Anwendungen wie die Kariesdetektion und Dokumentation von Weichgewebsveränderungen lassen sich moderne Geräte heute einsetzen. Die dentalen Oberflächen werden von Scannern der neuesten Generation unmittelbar in der benötigten Auflösung erfasst. Dabei brauchen die Scanner sehr wenig Zeit, bieten eine hohe Schärfe auch in der Tiefe und sorgen somit für eine deutlich erhöhte Detailgenauigkeit des 3D-Modells. (Eine aktuelle In-vitro-Studie zur Genauigkeit von iOS ist hier verfügbar).
Der Intraoralscan liefert eine entscheidende Voraussetzung für nachgeschaltete Schritte des digitalen Workflows. Viele Anbieter offerieren Zahnarztpraxen und Dentallaboren daher verschiedene Ausgabedateiformate für die Scandaten und/oder sichere Portale zum Datenaustausch. Im Messebericht der Veranstalter wird zudem auf die neue Kegelstrahl-Computertomographie hingewiesen, die in Zukunft mehr Bedeutung für den Dentalbereich bekommen könnte.
Komplexe Vernetzung via Software erleichtern
Alle Daten aus bildgebenden Verfahren bilden den Input für Softwares zur Behandlungsplanung, wobei die Implantologie seit Jahren als Paradebeispiel gilt. Die Dokumentation von Implantationen und Sterilisationsprozessen wird nun noch einfacher – dank spezialisierter Software. Behandlungen können einfach per PC oder Mobile Device geplant und an das jeweilige Gerät übertragen werden.
Aber auch für wiederkehrende Prozesse und die Geräte in der Praxis lassen sich dank digitaler Schnittstellen und moderner Software Arbeitserleichterungen erzielen. Automatisierte Dokumentationsprozesse bringen mehr Sicherheit in die Praxis. Die unterstützen beim Gerätemanagement und geben Auskunft über Services. So lassen sich Ressourcen vorausschauend und effizient einsetzen.
Neuheiten für die Implantologie
Neue Entwicklungen gab es auch bei den Implantatdesigns: Ein vollkonisches Implantat vereint ein progressives funktionales Design mit dem Hochleistungsmaterial Roxolid und der klinisch erprobten SLActive-Oberfläche – und es begünstigt das Knochenmanagement, indem es Sofortversorgungsprotokolle unabhängig von der Knochenklasse unterstützt.
Ein anderes, neues Implantatsystem lässt nach der Insertion die Entscheidung über die prothetische Anschlussgeometrie offen: „conical“ und „platform“ – auf nur einem Implantat ist beides möglich. Ein Tiefenstopp-System sorgt darüber hinaus für eine individuelle und sichere chirurgische Aufbereitung.
Für eine noch bessere Ästhetik könnten in Zukunft besondere Heilungsabutments aus PEEK (Polyetheretherketon) sorgen. Ohne die „biologische Abdichtung” durch die Abformung zu unterbrechen kann ein Intraoralscan erfolgen – das Gewebeniveau bleibt erhalten! Auch als Werkstoff für die Implantate selbst dürfte PEEK eine größere Bedeutung bekommen.
Labor als Manager des dentalen Workflows
„Die eigentlichen Fertigungsschritte für prothetische Versorgungen erfolgen hauptsächlich im Labor. Das betrifft die klassische Zahntechnik ebenso wie CAD/CAM und 3D-Druck. Die Chancen für das Labor liegen daher in einem flexiblen Management unterschiedlicher Workflows. Eine moderne Bearbeitungsstation integriert dazu jetzt auch ein vollautomatisches (praktisch autonomes) Lagerverwaltungssystem sowie eine Reinigungseinheit für den Nass- und Trockenbetrieb. Der Aufwand und die Komplexität in der Material- und Werkzeugverwaltung werden dramatisch reduziert, was mit massivem Zeitgewinn einhergeht“, so der Abschlussbericht.
Neue Materialien für CAD/CAM
Daneben gibt es zahlreiche Verbesserungen im Detail, insbesondere für das Erzielen der „Wunsch-Ästhetik“. Polychromatische Hybridkeramik-Blöcke mit einer 6 Millimeter dickeren basalen Schicht im Halsbereich bieten beispielsweise noch mehr individuelle Spielräume beim Positionieren der Krone im virtuellen CAD/CAM-Rohling. Farbsättigung und Transluzenz können innerhalb der verfügbaren 18 Millimeter Gesamthöhe noch patientengerechter am PC reproduziert werden – ein Vorteil vor allem für lange Frontzahn- und Abutmentkronen. Neue Zirkoniumdioxidmaterialien versprechen eine verbesserte Ästhetik.
3-D-Druck auf dem Weg zur Basistechnologie
Neue Geräte, Materialien und Software präsentierten die Aussteller auch für den digitalen Workflow im Bereich des 3-D-Drucks: Hier wurden auf der IDS 2019 neue Maßstäbe für Geschwindigkeit und einfaches Handling gesetzt. Die zugehörige Software ist weitgehend individualisierbar – für eine sichere und vor allem validierbare Erstellung von verschiedensten Medizinprodukten. Fast alle namhaften Prothetikanbieter und viele neue Unternehmen haben die schnellen Drucker vor allem für die Zahntechnik im Angebot, die Preise kommen bereits ins Rutschen. Bei den Materialien für dauerhafte Versorgungen – Kronen, Brücken, Teil- und Totalprothetik – , die den Ansprüchen des deutschen und europäischen Markts genügen, ist das Angebot allerdings noch sehr klein und in der klinischen Bewährung noch am Anfang, so die Einschätzung von Experten.
Megatrend Aligner-KfO
Die kieferorthopädische Behandlung mit Alignern erlebte auch in Köln einen weiteren Aufschwung – technische Entwicklungen wie bessere Intraoralscanner und 3-D-Drucker, aber auch bei Software und Materialien befördern diese Therapieform. Dank Cloud-basierter Software lassen sich Aligner-Schienen jetzt komplett im digitalen Workflow herstellen. Die Verknüpfung von Röntgendaten, 3-D-Modell und Patientenbild ermöglicht vorhersagbare klinische Ergebnisse. Die Plattform verarbeitet als offenes System STL-Dateien aller gängigen Intraoralscanner und bietet dem behandelnden Zahnarzt für die Erstellung der Verschreibung neben der externen Herstellung auch die Option zur Fertigung direkt in der Praxis.
Mit den zahlreichen Innovationen „hat die Internationale Dental-Schau 2019 die heute erkennbaren Entwicklungen in der Zahnheilkunde in ihrer gesamten Breite dargestellt, anschaulich und greifbar gemacht. Sie hat auch bereits Schlaglichter auf zukünftige Fortschritte geworfen – beides eine wesentliche Entscheidungshilfe für die Investitionsentscheidungen von Zahnärzten und Zahntechnikern“, so die Bilanz der Veranstalter. IDS Cologne/MM