Das kommende Jahr wird für die Beitragszahler in die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) teuer: Der Beitragssatz für die GKV beträgt 2025 14,6 Prozent, der paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen wird. Dazu kommt der allein vom Arbeitnehmer/Versicherten zu tragende Zusatzbeitrag, der laut Schätzerkreis im Durchschnitt um 0,8 Prozent steigen soll, aber von den Krankenkassen selbst festgelegt wird.
Wegen der zwangsweise abgeschmolzenen Kassenrücklagen bei gleichzeitig deutlich steigenden Ausgaben hatten 34 Krankenkassen schon 2024 ihren Zusatzbeitrag angehoben. Und einige Kassen haben bereits weitere Steigerungen für 2025 angekündigt – die Knappschaft wird ihren Zusatzbeitrag von 2,7 Prozent auf 4,4 Prozent erhöhen, so das Portal Krankenkassen.de. Damit erreicht sie den bundesweiten Rekordbeitragssatz von 19 Prozent, der selbst den Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung von 18,6 Prozent übersteigt. Und auch viele private Krankenversicherungen haben ihre Prämien nach oben anpassen müssen.
Kassen unter „drastischem Erhöhungsdruck“
Für 2025 rechnen die gesetzlichen Krankenkassen mit teils deutlichen Beitragssatzsprüngen. „Zum Jahreswechsel wird es für Beitragszahler und Arbeitgeber richtig happig“, sagte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, dem AOK-Dienst G+G. Die vom Bundesgesundheitsministerium festgelegte Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags um 0,8 Prozentpunkte werde „nicht überall ausreichen“. Auch der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GSV-SV) warnte, die Kassen stünden im kommenden Jahr unter einem „drastischen Erhöhungsdruck“.
Sanierung der Kassenfinanzen „ins Sofortprogramm einer neuen Regierung“
Reimann sieht die Verantwortung bei der Politik. Diese habe „die Kassenrücklagen abgeschmolzen und immer mehr Instrumente zur Ausgabensteuerung abgeschafft“. Gleichzeitig weise die Entwicklung bei den Ausgaben steil nach oben. Die Finanzaussichten der Kassen schätzt die AOK-Vorständin für 2025 daher als „trübe“ ein. Das habe bereits das Defizit von 3,7 Milliarden Euro im dritten Quartal 2024 deutlich gemacht. Die Sanierung der Kassenfinanzen gehöre „ins Sofortprogramm einer neuen Regierung“. Der Bund müsse endlich Finanzverantwortung zeigen und alle versicherungsfremden Leistungen vollständig aus Steuermitteln finanzieren.
Auch gegenüber der Augsburger Allgemeinen äußerten sich Reimann und die scheidende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands. Dr. Doris Pfeiffer. Mit der anstehenden Beitragssatzerhöhung würden Versicherte und Arbeitgeber „zunehmend an ihre Grenzen gebracht“, kritisierte GKV-SV-Vorstandschefin Doris Pfeiffer. Es sei „unerklärlich“, dass „die Gesundheitspolitik der sich immer schneller drehenden Beitragsspirale tatenlos zuschaut“. Die meisten Krankenkassen hätten keine Reserven mehr, „um Beitragssteigerungen im nächsten Jahr zu vermeiden oder auch nur abzumildern“.
Bund muss versicherungsfremde Leistungen endlich vollständig übernehmen
„Der Bund muss endlich Finanzverantwortung zeigen und alle versicherungsfremden Leistungen, die heute noch der GKV aufgehalst werden, endlich vollständig übernehmen“, unterstrich Reimann ihr Forderungen auch gegenüber der Augsbuger Allgemeinen. „Das hätte dauerhafte Entlastungseffekte für die Beitragszahlenden und würde auch den Unternehmen zugutekommen.“ Die kommende Bundesregierung müsse zudem echte Strukturreformen im Gesundheitswesen angehen. „Ambulantisierung und Patientensteuerung sind hier die Zauberworte“, sagte Reimann.
TK-Chef Baas bezeichnet Demographie-Faktor als „Killer-Argument“
Der Vorstandsvorsitzende der größten deutschen gesetzlichen Krankenkasse Techniker (TK), Dr. Jens Baas, rollte das Thema in einem Post auf LinkedIn auf. Das von der Politik immer wieder angeführte Argument des steigenden Alters als Ursache für die steigenden Kosten bezeichnete er als falsch. „Natürlich liegt die demographische Entwicklung auch außerhalb der Beeinflussbarkeit der Politik (zumindest kurzfristig). Nach dieser Logik ist die Politik aus der Verantwortung raus, Kostensteigerung ist unvermeidlich und eigentlich sogar etwas positives. Kurz: ein Killerargument – nur leider ist es falsch! Natürlich steigert die demographische Entwicklung die Kosten im Gesundheitssystem. Diese Entwicklung ist allerdings langsam und hat an den jährlichen, mittlerweile dramatischen Kostensteigerungen den geringsten Anteil. Viel mehr macht die allgemeine Kostensteigerung aus und, und das wird gerne unter den Tisch gekehrt, politische Entscheidungen und neue Gesetze“, so Baas in seinem viel beachteten und durchaus auch kontrovers diskutierten Post.
Neue Gesetze kosteten 2024 schon 12,8 Milliarden Euro
Weiter schreibt er: „Wir haben uns einmal die Mühe gemacht, die Gesetze der letzten Jahre in ihren Finanzwirkungen aufzuaddieren. Und das führt zu erschreckenden Zahlen: Für alle GKV-Gesetze, die seit 2016 verabschiedet wurden, zahlten die Versicherten alleine im Jahr 2024 12,8 Milliarden Euro. Wohlgemerkt, nicht seit 2016, allein im Jahr 2024. Im Jahr 2023 lagen diese Kosten noch bei 11 Milliarden Euro. Aufaddiert nähren sich die Kosten dieser Gesetze seit ihrem in Kraft treten also unaufhaltsam der 100-Milliarden-Euro-Schwelle.“
Versorgung damit nicht deutlich verbessert
Für die Versicherten sei mit dieser „ungeheuren Summe“ die Versorgung nicht viel besser geworden: „Die Gesetze sind eine bunte Mischung aus durchaus Sinnvollem, aus politischem Populismus, der Bedienung von Partikularinteressen oder nicht zu Ende gedachten Ansätzen.“ Das müsse endlich aufhören, so Baas. „Die Krankenkassenbeiträge nähern sich der 20-Prozent-Schwelle, viele privat Versicherte haben dreistellige Beitragssatzerhöhungen erhalten, das kann nicht unendlich so weiter gehen.“
Jedes neue Gesetz müsse kritisch überprüft werden, ob die Kosten auch wirklich durch eine verbesserte Versorgung gerechtfertigt sind. „Oder wie wäre es einmal mit Gesetzen, die die Kosten senken? Und gleichzeitig die Versorgung verbessern? Gesetze also, die Doppel- und unnötige Untersuchungen und Behandlungen vermeiden, Gesetze, die Bürokratie abbauen, Gesetze, die das Potential der Digitalisierung heben oder Gesetze, die Krankheit durch gezielte Prävention vermeiden?“
Bezahlbare, gute Versorgung wesentlicher Pfeiler einer stabilen Demokratie
„Eine bezahlbare, gute Gesundheitsversorgung ist einer der wesentlichen Pfeiler einer stabilen Demokratie, die Politik sollte das nicht vergessen!“, so ein Appell.
Der frühere bayerische Gesundheitsminister und jetzige CSU-Fraktionschef im Bayerischen Landtag, Klaus Holetscheck, unterstützte die Forderungen auf X: „Der Bund muss endlich die versicherungsfremden Leistungen erstatten und darf nicht länger tatenlos zuschauen“. Steigende Krankenkassenbeiträge seien „Gift für das Vertrauen in Politik und Sozialstaat“.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wiederholte angesichts der Beitragssteigerungen und der Kassendefizite erneut, dass seit Jahrzehnten wichtige Reformen nicht angegangen worden seien und die jetzt verabschiedeten Gesetze zu mehr Effizienz und weniger Kosten führen würden.