Das war eine „interessante“ Vorstellung, die Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl W. Lauterbach mit seinem per Videobotschaft übermittelten Grußwort an die Zahnärzteschaft gab. Anlass war die letzte Vertreterversammlung der auslaufenden sechsjährigen Amtsperiode des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV).
In einem fahrig vorgetragenen Text lobte Lauterbach den Einsatz der Zahnärzte während der Pandemie und ihre Bereitschaft, auch in der Impfkampagne aktiv zu werden. Das, was er dann zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ausführte, löste bei den Delegierten und Gästen in München eher befremdliches Kopfschütteln aus – soweit man es denn verstehen konnte. Denn sein Vortrag war nicht frei von inhaltlichen Fehlern, was die Folgen des Gesetzes für die zahnärztliche Versorgung und für die Patientinnen und Patienten anging.
Für den Bayerischen Gesundheitsstaatsminister Klaus Holetschek war das eine Steilvorlage für eine Replik an den Minister, dem er in vielen Bereichen Untätigkeit und Fehlentscheidungen vorwarf – nicht zuletzt beim Thema investorengeführte Medizinische Versorgungszentren, bei dem er die einstimmigen Beschlüsse und Aufforderungen der Gesundheitsministerkonferenz der Länder weiter ignoriert. Je länger dieses Thema aufgeschoben werde, desto schwerer werde es, angesichts von Bestandsschutz und etablierten Strukturen gegen diese kritischen Aktivitäten vorzugehen. Daher bereiteten die Länder nun eine Bundesratsinitiative vor, um den Minister endlich zum Handeln zu zwingen, kündigte Holetschek unter Beifall an.
Der KZBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Eßer hatte seine Rede ganz auf die politische Bilanz seiner Amtszeit abgestellt und vor allem die aktuelle Gesundheitspolitik der Bundesregierung im Fokus. Er stimmte die Zahnärzteschaft vor dem Hintergrund des strukturellen Finanzdefizits in der GKV und der daraus resultierenden Gesetzgebung auf schwere Zeiten ein.
„Toxischer Politcocktail“
Harsch verurteilte er das kürzlich durch die Ampel verabschiedete GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) und bezeichnete es im Hinblick auf die zahnärztliche Versorgung als „einen absolut unverdaulichen, toxischen Politcocktail“. Eßer prognostizierte, dass „die fatalen Folgen dieses Spargesetzes unseren Patientinnen und Patienten und der zahnärztlichen Versorgung über Jahre schaden werden: Im Zielkonflikt zwischen Versorgung und Finanzstabilisierung der GKV hat die Politik sich im Wissen um diese Folgen auf die Seite der Kostendämpfung geschlagen und damit gegen die Versicherten und deren Versorgungsansprüche gestellt“.
„Es fehlen einige hundert Millionen Euro"
Vor dem Hintergrund galoppierender Inflation und exorbitant steigenden Preisen für Energie- und Materialkosten würden die zusätzlichen Beschränkungen des Honorarzuwachses in Kombination mit der wieder eingeführten strikten Budgetierung die flächendeckende Sicherstellung der Versorgung gefährden. Dies gelte vor allem für die gerade erst neu eingeführte Parodontitistherapie, die noch im Rollout befindlich vom Gesundheitsminister blockiert werde. „Es fehlen nachweislich in den beiden nächsten Jahren einige hundert Millionen Euro in diesem präventionsorientierten Versorgungsbereich, die den Versicherten erst vor nicht mehr als einem Jahr versprochen wurden.“
Vor allem strukturarme Regionen von den Folgen betroffen
Dem Minister warf Eßer zudem Untätigkeit vor, weil er sich nicht entschlossen gegen die zunehmende Vergewerblichung der zahnmedizinischen Versorgung stellen, sondern mit seiner Politik Investoren und Private Equity Gesellschaften quasi den roten Teppich ausrollen würde.
Von diesen politischen Fehlern besonders hart getroffen werden ländliche und strukturarme Regionen in Deutschland, „weil sie wie ein Katalysator, wie ein Brandbeschleuniger bei der Vernichtung von Versorgungsressourcen wirken und den Fachkräftemangel zusätzlich befördern.“
Alles dafür tun, die Patienten nicht im Stich zu lassen
Eßer rief die gesamte Zahnärzteschaft dazu auf, unmissverständlich ihren Protest gegen eine fehlgeleitete Politik deutlich zu machen. „Wir werden trotz alledem alles dafür tun, um die Parodontitis-Versorgung über die Zeit zu retten und Patientinnen und Patienten, die auf diese Behandlung dringend angewiesen sind, nicht im Stich zu lassen. Aber dort, wo das Geld fehlt, können wir nicht gewährleisten, dass die Versorgung vollumfänglich sichergestellt wird.“
„Für begrenztes Geld kann es auch nur begrenzte Leistungen geben. Dafür tragen Sie, Herr Minister, dafür trägt die gesamte Ampel die volle Verantwortung!“, sagte Eßer unter Beifall der Delegierten und Gäste der VV.
Neue Leistungen für die Praxen
Dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Martin Hendges oblag es dann in seinem Bericht, die Erfolge der versorgungspolitischen Arbeit des Vorstands in den vergangenen Jahren in Erinnerung zu rufen – von den neuen Positionen für die aufsuchende Betreuung von Pflegebedürftigen und Patienten mit Handicap über die neuen Leistungen für Kleinkinder im Kampf gegen die Early Childhood Caries bis zu Unterkieferprotrusionsschienen und eben der PAR-Richtlinie. Hendges stellte dabei auch dar, wie viel mehr Honorarvolumen den Praxen durch diese Leistungen zur Verfügung steht – und wie das ankommt. Die Inanspruchnahme dieser Leistungen sei durchweg gut und steigend. Dass diese neuen Leistungen auch Ausgleich für Bereiche ist, in denen die Morbidität oder Inanspruchnahme sinkt, wie in der Füllungstherapie, zeigte er ebenfalls auf.
Trotz der schwierigen Situation und der von den Kassen geforderten Nullrunde sei es zudem gelungen, beim Punktwert für Zahnersatz für 2023 ein Plus von 3,45 Prozent auszuverhandeln, berichtete er unter Beifall der Delegierten. Eine Nachricht, die auch vom anwesenden Präsidenten des Verbands Deutscher Zahntechniker-Innungen, ZTM Dominik Kruchen, positiv aufgenommen wurde.
Der erste Tag der VV brachte zudem den Bericht des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Dr. Karl-Georg Pochhammer vor allem zum leidigen Thema Telematikinfrastruktur und eine erste, kurze Diskussion der Berichte. Am zweiten Tag wurden unter anderem die politischen Anträge diskutiert und beschlossen. (Weitere Berichterstattung hier). MM