Dr. Romy Ermler ist als niedergelassene Zahnärztin in Potsdam mit einem Schwerpunkt auf Parodontologie „nah dran“ an der täglichen Arbeit ihrer zahnärztlichen Kolleginnen und Kollegen und an den Sorgen, Nöten und Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten. Als Vizepräsidentin der Bundeszahnärztekammer bearbeitet sie Themen, die für die wirtschaftliche Existenz der Praxen besonders wichtig sind. Außerdem liegen ihr die Niederlassungsförderung und die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte besonders am Herzen – schon als Kammervorstandsmitglied in Brandenburg hat sie sich hier engagiert. Im Interview mit Dr. Marion Marschall, Chefredakteurin „Quintessence News“, spricht sie über den aktuellen Stand bei der GOZ und die Themen, die sie bewegen.
„Am Ende geht es immer ums Geld“, heißt es gern. Zu Ihren Aufgabenbereichen gehört auch die Gebührenordnung für Zahnärzte, kurz GOZ. Der BZÄK-Vorstand und die Bundesversammlung hatten 2021 beschlossen, das Thema GOZ anders aufzustellen, um zum Beispiel den Praxen mehr Hilfestellung geben zu können. Wie und mit welchen Zielen wird das Thema GOZ jetzt in der BZÄK „bearbeitet“?
Dr. Romy Ermler: Es ist schon eine Frechheit, dass wir so viele Jahre mit einer echten Novellierung und der Anpassung der GOZ von der Politik im Stich gelassen wurden– und wie es aktuell aussieht, auch weiter im Stich gelassen werden. Deswegen ist es für uns bei der Bundeszahnärztekammer und für mich sehr wichtig, dass wir den Kolleginnen und Kollegen Hilfestellungen an die Hand geben, um die GOZ, so wie sie ist, auch wirklich zu nutzen. Das hat uns das Bundesverfassungsgericht auch klar mit auf den Weg gegeben: „Ihr braucht keine neue GOZ. Die GOZ so, wie sie ist, gibt Euch alles, was Ihr braucht. Also Paragraf 2, Paragraf 5 und auch Paragraf 6.“
Das ist für die Praxis manchmal nicht so einfach umzusetzen, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Ich stehe ja auch noch am Stuhl und leite eine Praxis. Das kann ich gut in die Arbeit einbeziehen und sagen: „Was brauchen wir in der Praxis und was ist wichtig in der Hilfestellung“.
Gewisse Hol-Schuld bei den Informationen
Wir haben als Bundeszahnärztekammer wirklich viel gemacht und den ganzen Blumenstrauß an Hilfestellungen, den es in den Kammern gibt, in einem GOZ-Baukasten zusammengestellt. Wir liefern also sehr viel, aber die Kolleginnen und Kollegen haben hier auch eine gewisse Hol-Schuld. Sie müssen sich informieren über die Möglichkeiten, die sie haben, und gucken, wo es welche Angebote für sie gibt. Wir informieren über die BZÄK-Homepage, über die „zm“, über die Kammern und deren Newsletter wie auch die Kammerblätter, aber trotzdem heißt es dann von Kollegen: „Ihr müsstet mal eine Analogie zur PAR schaffen“. Die gibt es aber schon längst. Wir haben also ein Defizit bei der Verbreitung von guten Botschaften.
Daher auch hier nochmal der Aufruf an die Kolleginnen und Kollegen, sich auch zu informieren. Es gibt einzelne Kammern, die bieten vor Ort Informationsveranstaltungen zur GOZ an, allen voran Niedersachsen und Westfalen-Lippe, aber auch andere tun das.
Ganz wichtig ist auch die Botschaft: Keine Angst vor Paragraf 2 GOZ! Freie Vereinbarungen sind nicht immer einfach, aber wichtig. Wir müssen die Werkzeuge nutzen, die wir haben. Und wenn man das den Patientinnen und Patienten richtig erklärt, dann verstehen sie das auch. Jeder möchte eine gute Behandlung, und eine gute Behandlung sollte auch dementsprechend gut honoriert sein. Das wollen wir alle und dafür setze ich mich ein.
Keine Angst vor Paragraf 2 GOZ
Ein Ziel war und ist es, die Zahnarztpraxen bei der wirtschaftlichen Anwendung und Auslegung der GOZ besser zu unterstützen, zum Beispiel bei den Steigerungsfaktoren etc. Dazu können die Kammern auf Konzepte zurückgreifen, wie sie zum Beispiel die Kammer Niedersachsen entwickelt hat und wie sie von anderen übernommen werden. Sie hatten das ja schon erwähnt. Die Resonanz auf diese Veranstaltungen scheint, so erste Berichte, aber regional doch sehr unterschiedlich zu sein. Man habe angesichts der vielen Beschwerden über die GOZ im Vorfeld mehr Beteiligung erwartet, auch seien wenig Fragen gekommen. Ist Schimpfen dann doch einfacher als Tun?
Ermler: Natürlich wäre es für die Kolleginnen und Kollegen das Einfachste, wenn der Punktwert angehoben würde. Aber das bekommen wir nun mal nicht, das hat uns auch keiner versprochen. Also müssen wir andere Wege gehen, und die sind leider bürokratisch. Aber das ist eine Bürokratie, die wir auch bezahlt bekommen – wenn wir es richtig machen.
Diese Informationen muss man im Detail dann auch erstmal verstehen und sacken lassen, bevor man das für die eigene Praxis anwenden und integrieren kann. Deshalb kommen die Nachfragen oft erst im Nachgang oder bei einer zweiten Veranstaltung. Deshalb finde ich es gut, wenn man mehrere Runden anbietet. Man lernt auch innerhalb einer solchen Veranstaltung.
Natürlich hängt es nicht zuletzt davon ab, welches Patientenklientel eine Praxis hat.
Beschlüsse zu mehr als 60 Positionen und zur PAR-Richtlinie
Da vonseiten der aktuellen Regierung grundlegende Änderungen an den privaten Gebührenordnungen in der Medizin und Zahnmedizin ausgeschlossen sind – worauf fokussiert sich die politische Arbeit zur GOZ? Und dass die derzeitige, zuletzt 2011 in Teilen aktualisierte GOZ den rasanten Fortschritt in der Zahnmedizin – wissenschaftlich wie technisch – in den Leistungsbeschreibungen nicht mehr abbildet, haben auch Beihilfe und Private Krankenversicherungen erkannt. Das gemeinsame Beratungsgremium scheint sich hier als Ankerpunkt für eine adäquate Auslegung der GOZ entwickelt zu haben?
Ermler: Es gibt sehr viel politische Arbeit zur GOZ, aber diese läuft mehr im Hintergrund. Deshalb bekommen die Kolleginnen und Kollegen davon nicht so viel mit. Aber was uns politisch in der Arbeit enorm hilft, ist tatsächlich unser Beratungsforum mit der Privaten Krankenversicherung und der Beihilfe. Dort haben wir zum Beispiel schon die Analogpositionen geklärt, unter anderem zur Parodontitistherapie und zu mehr als 60 anderen Positionen mit Beschlüssen, die auf der Internetseite der BZÄK und auf den Internetseiten der Kammern abrufbar sind. Damit sollte sich jeder mal beschäftigen, denn diese Beschlüsse sind rechtssicher beraten und abgestimmt.
Es ist uns sehr wichtig, in diesem Beratungsforum eine Brücke zu bauen, damit die Patientinnen und Patienten eine Rechtssicherheit haben bei einer entsprechend gestellten Rechnung und die bei ihnen erbrachten Leistungen erstattet bekommen. Dabei ist die Beschlussfassung im Beratungsforum alles andere als leicht. Und Patientinnen und Patienten fällt es schwer zu akzeptieren, dass Selbstbehalte entstehen. Die sind zu nicht niedrigen Beiträgen versichert und möchten dementsprechend ihre Versorgung mitversichert haben.
Was uns auch politisch wichtig ist: Dass die Privaten Krankenversicherer akzeptieren, dass wir die Mehrbelastungen durch Inflation, höhere Gehälter, teurere Energie und Materialien aus unserem Umsatz bestreiten müssen. Daher müssen hier auch die Patientinnen und Patienten mitgenommen werden und die PKV muss dementsprechend ein gewisses Entgegenkommen zeigen.
Einige PKVen erkennen das schon an, aber da sind auch die Versicherten mit in der Pflicht. Wir sind keine Versicherungsangestellten, wir können nur die Aufklärung für die Patientinnen und Patienten mitgeben.
Digitalisierung muss abgebildet werden
Politisch läuft sehr viel. Wir haben auch bei Bundesgesundheitsminister Lauterbach angefragt und um einen Gesprächstermin gebeten. Darauf haben wir noch keine Antwort. Aber wenn ich die Antworten an die Ärzte sehe, wird es bei uns auch nicht besser werden.
Wir haben trotzdem noch ein paar Punkte, die müssen einfach in eine moderne GOZ aufgenommen werden. Wir haben keine GOZ-Positionen für die Digitalisierung, wir wissen nicht, wie die elektronische Patientenakte und das Befüllen dargestellt werden sollen. Da besteht hundertprozentig Gesprächsbedarf. Und wenn Herr Lauterbach die Digitalisierung auch im privaten Bereich will, dann muss er uns auch die Tools der Finanzierung dafür zur Verfügung stellen. Es gibt keine Positionen zum E-Rezept etc. Spätestens da muss man nachziehen.
Könnte man das auch über das Beratungsgremium abbilden?
Ermler: Dazu sind wir schon im Gespräch. Man könnte das mit dem PKV-Verband und der Beihilfe zum Beispiel auch so regeln wie bei der Hygienepauschale in der Corona-Pandemie. Dafür gab es auch keine GOZ-Positionen.
Aber das war eine Sondersituation. Hier haben wir eine geplante Regelung. Dafür muss es eine Novellierung geben. Das zeigt auch, wie alt die GOZ ist. Wir können nicht Fortschritt fordern mit einer uralten GOZ.
Wie werden die Beschlüsse und Einigungen des Gremiums in der Praxis angenommen?
Ermler: Es gibt Veröffentlichungen auf allen Seiten, und das kommt teilweise unterschiedlich schnell bei Versicherungen und Praxen an. Das kann auch zu Reibungen führen. Aber im Großen und Ganzen tragen PKV und Beihilfe die Beschlüsse mit und kommunizieren das nach außen.
Das trifft auch auf unsere Seite zu, nicht alle Kolleginnen und Kollegen nehmen die Veröffentlichungen so wahr. Aber je informierter die Praxen sind, desto besser funktioniert das auch.
An was arbeiten die Gremien aktuell?
Ermler: Da haben wir zunächst den GOZ-Strategieausschuss. Vorsitzender des Ausschusses ist der sehr erfahrene Kollege Jost Riekesmann aus Westfalen-Lippe. Der Ausschuss ist beauftragt – in enger Abstimmung mit den Ausschüssen Gebührenrecht beziehungsweise Statistik –, GOZ-Strategien der Bundeszahnärztekammer und mögliche Lösungswege zu entwickeln und die Ergebnisse dem Vorstand zur Beratung vorzulegen.
Hinsichtlich der Strategien für einen regelmäßigen Anpassungsprozess hatte der Vorstand in seiner Klausurtagung 2019 bereits einen konkreten Arbeitsauftrag formuliert: Aus der Sicht der Bundeszahnärztekammer ist es notwendig, darüber nachzudenken, ob und gegebenenfalls auf welchem Wege für die GOZ ein regelmäßiges und kontinuierliches Anpassungsverfahren installiert werden kann. Eine fachliche und betriebswirtschaftliche Weiterentwicklung der GOZ auf dem Verhandlungsweg zwischen Bundeszahnärztekammer, PKV-Verband und Beihilfe als gemeinsamer Vorschlag an das BMG bietet sich aus der Sicht des Vorstandes als geeignete Option an.
Die Ärzte sind diesen Weg gemeinsam mit PKV und Beihilfe gegangen – allein auch dort fehlt der Wille der Politik zu einer Umsetzung. Deshalb führt am Ende kein Weg an der Hilfe zur Selbsthilfe vorbei. Der GOZ-Strategieausschuss hat die Aufgabe übernommen, eine Kampagne vorzubereiten, um die Kolleginnen und Kollegen fit für Honorarvereinbarungen zu machen.
Schließlich bereitet der Ausschuss die Themen vor, die wir dann in das Beratungsgremium mit PKV und Beihilfe eingebracht werden. Das Beratungsforum hat sich mit seiner regelmäßigen Arbeit und dem systematischen Aufzeigen der Lücken, für die es keine Abrechnungspositionen gibt, sehr bewährt. Wir haben jetzt schon 60 Beschlüsse gefasst und damit eindrucksvoll dokumentiert, dass die GOZ aus sich heraus nicht mehr funktioniert. Da stellt sich schon die Frage, wie viele Beschlüsse sollen wir denn noch fassen, bis das BMG akzeptiert, dass wir in der Zahnmedizin schon viel weiter sind und Behandlungsmethoden haben, die es 1988 noch gar nicht gab?
Und dann gibt es natürlich noch den sehr fleißigen Ausschuss Gebührenrecht. Ebenfalls unter der Leitung des Kollegen Jost Rieckesmann kümmert der sich um die Auslegung der geltenden GOZ. Er ist zuständig für den GOZ-Kommentar der Bundeszahnärztekammer, die Analogliste, den BZÄK-Kommentar der GOÄ und er erarbeitet Stellungnahmen zu ausgewählten grundsätzlichen Problemen wie Handreichungen für Kolleginnen und Kollegen und Informationen für Patientinnen und Patienten. Alle diese Informationen stehen auf der Homepage der Bundeszahnärztekammer zur Verfügung.
Im Rahmen der bereits angesprochenen Kampagne „Honorarvereinbarung“ wollen wir die Informationen zu Paragraf 2 Absatz 1 GOZ für die Kolleginnen und Kollegen noch einfacher auffindbar machen. Es soll künftig dafür eine gesonderte Plattform geben mit eigener Suchfunktion.
Länger bis zur Niederlassungsentscheidung
Ein zweites, lange bekanntes Problem, macht sich jetzt immer stärker bemerkbar: Nicht alle, die ihre Berufstätigkeit beenden wollen, finden eine Nachfolgerin, einen Nachfolger für ihre Praxis, die zahnärztliche Versorgung dünnt aus. Das betrifft längst nicht mehr nur Regionen in den neuen Bundesländern, auch wenn dort das Problem gravierender scheint. Sie haben sich schon in Brandenburg um den Berufsnachwuchs gekümmert. Ist der Blick auf die reine Praxisnachfolge zu eng? Wie erleben Sie die jungen Kolleginnen und Kollegen? Mit welchen Ideen und Konzepten kann man junge Menschen abholen und für die selbstständige Tätigkeit begeistern?
Ermler: Ich spreche sehr gerne mit den jungen Kolleginnen und Kollegen und ich halte das auch für sehr wichtig, dass wir das tun. Denn sonst kann man keine gute Standespolitik machen. Wenn ich für Brandenburg spreche: Ja, wir haben auch hier das Problem mit den Praxisübernahmen. Und die reine Übernahme zu denken, ist wirklich zu kurz gedacht. Man muss die Strukturen und die Bedürfnisse der jungen Kolleginnen und Kollegen mehr im Blick haben.
Die Arbeitsbedürfnisse – und das ist nicht nur die ständig zitierte Work-Life-Balance – haben sich einfach verändert. Es ist auch nicht mehr so, dass die jungen Kolleginnen und Kollegen sich frühzeitig Gedanken machen, wo sie sich niederlassen wollen und wo sie die nächsten gut 40 Jahre ihres Lebens verbringen. Familienplanung, Partnersuche, eigene Entwicklung – das braucht heute länger als früher. Aber wenn sich das gesetzt hat und klarer geworden ist, in welche Richtung das gehen soll, dann sind die jungen Leute durchaus bereit, in die Niederlassung zu gehen.
Wenn wir das Wo und Wie der Niederlassung heute betrachten, dann spielt das Umfeld eine wichtige Rolle – von Erreichbarkeit und Internet bis zu Arbeitsmöglichkeiten für den Partner/die Partnerin, Kinderbetreuung und Schulen sowie Freizeitangebote. Das hört sich oft so banal an, aber ist entscheidend. Wenn das fehlt, sind Familien auch schnell wieder weg, selbst wenn es Arbeit gibt. Das haben wir in Brandenburg erlebt. Die Kolleginnen und Kollegen schauen sich das schon genau an, bevor sie ihre Entscheidungen für die Niederlassung treffen.
Wir haben auch ein Problem mit den älteren Bestandspraxen. Die Zahnmedizin hat sich gewandelt, wir sind in der Prävention ungeheuer weit vorne. Die kleine Praxis mit einem oder zwei Behandlungszimmern, wie sie früher einmal gelebt wurde, passt da nicht immer. Aus Sicht der Übernehmer sollte eine Praxis erweiterbar sein. Ich bin kein Verfechter großer Strukturen und sage auch immer: „Fangt klein an, übernehmt eine Praxis mit einem vorhandenen Patientenstamm.“ Aber es braucht auch den Blick nach vorn und die Option, sich vergrößern zu können, gegebenenfalls mit einem Umzug. Und das machen die Kolleginnen und Kollegen auch. Die schauen sich die Praxen schon ganz genau an.
Was sie auch sehr interessiert, ist die Digitalisierung. Sie möchten digitale Anwendungen und digitale Verwaltung etablieren und erwarten da oft schon viel. Da müssen alt und jung auch zusammenkommen, was nicht immer einfach ist. Vielleicht sollten die älteren Kolleginnen und Kollegen sich mehr mit dem Gedanken des Mentorings anfreunden und so den Nachwuchs für die Praxis gewinnen.
„Manchmal würde ich mir von den jungen Menschen mehr Mut wünschen“
Viele junge Kolleginnen und Kollegen wollen auch nicht mehr ganz allein arbeiten, für sie ist Vernetzung sehr wichtig, gerade auf dem Land, wo sich ja nicht unbedingt gleich zwei oder drei nebeneinander niederlassen. Sie legen viel Wert auf Erfahrungsberichte und Austausch, auch das muss man berücksichtigen.
Manchmal würde ich mir von den jungen Menschen mehr Mut wünschen. Ich war 29, als ich meine Praxis gegründet habe, und ich habe vorher nicht alles gewusst. Das war auch ganz gut so. Man meistert die Situationen schon, wenn sie da sind. Das bringt einen auch weiter. Dieses Sicherheitsdenken hält sie dann doch vom „einfach Machen“ ab.
Unterstützung der Kommunen wichtig
Was kann – und muss – der Berufsstand selbst tun, und wo ist die Politik gefordert? Wie erleben Sie die Bereitschaft der Politik in Kommunen, Land und Bund, die Zahnärzteschaft zu unterstützen?
Ermler: Die Kolleginnen und Kollegen können gemeinsam gerade jetzt, mit den vorgeschriebenen Famulaturen, sicher Chancen nutzen und den Berufsnachwuchs in Regionen einladen, die nicht so bekannt sind. Das passiert schon.
Aber es auch wichtig, dass sich die Bürgermeister und Kommunen Gedanken machen: „Wie bekomme ich meine Ärzte und Zahnärztinnen zu mir?“ Wir haben hier in Brandenburg gute Erfahrungen damit gemacht, wenn in den Gemeinden kleine Videos gedreht wurden und die Region mit ihren Vor- und auch Nachteilen vorgestellt wurde. Das haben die Kommunen zu unserem Zahnärztetag in Brandenburg gemacht und wir haben das auch auf die Website gestellt.
Wenn es um Landzahnärzte geht, müssen die Regionen auch Anreizsysteme geben. Als Studierender ist das Geld nicht gerade üppig, und dann soll ich noch vier Wochen zur Famulatur aufs Land und da auch wohnen, essen und gegebenenfalls hin- und herfahren. Wenn man da als Kommune Unterstützung anbietet, ist das sicher auch gut investiertes Geld.
Aber mir ist noch ein Aspekt wichtig, gerade weil die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte für die Niederlassungsentscheidung stark darauf achten, dass auch ihre Partner ihren Beruf ausüben können. Manchmal passt das einfach nicht und schreckt von einer Niederlassung ab. Und deshalb dürfen wir nicht nur über das Niederlassungsthema reden. Wir müssen auch Angebote für diejenigen machen, die sich dagegen entscheiden und angestellt arbeiten wollen. Das ist der zweite Trend, den wir haben, und diese Kolleginnen und Kollegen müssen auch gute Arbeitsbedingungen haben können. Das ist natürlich ein Dilemma: Wenn wir keine niedergelassenen Praxen haben, wird es schwierig mit dem Angestelltenverhältnis.
Wir müssen mehr positiv denken
Die tägliche Arbeit der BZÄK wird vielfach von dem bestimmt, was aus Ministerien und Politik in Deutschland und auf europäischer Ebene an „Ideen“ auf die Zahnärzteschaft einprasselt. Wie man darauf, auch als Vorstand der Bundeszahnärztekammer, reagiert, hängt auch von dem Leitbild, von den eigenen Werten und von der Idee ab, die man von der Berufsausübung einer Zahnärztin, eines Zahnarztes in der Zukunft hat. Sie bringen einen anderen Blick mit – als Frau und als Zahnärztin in den neuen Bundesländern. Wie sehen Sie diese Zukunft, welche Ideen und Werte treiben Sie an?
Ermler: Ich bin gerne Zahnärztin, mit viel Leidenschaft für den Beruf. Und ich will mit meiner standespolitischen Arbeit erreichen, dass wir wieder mehr Beruf machen, unserer Berufung nachgehen können, statt andere Dinge machen zu müssen. Wir haben Zahnmedizin studiert, weil wir Patienten behandeln wollen. Da gehört sicher auch ein gewisser Teil Bürokratie dazu, aber das darf nicht überbordend werden. Für uns steht wirklich die Zahnmedizin im Vordergrund.
Ich bin nach wie vor eine Freundin der Niederlassung in eigener Praxis und der Freiberuflichkeit. Aber wir müssen uns auch neuen Formen der Berufsausübung stellen, das bringt der Generationenwandel einfach mit sich. Ich hoffe, dass wir es schaffen, das Angestelltenverhältnis und die Niederlassung unter einen Hut zu bekommen. Wir haben die Möglichkeit, angestellt zu arbeiten, und das ist für bestimmte Lebensphasen eine gute Option – für die jungen, aber auch für die älteren Kolleginnen und Kollegen.
Eine weitere Herausforderung ist die Digitalisierung, weil auch dort die Generationen mit unterschiedlichen Ansprüchen aufeinandertreffen – die jungen, die da forsch und mutig herangehen, und die älteren, die manchmal sagen: „Lass mich damit bloß in Ruhe.“ Da auch berufspolitisch den Bogen zu schlagen, wird schwierig.
Und ich bin sehr dafür, die Ressourcen im Berufsstand und in der Standespolitik zu bündeln. Nicht jeder muss das Rad immer wieder neu erfinden, nicht jede Kammer alles selbst machen.
Was mir in den vergangenen Jahren immer stärker aufgefallen ist: Wir müssen mehr positiv denken und uns endlich von dem Satz verabschieden: „Früher war alles besser.“ Früher war es anders, aber auch heute ist es gut, nur anders.
Wir stehen vor einem großen Wandel, und das darf man durchaus kritisch und nicht rosarot sehen. Ich habe da auch viel Kritik gegenüber der Politik, die ich zur Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen einbringen möchte. Wir haben nun einmal sehr viele Baustellen, sei es Bürokratieabbau, sei es Fachkräftemangel, die GOZ etc. – da liegt noch richtig viel Arbeit vor uns. Aber wir können das als Berufsstand nur gemeinsam schaffen. Und da würde ich mir manchmal weniger Ellenbogen, sondern mehr Gemeinsamkeit im Berufsstand wünschen, für die Sache. Und das bringen wir als Frauen vielleicht etwas besser mit, Stichwort mehr Lösungsorientierung.