„Das macht mein Mann.“ „Ich verdiene doch nicht genug, um was zu sparen und als Altersvorsorge auf die Seite zu legen.“ „Mein Steuerberater schiebt mir immer nur die Zahlen rüber und erklärt nichts. Und ich traue mich nicht zu fragen.“ „Das überlasse ich meinem Finanzberater bei der Bank. Obwohl ich nicht weiß, ob der das wirklich alles nur in meinem Interesse macht.“ – Solche und ähnliche Sätze hört man oft von Frauen, auch von Zahnärztinnen und Mitarbeiterinnen. Sabine Nemec will Frauen Mut machen, sich selbst um ihre Finanzen zu kümmern. Warum und wie, erklärt sie im Interview mit Quintessence News.
Frau Nemec, Sie arbeiten seit vielen Jahren mit Zahnarztpraxen zusammen im Bereich Praxismarketing und Kommunikation. Wie haben Sie festgestellt, dass es beim Thema Finanzen gerade bei Frauen einen Nachholbedarf an Wissen gibt?
Sabine Nemec: Es sind die vielen persönlichen Geschichten und Situationen, denen ich in mehr als 20 Jahren dentaler Beratung begegnet bin. Etwa die Praxisinhaberin, die als Hauptverdienerin der Familie in das kalte – finanzielle – Wasser gestoßen worden ist, als sie eine Praxis gegründet hat. Oder die angestellte Zahnärztin, die ihren Beruf liebt und gerne ausübt, aber sich noch um ihre Kinder und ihre alten Eltern kümmert. Ganz gleich, wie der Lebensweg aussieht: Bei allen war der Wille vorhanden, mehr Wissen für den Vermögensaufbau und die Altersvorsorge zu erwerben, aber sie hatten nicht die Zeit oder wussten nicht, wo und wie sie das in Angriff nehmen können.
Zudem sind Frauen aufgrund ihrer Erwerbsbiografie im Alter finanziell nicht so gut aufgestellt. Grund sind die Auszeiten für die Kindererziehung, Teilzeitarbeit, geringere Gehälter als die männlichen Kollegen und damit einhergehend geringere Einzahlung in die berufliche und private Altersvorsorge. Dazu kommt bei geschiedenen Frauen das neue Unterhaltsrecht, bei dem verstärkt davon ausgegangen wird, dass jeder für sich selbst zu sorgen hat.
Wenn wir etwas zurücktreten und das ganze Bild betrachten, dann haben sich auch die Rahmenbedingungen für ein abgesichertes Leben nach der Berufstätigkeit im Dentalmarkt und vom Gesetzgeber her geändert. Der Praxisverkauf als Teil der Altersvorsorge ist nicht mehr gewährleistet. Die Zusicherung vom damaligen Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Dr. Norbert Blüm, „Die Rente ist sicher“, wird inzwischen gekontert mit „In welcher Höhe?“.
Ob gesetzliche Rente oder Versorgungswerk – der demografische Wandel erhöht zunehmend den Druck auf das Rentensystem, denn ab 2030 sind die geburtenstarken Jahrgänge fast vollständig im Ruhestand. Für die, die danach in den Ruhestand gehen, wird es eher weniger Geld aus der Versorgungskasse geben. Noch ein Grund, sich frühzeitig um seinen Vermögensaufbau zu kümmern.
„Zeit ist eines der wichtigsten Kriterien“
Wo gibt es denn die größten Wissenslücken?
Nemec: Die Rente – das ist bisweilen noch ziemlich lange hin. Viele Frauen – aber auch Männer – denken: „Es reicht, wenn ich in ein paar Jahren mit der Altersvorsorge und dem Vermögensaufbau anfange.“ Dabei ist Zeit eines der wichtigsten Kriterien. Hand aufs Herz: Ich kenne keine Investorin, die gesagt hat, dass sie froh ist, mit dem Investieren gewartet zu haben!
Bereiche, in denen mehr Wissen gesucht wird, sind neben den verschiedenen Investmentmöglichkeiten – zum Beispiel Immobilien, Wertpapiere – auch gute Tipps zur Umsetzung. Also: Wo fange ich an, wie kann ich starten? Außerdem stehen oft Vorurteile im Raum, die einen daran hindern loszulegen. Die Motivation und das Bewusstsein „etwas machen zu müssen“ sind da, nur fehlen das Wissen und die Sicherheit, um die ersten Schritte zu tun.
Ist das nur ein Thema für Zahnärztinnen und Laborinhaberinnen? Oder auch für das Fachpersonal?
Nemec: Klar – es ist ein Thema für alle Frauen im dentalen Markt, ob Zahnärztin, Zahntechnikerin oder Fachpersonal. Gerade beim Fachpersonal ist es noch wichtiger, sich frühzeitig mit Vermögensaufbau zu beschäftigen, da Arbeitnehmer nicht mehr auf eine ausreichende gesetzliche Rente bauen können. In vielen Gesprächen zeigt sich immer wieder, dass hier das Mindset anders ausgerichtet werden muss. Es sollte allen klar sein, dass man sich auch mit kleineren Beträgen etwas Großes aufbauen und ein bequemes Ruhestandskissen schaffen kann.
Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Sabine Nemec ist seit 2000 als Marketingberaterin für Zahnarztpraxen und Dentallabore sowie als Referentin zu den Themen Praxismarketing, Kommunikation, Körpersprache, Dental English und Finanzen tätig. Sie hat mehr als 17 Jahre in Südostasien gelebt und ist englischsprachig aufgewachsen. Seit 2022 macht sie mit dem Podcast „Dental English to go“ bei Quintessenz Zahnärztinnen, Zahnärzte und Praxisteams fit für die Kommunikation auf Englisch – ergänzend zu ihrem Buch, das ebenfalls bei Quintessenz erscheinen ist. Mit ihrer Agentur Nemec+Team unterstützt sie Arzt- und Zahnarztpraxen bei Marketing und Werbung. Eines ihrer Herzensanliegen ist es, Frauen Kompetenz und Know-how rund um das Thema Finanzen zu vermitteln. In einer Serie auf Quintessence News bereitet sie speziell für Frauen aus der Dentalwelt Themen rund um Geld, Altersversorgung und Anlage auf.
Warum sollten Frauen sich selbst um ihre Finanzen kümmern?
Nemec: Leider ist das Thema Finanzen kein Fach in der Schule oder im Studium. Dann kommt die Mentalität dazu, die in vielen Familien weitergegeben worden ist: „Über Geld spricht man nicht“. Das macht das Thema Finanzen noch diffuser und schwieriger zu verstehen. Und so wird es zu einem Buch mit sieben Siegeln – außer man hat eine angeborene Neugierde dafür.
Das stimmt aber alles so nicht. Männer sind nicht prädestiniert für das Thema. Es braucht auch keine mathematische Neigung. Verschiedene Studien belegen, dass Frauen oft die besseren Investoren sind und höhere Renditen erwirtschaften als Männer. „Frau“ muss sich nur trauen und anfangen.
Mit dem Investieren ist es ein wenig wie mit der Zahnmedizin. Man wird besser darin, je mehr man in sich selbst und sein Wissen investiert.
Welche Faktoren sind gerade für Frau entscheidend?
Nemec: Da gibt es einige. Kurz und knackig zusammengefasst, gibt es diese Learnings: Es gibt nicht den perfekten Moment, um mit dem Investieren zu beginnen. Der richtige Moment ist immer jetzt.
Das zweite Learning: Verlassen Sie sich nicht auf einen Berater/eine Person/einen Bekannten, der Ihnen die beste Anlagemöglichkeit anbietet – es ist nämlich oft die beste Option des jeweiligen Unternehmens und Ihr Berater hat die Aufgabe, es Ihnen anzubieten („zu verkaufen“). Bleiben Sie neugierig und offen, tauschen Sie sich aus, informieren Sie sich aus verschiedenen Quellen, fragen Sie nach und hinterfragen Sie.
Das dritte Learning: Bewegen Sie sich raus aus Ihrer Komfortzone. Es passieren wundervolle Dinge, wenn wir uns trauen, außerhalb unserer Komfortzone zu agieren.
„Der richtige Moment ist immer jetzt“
Sie sind 2022 mit ersten Workshops zum Thema Finanzfitness für Frauen gestartet. Wie waren die Reaktionen darauf?
Nemec: Das war absolut spannend und ich habe mich sehr gefreut über die vielen Frauen – Praxisinhaberinnen, angestellte Zahnärztinnen und zahnmedizinische Fachangestellte –, die dabei waren, ihren Werdegang im Leben und beim Investieren geteilt haben, über die vielen Fragen und das unglaubliche Interesse an dem Thema. Mich hat die Offenheit beeindruckt, mit der wir in den Gruppen über Finanzen gesprochen haben. Ich habe gemerkt, wie wohltuend es für die Teilnehmerinnen ist, eine Sparringspartnerin zu haben, der sie alle Fragen stellen können, mit der sie offen über Geld sprechen können und von der sie obendrein eine ordentliche Portion Motivation erhalten.
Und wo finden interessierte Frauen weitere Informationen?
Nemec: Auf finsista.de finden Frauen aus der Dentalwelt erste Infos und Kontaktmöglichkeiten. Bei Facebook und auf Instagram unter @myfinsista veröffentlichen wir regelmäßig unter anderem viele Tipps zur Umsetzung, Wissen rund um verschiedene Anlagemöglichkeiten, Motivierendes, Aktuelles – sozusagen mundgerechte Infohappen, damit Frau sich im anspruchsvollen Alltag mit Praxis, Job und Familie einfach und schnell informieren und up-to-date bleiben kann. Ansonsten haben interessierte Frauen auch die Möglichkeit, sich in meinen Workshops und Kongress-Vorträgen einen Wissensschub zu holen.
In diesem Jahr starten Sie bei Quintessence News mit einer eigenen Beitragsserie zum Thema Frauen und Finanzen. Was erwartet die Leserinnen – und auch Leser – in dieser Serie?
Nemec: Ich freue mich riesig auf die Zusammenarbeit mit Quintessence News. Es ist mir eine Herzensangelegenheit, dass Frauen selbstbestimmt in Sachen Finanzen und Vermögensaufbau sind. Da jeder Weg sehr individuell ist, haben wir eine bunte Vielfalt an Themen vorgesehen. Dazu gehört etwa der Blick nach innen auf die eigenen Glaubenssätze, gute Schulden versus schlechte Schulden, Finanzen & Partnerschaft, frühzeitiger Vermögensaufbau für Kinder, verschiedene Anlageformen, Nachhaltigkeit in Investments, Immobilien und vieles mehr.
Auch haben wir Gastautoren, die bestimmte Themen vertiefen und wertvolle Anregungen geben werden. Bleiben Sie also gespannt!