Die Bundeszahnärztekammer reagiert auf Forderungen und Verordnungen, die zahnärztliche Behandlung aktuell nur auf sogenannte „Notfälle“ zu beschränken. In einem am 17. April 2020 online gestellten Papier heißt es dazu: „Die Bundeszahnärztekammer hält Einschränkungen der zahnmedizinischen Behandlung, mit der die Ausübung der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde mit Ausnahme von Notfallbehandlungen untersagt werden, für nicht verhältnismäßig.“
Weiter heißt es im Papier: „Die damit verbundenen Eingriffe in die Grundfreiheiten, die Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Zahnärztinnen und Zahnärzte sind nicht gerechtfertigt und zugleich ist die Sicherstellung der zahnmedizinischen Versorgung der Bevölkerung gefährdet.“
Reaktion auf Beschränkungen der zahnärztlichen Tätigkeit
Die BZÄK reagiert damit unter anderem auf die Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg, die kurz vor Ostern erlassen worden war. Auch in einigen anderen Bundesländern gibt es in den Corona-Verordnungen Hinweise, dass die Menschen nur zu notwendigen medizinischen Behandlungen das Haus verlassen sollten. Eine direkte Einschränkung der ärztlichen/zahnärztlichen Tätigkeit ist dort – anders als in Baden-Württemberg – nicht verbunden.
In der Einleitung der Stellungnahme heißt es: „Angesichts der dynamischen Entwicklung der Corona-Pandemie ergreift die Politik zum Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung eine Vielzahl infektionsschützender Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus. In diesem Zusammenhang wird auch darüber diskutiert, die zahnärztliche Versorgung auf Notfälle zu beschränken. Andere als Notfallbehandlungen wären danach zu verschieben.“
KZV und Kammer setzen sich für Streichung des Paragrafen ein
Die Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, Dr. Ute Maier, und der Präsident der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg, Dr. Torsten Tomppert, informierten am 17. April 2020 zur Situation im Land. Zwar habe das Sozialministerium unmittelbar nach Erlass des für Zahnärzte geltenden Paragrafen 6a der Corona-Verordnung der Landesregierung vom 9. April 2020 (CoronaVO) hat Auslegungshinweise erlassen. „Gleichwohl werden die bestehenden grundsätzlichen Bedenken gegen Paragraph 6a CoronaVO nicht beseitigt. Mit der Regelung ist nämlich nach wie vor ein unverhältnismäßiger Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit der Zahnärzte verbunden. Deshalb fordern KZV BW und LZK BW weiterhin eine Streichung von § 6a Abs. 1 CoronaVO“, heißt es. Diese Forderung hätten Maier und Tomppert. in einem gemeinsamen Schreiben am 16. April 2020 gegenüber Ministerpräsident Kretschmann und Sozialminister Lucha nochmals deutlich gemacht.
Keine erhöhte Infektionsausbreitung oder Infektionsraten in Zahnarztpraxen gesichert belegt
Zur auch von Zahnärzten und Fachpersonal vor allem zu Beginn der Corona-Pandemie im März erhobenen Forderungen, Zahnnarztpraxen wegen der mit der Behandlung verbundenen Infektionsgefahr zu schließen, heißt es in der Stellungnahme der BZÄK: „Nach bisher international und national vorliegenden Erkenntnissen zur Ausbreitung von Covid-19 gibt es derzeit keinerlei gesicherte Erkenntnisse, dass zahnmedizinische Behandlungen zu einer erhöhten Infektionsausbreitung in der Bevölkerung beigetragen haben, noch Erkenntnisse, dass zahnärztliche Behandlungsteams erhöhten Infektionsraten unterliegen.“
Weiter hießt es „Gleichzeitig ist festzustellen, dass die bisher geltenden - und durch weitere empfohlene Maßnahmen im Zusammenhang mit Covid-19 ergänzten Hygienemaßnahmen und Arbeitsschutzbestimmungen - zu einem hohen Schutzniveau auch bei der Behandlung von potential infektiösen Patienten in den Praxen geführt haben.“
Zur Frage, ob und wann eine zahnärztliche Behandlung notwendig ist, wird ausgeführt: „Die Entscheidung über die Notwendigkeit einer zahnmedizinischen Behandlung trifft die Zahnärztin oder der Zahnarzt, abhängig vom individuellen Risiko und der Komplikationsdichte des Eingriffs, im konkreten Patientenfall. Dies betrifft nicht nur Notfallbehandlungen, sondern kann Eingriffe umfassen, die die Beschwerden des Patienten kurz-, mittel- oder langfristig lindern oder die Verschlimmerung der bestehenden Erkrankung vermeiden. Bei vulnerablen Patienten mit hohen Risiken ist die Behandlung nur auf Notfallbehandlungen beschränkt.“
Keine Sonderrolle für die Zahnmedizin
Zusammenfassend heißt es: „Im Ergebnis darf fachlich und sachlich festgestellt werden, dass bei Berücksichtigung dieser Empfehlungen die Einschränkung der zahnmedizinischen Behandlung weder zu rechtfertigen noch im Interesse der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung angemessen ist. Wie in anderen medizinischen Fachgebieten und pflegerischen Berufen beziehungsweise bei Heilmittelerbringern (zum Beispiel Ophthalmologie, HNO, Hörakustiker, Optiker, Physiotherapeuten, bei denen Tröpfcheninfektionen möglich sind und gegebenenfalls Aerosol bildende Maßnahmen eingesetzt werden), ergibt sich keinerlei Sonderrolle für die Zahnmedizin. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der bereits seit langem geltenden und in der zahnärztlichen Versorgung eingesetzten hohen Hygienestandards und erweiterten Empfehlungen in der gegenwärtigen Situation.“
Notwendigkeit und Pflicht zur Behandlung
Das Papier hebt dabei zur Frage der Notwendigkeit der zahnärztlichen Behandlung auf das Zahnheilkundegesetz ab und kommt zu dem Schluss, dass die zahnmedizinische Versorgung ein elementarer Bestandteil der medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung sei. Sie dürfe „keinesfalls nur auf Notfälle, deren Definition zudem unbestimmt ist, im Interesse der Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung reduziert werden.“
In einem Exkurs wird zudem die Frage diskutiert, wie weit die Pflicht zur Behandlung reicht, zum Beispiel für den Fall, dass für die Behandlung von Covid-19-Patienten/Infizierten keine Schutzausrüstung zur Verfügung steht. Hier könne gegebenenfalls eine Situation entstehen, die eine Behandlung ohne ausreichende Schutzausrüstung erforderlich machen könnte. „Bei weniger schwerwiegenden Notfällen und Verfügbarkeit alternativer Behandler kann sich das Ansteckungsrisiko durch COVID 19 als unzumutbar darstellen. In jedem Fall hat sich der Zahnarzt in solchen Fällen um die weitere Behandlung des Patienten zu kümmern“, heißt es.
Stellungnahme der DGZMK
Am 16. April 2020 hatte auch der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund – und Kieferheilkunde und für ihn der Präsident der DGZMK, Prof. Dr. Roland Frankenberger, in einem Brief an die Mitglieder und die Zahnärzteschaft die aktuelle Situation dargestellt und die Eckpunkte für die zahnärztliche Behandlung in den Zeiten der Corona-Pandemie zusammengefasst.
Die vollständige Stellungnahme der BZÄK finden Sie hier.