Die Hygienekosten in Arzt- und Zahnarztpraxen und in Krankenhäusern steigen seit Jahren, auch durch neue gesetzliche Vorgaben und Verordnungen. Diese Kosten sind bisher nicht in vollem Umfang Bestandteil der ärztlichen Vergütung nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) und werden auch in der zahnärztlichen Vergütung im Bema nicht adäquat berücksichtigt.
Der Fachbereich „Nosokomiale Infektionen“ (FBNI) des Bundesverbands Medizintechnik (BVMed) setzt sich jetzt dafür ein, die im Rahmen von Behandlungen anfallenden Hygienekosten zur Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes in Arztpraxen und Kliniken vollumfänglich durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zu erstatten. BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll weist in diesem Zusammenhang auf das Recht von Patienten und Mitarbeitern hin, in allen medizinischen Einrichtungen durch konsequente und adäquate Hygienemaßnahmen vor Infektionen geschützt zu werden. Für Ärzte und Kliniken sind diese Maßnahmen ein elementarer Bestandteil, der bislang jedoch nicht umfassend vergütet wird.
Zentralinstitut der Ärzte weist hohe Kosten aus
Hintergrund ist eine aktuelle Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), nach der die Hygienekosten für Produkte, Aufbereitung, Entsorgung, Personal, Fortbildungen und Qualitätssicherung in Arztpraxen seit der Umsetzung der neuen Landeshygieneverordnungen ab dem Jahr 2012 auf hohem Niveau liegen. Demnach mussten Praxen im Jahr 2018 durchschnittlich 24.287 Euro für Hygienekosten aufwenden. In rein konservativen Praxen lagen die durchschnittlichen jährlichen Hygienekosten bei 8.140 Euro, in invasiv tätigen Praxen bei 25.242 Euro, berichtet das Zi. Praxen, die ambulant operieren, geben für Hygiene 53.281 Euro pro Jahr aus, Dialysepraxen sogar 116.823 Euro.
IDZ wird Erhebung Anfang 2020 veröffentlichen
Für die vertragszahnärztliche Versorgung hat das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) im Jahr 2016 mit den Vorbereitungen einer Studie zur Erfassung von hygienebedingten Kosten in deutschen Zahnarztpraxen (Hygienekostenstudie) begonnen, so die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) auf Nachfrage von Quintessence News. Drei Module haben dabei unterschiedliche Datenquellen erschlossen, um die Hygienekosten umfassend beziffern zu können: Im Rahmen von Zeitaufnahmen wurden Zeitaufwände für hygienerelevante Tätigkeiten direkt beobachtet und gemessen; ein bundesweiter Praxissurvey hat mit Hilfe eines Fragebogens Material- und Gerätekosten erhoben; auch Sekundärdaten zu Gehältern von Zahnarztpraxismitarbeitenden fanden Eingang in die Analyse. Die Studie wird voraussichtlich im April 2020 erscheinen.
Tatsächliche Kosten für Material und Personal berücksichtigen
Der BVMed-Fachbereich "Nosokomiale Infektionen" spricht sich in diesem Zusammenhang dafür aus, die tatsächlich entstehenden Kosten für Hygieneprodukte und -prozesse sowie das dafür benötigte Personal entsprechend und vollumfänglich zu erstatten. Dies ist umso wichtiger, da bei Nichtbeachtung von Hygienevorschriften immense Schäden für die Patienten und Mitarbeiter sowie Folgekosten für das Gesundheitssystem entstehen. Der EBM wurde seit dem Jahr 2008 in puncto Hygienekosten nicht weiterentwickelt, obwohl die Vertragsärzte seit dem Jahr 2012 mit den neuen Landeshygieneverordnungen höhere Kosten und Zeitaufwände stemmen. Die Erstattung durch den EBM müsse nun zügig nachgeholt werden, so BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll. Darüber hinaus müssten diese Kosten auch im stationären Bereich separat ausgewiesen und vollumfänglich erstattet werden, da sie in den DRGs untergehen.
Patienten und Mitarbeiter haben Recht auf Schutz
„Jeder Patient und jeder Mitarbeiter in medizinischen Einrichtungen in Deutschland hat ein Recht, vor gefährlichen und im Zweifel lebensbedrohlichen Infektionen geschützt zu werden“, so Möll weiter. Gerade deshalb ist eine transparente und umfassende Erstattung der anfallenden Hygienekosten in Praxen und Kliniken unumgänglich. Damit einher müsse eine konsequente Umsetzung von Hygienemaßnahmen in allen medizinischen Einrichtungen gehen.