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KZV Schleswig-Holstein übt Kritik am Rollout – ABDA sieht 10.000 Apotheken für das E-Rezept vorbereitet

Im Idealfall nutzt der Patient zum Einlösen des E-Rezepts die App der Gematik –NFC-fähiges Smartphone und NFC-eGK einschließlich Freischaltung vorausgesetzt.

(c) ABDA

Nachdem die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) am 22. August bis auf weiteres aus der Rollout-Phase des elektronischen Rezepts (E-Rezept) ausgestiegen ist, übt nun auch die Kassenzahnärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KZV S-H) Kritik an dem Projekt. Sie will die Zahnärzte im Land aber weiter beim Test des E-Rezepts unterstützen. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und die KZV Westfalen-Lippe halten ebenso wie die KV Westfalen-Lippe am Rollout fest, fordern aber von der Gematik und dem Bundesgesundheitsministerium neue digitale Lösungen.

Die KZV S-H sieht vor allem die Versicherten unzureichend auf das E-Rezept vorbereitet. „Wir müssen feststellen, dass die Versicherten wenige Tage vor dem geplanten Rollout nur äußerst unzureichend über das E-Rezept informiert sind. Hier sehen wir die Krankenkassen, die Nationale Agentur für Digitale Medizin (Gematik) und das Bundesgesundheitsministerium in der Pflicht, die Patienten umfassend zu informieren“, sagt der Vorstandsvorsitzende der KZV Schleswig-Holstein Dr. Michael Diercks. „Die grundsätzliche Aufklärung über das E-Rezept kann neben der Patientenversorgung nicht von den Praxen geleistet werden.“

E-Rezept-App weitgehend unbekannt, NFC-eGK nicht verfügbar

Kaum ein Patient kenne die E-Rezept-App der Gematik. Ohnehin sei der potenzielle Nutzerkreis stark eingeschränkt, da für die App eine NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte (eGK) und ein NFC-fähiges Smartphone, für den vollen Funktionsumfang außerdem auch eine PIN der Krankenkasse für die eGK und eine Registrierung in der App notwendig sind. „Nur wenige Patienten verfügen – auch aufgrund des Chipmangels – bisher überhaupt über eine solche eGK oder besitzen ein entsprechendes Smartphone-Modell“, weiß Peter Oleownik, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KZV S-H. Einrichtung und Aktivierung der App seien umständlich und würden zusätzlich durch das Verbot des Video-Ident- Verfahrens der Krankenkassen erschwert. Vor allem für ältere Patienten sei die Nutzung der App grundsätzlich eine große Hürde.

Mehr Papier, keine Vorteile

Nutzt der Patient die App nicht, erhält er – wie beim herkömmlichen „rosa Rezept“ – einen Ausdruck. In der Praxis betrifft das rund 99 Prozent der Verordnungsfälle. „Der Ausdruck eines QR-Codes auf ein weißes Blatt Papier anstelle der Ausstellung eines rosa Rezeptformulars ist kein elektronisches Rezept“, so Diercks. Für den neuen Ausdruck steige allerdings der Papierverbrauch. Auch der Zeitaufwand, etwa für die elektronische Signatur des Rezepts, sei höher.

Ziele der Politik nicht realisiert

„Die Ziele, die die Politik mit dem E-Rezept verfolgt, sind derzeit nicht realisiert: Der bürokratische Aufwand für die Erstellung des E-Rezepts in den Praxen wird nicht etwa reduziert, sondern erhöht sich sogar. Medienbrüche bestehen weiterhin. Und auch für die Patienten wird es nicht einfacher. Sie müssen nach wie vor mehrfach in die Apotheke gehen, wenn ihr Medikament nicht vorrätig ist und bei Rezeptnachbestellungen weiterhin in die Praxis kommen“, kritisiert Oleownik.

Auch nicht alle PVS-Systeme bereit

„In den zwei Monaten des intensiven Austauschs mit der Gematik und den anderen beteiligten Gruppen mussten wir feststellen, dass die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Einführung des E-Rezeptes leider nicht gegeben sind“, fasst er zusammen. In diesem Sinne zeige auch das sogenannte Dashboard der Gematik für das E-Rezept nicht den tatsächlichen Digitalisierungsgrad an. Hinzu komme, dass einige Hersteller von Praxisverwaltungssoftware den Praxen die notwendigen Module zur Erstellung eines E-Rezepts noch immer nicht zur Verfügung gestellt haben, so dass ein Test vor dem Rollout-Termin nicht möglich ist.

Umfrage zeige Skepsis in den Praxen

„Die KZV Schleswig-Holstein wird ihre Mitglieder bei der Umsetzung des E- Rezepts in den Praxen selbstverständlich weiter unterstützen“, erklären Oleownik und Diercks. Eine Umfrage unter den schleswig-holsteinischen Zahnärzten habe allerdings erhebliche Kritik am Projekt zutage treten las- sen. Dabei hänge der Erfolg des E-Rezepts jedoch wesentlich von der Akzeptanz aller Beteiligten ab.

55 Prozent der Apotheken startklar

Vonseiten der Apotheker sieht man sich für das E-Rezept gut aufgestellt: „Mehr als 10.000 Apotheken in Deutschland sind schon jetzt bereit, neben Papierrezepten auch elektronische Verordnungen von Patientinnen und Patienten zu versorgen. Von den bundesweit etwa 18.000 Apotheken haben sich schon 55 Prozent als startklar für das E-Rezept erklärt. Und täglich kommen weitere Apotheken dazu. Das E-Rezept kann somit fristgerecht ab 1. September 2022 bundesweit in den Apotheken eingelöst werden“, meldet die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.

„Die Apotheken sind Vorreiter bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen und für den Start des E-Rezepts sehr gut aufgestellt“, sagt Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA: „Bundesweit hat sich schon die Mehrheit der Apotheken für E-Rezept-startklar erklärt, in den beiden Startregionen Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein sind es sogar etwa drei Viertel. Das Einlösen des E-Rezepts in den Apotheken wird für die Patientinnen und Patienten also komfortabel sein – unabhängig davon, ob sie die E-Rezept-App der Gematik auf ihrem Handy oder einen Papierausdruck mit dem E-Rezept-Token nutzen.“

Apotheker fordern ebenfalls Weg über eGK

Overwiening weiter: „Wir setzen uns aber zugleich vehement dafür ein, dass wir schnellstmöglich einen dritten einfachen, sehr unbürokratischen und praktischen Weg für die E-Rezept-Übertragung bekommen – nämlich per elektronischer Gesundheitskarte. Wenn Patientinnen und Patienten zur Übermittlung des E-Rezeptes zunächst in der Arztpraxis und dann in der Apotheke einfach ihre eGK in ein Kartenlesegerät einstecken können, ist das ein erstrebenswerter und sehr komfortabler Prozess. Das muss in den kommenden Monaten möglich werden. Gemeinsam können dann Arztpraxen, Apotheken und Krankenkassen das E-Rezept zum Erfolg führen. Damit bieten wir einen spürbaren Nutzen für die Versorgung der Patientinnen und Patienten.“

Reference: Telematikinfrastruktur Politik

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