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KZBV: Probleme bei der elektronischen Patientenakte noch nicht gelöst – Softwareanbieter sehen weiterhin Schwierigkeiten in der zentralen ePA-Struktur

(c) Genitchka/Shutterstock.com

„Weiter testen, noch nicht bundesweit ausrollen.“ Auf diesen Nenner lassen sich die Kommentare und Statements aus der Heilberufe- und IT-Welt zum aktuellen Stand der elektronischen Patientenakte („ePA für alle“) und der Erfahrungen aus den drei Testregionen zusammenfassen. Das Bundesgesundheitsministerium steht aktuell generell noch zum Plan, die ePA ab Mitte/Ende April, zum Beginn des 2. Quartals, in den bundesweiten Rollout zu geben. Auch wenn es im Papier der Arbeitsgruppe „Gesundheit und Pflege“ für die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD heißt, dass die ePA sukzessive, aber definitiv bis Ende 2025 flächendeckend eingeführt werden soll.

So fordert die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) das Bundesgesundheitsministerium angesichts der Verzögerungen in der Testphase der elektronischen Patientenakte auf, vorerst auf eine bundesweite Verpflichtung zu verzichten. Hierzu stellt Dr. Karl-Georg Pochhammer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des der KZBV, klar: „Viele der Testpraxen können erst seit März mit der ePA arbeiten, also diese einsehen und befüllen. Die Erfahrungswerte mit ihrer Performance und Nutzbarkeit im Praxisalltag sind daher zu gering. Diese Informationen brauchen wir aber, um verlässlich beurteilen zu können, ob die ePA in die Versorgung gebracht werden kann, zumal die Testpraxen immer wieder von technischen Problemen berichten. Es ist daher noch zu früh für einen bundesweiten Roll-out. Die Tests in den Modellregionen müssen fortgesetzt werden.“

BSI muss Sicherheit noch bestätigen

Auch die Sicherheitsfragen sieht die KZBV noch nicht alle geklärt, auch mit Blick auf die Kritik des Chaos Computer Clubs zur Hackbarkeit der ePA und ihrer Infrastruktur vom Anfang des Jahres. Wenn das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik die Sicherheit der ePA bestätigt habe, könnten auch Praxen außerhalb der Modellregionen Erfahrungen mit der ePA sammeln.

Tests müssen freiwillig sein, um PVS ausgiebig zu prüfen

„Wichtig ist, dass auch diese Tests freiwillig sind und dafür ausreichend Zeit eingeplant wird, damit die Technik in allen Praxisverwaltungssystemen (PVS) gehärtet wird. Die Kapazitäten der PVS-Hersteller müssen dabei beachtet werden. Eine verpflichtende Einführung der ePA darf es erst dann geben, wenn die Technik ausgereift und gut in die Prozesse der Praxen integrierbar ist“, so Pochhammer.

14 Zahnarztpraxen an Tests beteiligt

In den Modellregionen Franken und Hamburg testen seit dem 15. Januar 2025 neben Arztpraxen, Apotheken und Kliniken auch 14 Zahnarztpraxen die ePA. In einigen Zahnarztpraxen funktioniere das Arbeiten mit der ePA grundsätzlich gut, so Pochhammer. Die Mehrheit berichte aber von technischen und organisatorischen Problemen. „Zudem konnte aufgrund der vielen Verzögerungen der Austausch von Gesundheitsdaten – der eigentliche Zweck der ePA – kaum getestet werden. Bislang gebe es nur einige wenige Fälle, in denen intersektoral Dokumente ausgetauscht werden konnten“, berichtet der KZBV-Vizevorsitzende.

Körperschaften aus Westfalen-Lipp und die AG KZVen ebenfalls kritisch

Ähnlich kritisch äußern sich auch die Kassenzahnärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KZVWL) und die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe (ZÄKWL). Sie fordern ebenfalls eine sorgfältige Fortsetzung der Testphase und eine gründliche Prüfung der elektronischen Patientenakte (ePA), bevor diese bundesweit eingeführt wird. „Angesichts erheblicher technischer und sicherheitsrelevanter Mängel ist es unverantwortlich, die ePA ohne vollständige Funktionsfähigkeit und Sicherheit in den Praxen flächendeckend zu verpflichten“, heißt es in der Pressemeldung.

„Die Erfahrungen aus den Testregionen zeigen deutlich, dass die ePA in der aktuellen Form noch nicht ausreichend funktionstüchtig und sicher ist. Eine bundesweite Einführung ohne die nötige Anpassung und Prüfung gefährdet die Versorgung und den Datenschutz der Patienten“, erklärt Michael Evelt, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KZVWL. Dr. Gordan Sistig, Präsident der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe (ZÄKWL), ergänzt: „Die ePA darf nicht zu einer zusätzlichen Belastung für die Praxen werden. Wenn die Technik nicht ausgereift ist, gefährdet dies nicht nur die Arbeitsprozesse in den Praxen, sondern verursacht auch eine erhebliche Mehrbelastung im administrativen Bereich.“

Forderungskatalog zur ePA

Um eine sichere und effektive Einführung der ePA zu gewährleisten fordern KZVWL und ZÄKWL gemeinsam:

  • Verlängerung der Testphase bis zur Erreichung definierter Qualitätskriterien.
  • Beseitigung von Sicherheitsmängeln, insbesondere der vom Chaos Computer Club aufgedeckten Schwachstellen.
  • Bestätigung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und die Bundesdatenschutzbeauftragte, dass alle Sicherheitslücken geschlossen sind.
  • Sofortige Aussetzung von Sanktionen und TI-Pauschalen-Kürzungen
  • Einführung von Anreizsystemen, anstatt Sanktionen, um die Akzeptanz zu fördern.
  • Usability vor Geschwindigkeit – nur vollständig getestete und benutzerfreundliche Anwendungen dürfen eingeführt werden.

Die KZVWL und ZÄKWL werden sich weiterhin dafür einsetzen, dass die ePA erst dann bundesweit ausgerollt wird, wenn alle Anforderungen an Datenschutz, Sicherheit und Usability vollständig erfüllt sind, heißt es. Die Forderungen deckten sich zudem zu 100 Prozent mit denen der AG KZVen, einem Zusammenschluss der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen aus Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe. Das Positionspapier der AG KZVen zur ePA steht auf der Website der zahnärztlichen Körperschaften in W-L zur Verfügung.

Auch Gesundheits-IT-Firmen weiter kritisch

Der Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e. V. – begrüßt die positiven Rückmeldungen aus der Pilotierung der ePA in den Modell- und Testregionen. „Die grundlegenden Funktionen der ePA erweisen sich in den Tests als stabil und nutzenstiftend für die medizinischen Einrichtungen. Die Mitgliedsunternehmen des bvitg arbeiten weiterhin intensiv an der Bewertung und Umsetzung der Rückmeldungen aus den Modell- und Testregionen in ihre Praxisverwaltungs- und Krankenhausinformationssysteme und stehen dazu im engen Dialog mit jenen Pilotpraxen, die sich aktiv an den Tests beteiligen.“

Weiter strukturelle Herausforderungen an zentraler Stelle

Trotz der Fortschritte und der positiven Rückmeldungen zu den Umsetzungen in den Systemen bestehen aus Sicht der IT-Hersteller „weiterhin strukturelle Herausforderungen, insbesondere in der zentralen ePA-Infrastruktur“. Offene Punkte betreffen zum Beispiel Unterschiede im Verhalten der beiden Aktensysteme sowie deren performante und sichere Erreichbarkeit – auch unter der perspektivisch höheren Belastung im bundesweiten Rollout. In diesem Zusammenhang schätzen die beteiligten bvitg-Mitglieder den konstruktiven Austausch mit der gematik und den Vertreter:innen der Modell- und Testregionen.

Ursachen für Probleme benannt

Die Tests der ePA-Funktionalitäten verlaufen nicht in allen beteiligten Einrichtungen gleich, so der Verband. Dies sei jedoch vorrangig nicht in Problemen mit den Umsetzungen in den Systemen begründet. Laut der Gematik und nach den Wahrnehmungen der beteiligten bvitg-Mitglieder gebe es verschiedene Ursachen für die unterschiedlichen Rückmeldungen aus den teilnehmenden Einrichtungen:

  • Die Updates mit den ePA-Funktionen wurden zwar bereitgestellt, aber von den Einrichtungen noch nicht installiert.
  • In einigen Praxen verzögern Urlaubs- oder Krankheitsausfälle die aktive Befassung mit den Funktionen.
  • Es treten vereinzelt technische Probleme auf, die zumeist auf die Netzwerkarchitektur und die Systemkonfiguration der Einrichtungen zurückzuführen sind.

Zudem zeige sich, dass viele der teilnehmenden Praxen Fragen zur Nutzung der ePA formulieren, „deren Beantwortung aus Sicht des Verbands in der Verantwortung der ärztlichen Selbstverwaltung und Standesvertretungen liegt“, etwa:

  • Müssen bei jedem Patientinnen-/Patienten-Kontakt Interaktionsprotokolle in die ePA hochgeladen werden?
  • Welche Informationen sind verpflichtend in der ePA zu hinterlegen?
  • Welche Haftungsregelungen gelten für fehlende ePA-Daten? Ist retrospektiv erkennbar, ob Patientinnen/Patienten Daten zurückgehalten haben?
  • Müssen Ärztinnen und Ärzte für ihre diagnostischen und therapeutischen Entscheidungen relevante ePA-Dokumente für ihre eigene Absicherung zusätzlich lokal in ihrer Praxissoftware speichern?

Hoher Beratungsbedarf gegenüber den Patienten

Weiterhin berichteten die aktiv an den Tests teilnehmenden Praxen laut Verband von intensiven Aufklärungsgesprächen mit ihren Patientinnen/Patienten und formulieren die Sorge, dass der Beratungsbedarf beim flächendeckenden Rollout viel Zeit in Anspruch nehmen kann. „Hier wünschen sich die Praxen eine umfassendere Aufklärung durch die gesetzlichen Krankenkassen und perspektivisch auch durch die privaten Versicherungsunternehmen“, so der Verband.

Stärker Versorgungsprozesse in den Fokus rücken

Der bvitg befürwortet, dass die Gematik in den kommenden Ausbaustufen der ePA verstärkt Versorgungsprozesse in den Fokus rückt. Um die ePA gezielt auszuweiten, müssen realitätsnahe Anwendungsszenarien stärker berücksichtigt werden – insbesondere bei Patientinnen und Patienten, die mehrere Leistungserbringende aufsuchen. „Erst durch Interaktionsanalysen lässt sich die ePA praxisnah testen und integrieren.“

Softwarehersteller in Auswahl der Testphasen einbeziehen

Zur Sicherstellung einer praxisnahen Weiterentwicklung der ePA und in Auswertung der Erfahrungen in den Modell- und Testregionen rege der Verband an, Softwarehersteller in die Auswahl künftiger Testpraxen aktiv einzubeziehen. „Die IT-Hersteller verfügen gemeinsam mit Ärztinnen und Ärzten über umfassendes Wissen zur regionalen Vernetzung und Versorgung. Die Erkenntnisse aus den Testregionen zeigen, dass der Auswahlprozess der Teilnehmer:innen für die aktuellen Modell- und Testregionen nicht vollends geeignet war, um realistische Testszenarien zu schaffen.“

Haftungsrechtliche Fragen endlich klären

Zugleich setzt sich der bvitg für eine frühzeitige Klärung insbesondere der haftungsrechtlichen Rahmenbedingungen bei der ePA-Nutzung und einen transparenten Skalierungsprozess hin zum flächendeckenden Rollout ein. „Eine enge Abstimmung und eine lösungsorientierte Zusammenarbeit ohne Schuldzuweisungen an einzelne Projektbeteiligte zwischen den Leistungserbringenden in der Versorgung, der Politik, der Selbstverwaltung und der Industrie sind nach unserer Überzeugung zwingende Voraussetzungen für die erfolgreiche Integration der ePA in den Versorgungsalltag.“

Akzeptanz der Patienten hängt auch von Transparenz und Erscheinungsbild ab

Dazu passen die Ergebnisse einer Studie zur ePA, die von der TU Berlin durchgeführt wurde. Danach könne eine nutzerfreundliche Gestaltung das Vertrauen auch der Patientinnen und Patienten in die ePA erhöhen. Nicht nur technische Sicherheitsstandards, sondern auch Faktoren wie verständliche Inhalte, gute Bedienbarkeit und einfacher Zugang zum Kundenservice beeinflussten die die Akzeptanz der Patientinnen und Patienten. Im Rahmen einer Interviewstudie interagierten Teilnehmende mit einem realitätsnahen Prototyp der ePA und wurden anschließend zur deren Vertrauenswürdigkeit befragt. Die Ergebnisse zeigen: Vertrauen entsteht nicht allein durch das Einhalten von technischen Sicherheitsstandards – es entsteht auch durch ein ansprechendes, nutzerfreundliches Design und verständliche Inhalte sowie eine gute Bedienbarkeit und positive Nutzungserfahrung.

„So signalisiert ein professionelles, modernes Erscheinungsbild der ePA Verlässlichkeit, während ein verwirrendes, unübersichtliches Layout oder auffällige Rechtschreibfehler Zweifel daran wecken. Die Nutzerinnen und Nutzer assoziieren solche Mängel also nicht nur mit schlechter Gestaltung. Wenn Buttons nicht funktionieren oder Informationen widersprüchlich dargestellt werden, wird das auch als Zeichen mangelnder Sorgfalt gewertet – und führt zu Misstrauen gegenüber dem gesamten System“, sagt Niklas von Kalckreuth, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet

Klar formulierte Informationen wichtig

Auch inhaltlich ist Transparenz zentral: Informationen sollten klar formuliert, gut strukturiert und frei von Fachjargon sein. Lange Schachtelsätze oder schwer auffindbare Hinweise wirken abschreckend. Ebenso wichtig: einfache, intuitive Möglichkeiten zur Datenverwaltung. Die Nutzenden wünschen sich eine vollständige Übersicht über gespeicherte Daten, klar erkennbare Optionen zum Teilen oder Löschen und leicht zugängliche Privatsphäre-Einstellungen. Wenn diese Möglichkeiten fehlen, äußerten die Studien-Teilnehmenden die Sorge, dass die Entwickler der ePA eventuell Informationen vorenthalten oder verstecken wollen. In der Folge kann das Vertrauen in die ePA sinken.

Zusammengefasst zeige die Studie: Was die Nutzenden auf den ersten Blick sehen und erleben – vom visuellen Design bis zum Support – beeinflusst maßgeblich, ob sie einer ePA-App ihre sensiblen Daten anvertrauen. Um die Akzeptanz der ePA zu fördern, müssen Anbieter deshalb nicht nur technisch für Sicherheit sorgen, sondern diese Sicherheit auch durch nutzerfreundliche Gestaltung sichtbar und erfahrbar machen. (MM)

Reference: Telematikinfrastruktur Praxis Politik Wirtschaft

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