Die richtige Abrechnung des Tamponierens bei einer Dentitio difficilis (erschwerter Zahndurchbruch bei Milch- und Weisheitszähnen mit teils fiebriger Zahnfleischentzündung und -taschenbildung) löst immer wieder Diskussionen und unterschiedliche Meinungen aus. Zum Beispiel, dass für das Tamponieren ohne vorherige chirurgische Intervention (Inzision Bema-Nr. Ä161 oder Exzision Bema-Nr. 49) nicht die Bema-Nr. 38 (N), sondern lediglich die niedriger bewertete Leistung nach der Bema-Nr. 105 (Mu) abgerechnet werden kann. Die Bema-Nr. 105 beschreibt jedoch nur das „Aufbringen von auf der Mundschleimhaut haftenden Medikamenten" und keine Tamponade, bei der zunächst ein Zugang geschaffen werden muss. Fakt ist, dass der Vorgang des Tamponierens nur bei der Bema-Nr. 38 (N) beschrieben ist.
Tamponade (Bema-Nr. 38) setzt keine chirurgische Vorleistung voraus
Gemäß Leistungsbeschreibung der Bema-Nr. 38 (N) handelt es sich um eine Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff oder um das Tamponieren oder dergleichen als selbstständige Leistung. Die Abrechnung erfolgt je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich je Sitzung. Somit setzt eine Tamponade (Bema-Nr. 38) keine chirurgische Vorleistung voraus.
Durch das Urteil des Sozialgerichts Potsdam (Az. S 1 KA19/22) vom 6. Dezember 2023 wurde dies auch auf Grundlage des Daisy-Kommentars bestätigt.
Im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung hatte eine Krankenkasse den Ansatz der Bema-Nr. 38 (N) im Gesamtwert von 2.444,81 Euro moniert. Dies, weil in diversen Behandlungsfällen aus den zur Verfügung stehenden Abrechnungsdaten keine dental- und/oder mund-kiefer-gesichtschirurgische Vorleistung feststellbar und der Ansatz der Bema-Nr. 38 (N) demzufolge nicht den Abrechnungsbestimmungen entsprechend erfolgt sei.
„Lediglich eine Aufzählung der möglichen Leistungen“
Nach Ansicht der beklagten KZV handelt es sich im Bema um eine eindeutig gleichberechtigte Aufzählung der Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff und dem Legen, Wechseln und Entfernen einer Tamponade/Drainage, ohne auf die Notwendigkeit einer vorangegangenen chirurgischen Leistung für die Tamponade/Drainage hinzuweisen.
Im Abrechnungsinformationssystem (DIE DAISY) werde der Schwerpunkt ebenfalls nicht auf den Leistungsansatz nach einem chirurgischen Eingriff gelegt. Vielmehr gehe diese auch davon aus, dass lediglich eine Aufzählung der möglichen Leistungen vorliege. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) habe auf Nachfrage der Beklagten mit Schreiben vom 15. November 2016 ihre Auffassung bestätigt.
Die Klage wurde abgewiesen
Bereits nach dem Wortlaut der Regelung handelt es sich nach Auffassung der KZV um eine Aufzählung, die durch das Wort „oder“ getrennt ist, sodass nicht immer eine chirurgische Leistung vorangegangen sein muss. Die KZBV hat die Auffassung der Beklagten auf deren Anfrage so bestätigt. Die Standesvertretung führte aus, dass das Tamponieren oder dergleichen – zum Beispiel im Einlegen einer Drainage (Gazestreifen) – im Falle einer Dentitio difficilis den Leistungsinhalt der Bema-Nr. 38 (N) erfüllt, ohne dass dem ein chirurgischer Eingriff vorausgegangen ist. Die Klage war daher abzuweisen.
Wie im Einzelfall therapiert wird, entscheidet allein der Zahnarzt nach der jeweiligen Schwere des Krankheitsfalls. Unverändert und eindeutig muss der Zahnarzt nach der Bema-Nr. 105 abrechnen, wenn er bei leichteren Formen der Dentitio difficilis lediglich ein auf der Mundschleimhaut haftendes Medikament aufträgt.
Fazit: Gutes Urteil für die Zahnarztpraxis
Tamponieren bei Dentitio difficilis, auch ohne vorherigen chirurgischen Eingriff:
Bema-Nr. 38 (N) = ca. 12,00 Euro
Auftragen von auf der Schleimhaut haftendem Medikament bei leichteren Formen der Dentitio difficilis:
Bema-Nr. 105 (Mu) = ca. 9,60 Euro
Sylvia Wuttig, Daisy Akademie + Verlag GmbH
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Sylvia Wuttig, B.A., Bachelor of Arts (Management von Gesundheitseinrichtungen), schreibt als Gründerin, Geschäftsführerin und alleinige Gesellschafterin der Daisy Akademie + Verlag GmbH seit 1976 Erfolgsgeschichte.
Dentale-Abrechnungs-Informations-Systeme (DAISY) haben Sylvia Wuttig bundesweites Renommee gebracht. Mehr als 100.000 Zahnärzte und Praxismitarbeiter wurden von ihr im Laufe von mehr als 45 Jahren in allen Bereichen der Abrechnung geschult.
Beratende Tätigkeiten, Vorträge und Seminare unter anderem für Zahnärztekammern, Kassenzahnärztliche Vereinigungen, Initiative unabhängige Zahnmedizin (IUZ), Schulen, Rechenzentren, Krankenkassen, Industrieunternehmen, zahntechnische Labors und Software-Firmen gehören ebenfalls zu ihren Aktivitäten.
Seit mehr als 20 Jahren ist sie aktives Mitglied der Prüfungskommission der Landeszahnärztekammer Sachsen für die Prüfung zur/zum Zahnmedizinischen Verwaltungsassistentin/-ten (ZMV).
Im Rahmen eines offiziellen Lehrauftrags an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat sie mehr als zehn Jahre alle Studierenden der Zahnheilkunde im Bereich „Honorierungssysteme“ unterrichtet.
An der Europäischen Fachhochschule (vormals PraxisHochschule) in Köln ist sie seit 2013 als Dozentin und später als Gutachterin für Bachelor-Arbeiten tätig. Sie unterrichtet unter anderem Studierende (Bachelor of Science) im Bereich „Zahnärztliches Abrechnungsmanagement“. Für Quintessence News bereiten sie und ihr Team ab März 2024 jeden Monat einen exklusiven Abrechnungstipp auf.