Auf die Frage, was die Intention der beiden Autoren war, ein derart umfangreiches Werk zu schaffen, wie es „Entscheidungsfindung im Spannungsfeld von Parodontologie und Implantattherapie“ (erschienen im Quintessenz Verlag) nun mal ist, antworteten Otto Zuhr und Marc Hürzeler: „Das Herz, die Seele dieses Buches ist der Patient, genauer gesagt, der Lebenskreis, der ‚Circle of Life‘ unserer Patienten.“
Therapieformen müssen sich am Circle of Life orientieren
Auf diesem Lebenskreis befinden sich links unten die jungen, nach oben hin die Patienten mittleren Alters und rechts unten die alten Patienten. Im Kern geht es im Buch daher um Folgendes: Die evidenzbasierte Zahnmedizin hat heute unsere klinische Entscheidungsfindung maßgeblich geprägt. Mit Fokus auf den individuellen Patienten – Stichwort personalisierte Oralmedizin – wird allerdings anhand dieses Lebenskreises unserer Patienten unmissverständlich deutlich, dass eine korrekte evidenzbasierte Entscheidung für eine Therapieform A auf der rechten Seite des Kreises unter Umständen auf der linken Seite falsch wäre und dass man sich anstelle dessen richtigerweise für eine Therapieform B mit einer vielleicht sogar schlechteren wissenschaftlichen Dokumentation entscheiden würde.
Doch warum ist das so? Der Grund dafür ist der, dass sich die Erfolgskriterien nach Behandlung ein und derselben klinischen Problemstellung im Laufe eines Patientenlebens durchaus verändern können. Ein gutes Beispiel dafür sind aus ästhetischer Sicht erfolgreiche Therapieresultate, die im Fall von Patienten, die sich auf der linken Seite und im oberen Teil des Lebenskreises befinden, häufig im Fokus der Erwartungen stehen, wohingegen sie bei älteren und alten Patienten – also denen unten auf der rechten Seite des Kreises – häufig nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.
Zahnerhaltung und Implantattherapie
Was niedergeschrieben eventuell abstrakt klingen mag, wird in dem Buch anhand der klinischen Entscheidungsfindung pro Zahn oder pro Implantat im Grenzbereich der Zahnerhaltungsmöglichkeiten ganz einfach verständlich. So ist es auf Basis aktueller Forschungsdaten heute keinesfalls mehr gerechtfertigt, als Zahnarzt für oder gegen den Erhalt stark vorgeschädigter Zähne beziehungsweise für oder gegen Implantate zu sein. Vielmehr ist die Zeit gekommen, sich von Dogmen zu lösen und beide Welten – Zahnerhaltung und Implantattherapie – zum Wohle der Patienten zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzufügen.
Was aber ebenfalls nicht wegdiskutiert werden kann, ist, dass auf Grundlage aktueller Querschnittsstudien und systematischer Literaturübersichten nicht alle Implantate ohne Probleme über die Zeit im Patientenmund verbleiben. Diesbezüglich sprechen nicht zuletzt die Zahlen für Periimplantitis mit einer Prävalenz von etwa 20 Prozent der Implantatpatienten bereits nach zehn Jahren für sich.
Vorgeschädigte Zähne keinesfalls per se entfernen
Vor diesem Hintergrund ist es insbesondere in Anbetracht des demografischen Wandels und der zunehmenden Lebenserwartung unserer Bevölkerung keinesfalls gerechtfertigt, vorgeschädigte Zähne zu entfernen, bevor nicht alle zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten kritisch in Erwägung gezogen worden sind. Es ist offensichtlich, dass – bezogen auf die Lebenszeit betroffener Patienten – das Auftreten von Langzeitkomplikationen umso weniger wahrscheinlich ist, je kürzer Implantate den Risikofaktoren in der Mundhöhle ausgesetzt werden. Daher sollten die Zähne so lange wie möglich erhalten werden und Implantate, falls erforderlich, im ,Circle of Life' der Patienten so weit wie möglich auf die rechte Seite nach unten verschoben werden und so spät wie möglich zum Einsatz kommen.
Wird hingegen die Entscheidung gegen den Zahn und für einen implantatgestützten Zahnersatz getroffen, müssen wiederum von Behandlerseite selbstredend alle gegenwärtig zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergriffen werden, um zukünftigen Komplikationen wie periimplantären Erkrankungen mit der möglichen Folge von Implantatverlusten bestmöglich vorzubeugen.
Buch baut auf dieser Geisteshaltung auf
Exakt dieser Geisteshaltung entsprechend ist sowohl der Grundlagen- wie auch der Technikteil dieses Buches aufgebaut. Unter dem Stichwort „Prävention und Erhaltung“ werden alle wesentlichen Aspekte der modernen Oralmedizin thematisiert, die es aus heutiger Sicht ermöglichen, dass Zähne oder später im Zweifelsfall auch Implantate im Idealfall ein Leben lang gesund und ohne Probleme im Patientenmund verbleiben können.
Um die von Parodontitis oder Periimplantitis betroffenen Zähne beziehungsweise Implantate von Patienten so lange wie möglich erhalten zu können, werden in dem Buch „Entscheidungsfindung im Spannungsfeld von Parodontologie und Implantattherapie“ alle gegenwärtig in der modernen Parodontal- und Periimplantitistherapie zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten im Detail und Step by Step dargestellt und erläutert.
Es ist der ungebremsten Euphorie für Implantate geschuldet, dass in der Vergangenheit bewährte Verfahren zum Erhalt stark vorgeschädigter Zähne, die im Grenzbereich der Zahnerhaltungsmöglichkeiten einzuordnen sind, beinahe in Vergessenheit geraten sind. Insbesondere mit Fokus auf junge, mit Zahnverlust konfrontierte Patienten auf der linken Seite des Lebenskreises werden in dem Buch Techniken wie beispielsweise Wurzelresektionen oder auch chirurgische Verfahren zur Behandlung externer Wurzelresorptionen nicht nur aus dem Keller geholt und abgestaubt, sondern auch aktualisiert und im Kontext moderner Behandlungskonzepte modifiziert vorgestellt und beschrieben.
Auf Alternativen zu Implantaten wie Autotransplantationen bleibender Zähne, Adhäsivbrücken oder auf Gaumenimplantaten befestigte Brückenglieder wird detailliert und nachvollziehbar für den Fall eingegangen, dass ein Zahnerhalt in dieser Altersgruppe nicht zu bewerkstelligen sein sollte und Implantate auf der Lebensachse dieser jungen Patienten zeitlich so weit wie möglich nach hinten verschoben werden sollen.
Belastungen auf ein Minimum reduzieren
Ist die Durchführung eines Zahnerhaltungsversuchs nicht mehr sinnvoll und sollen deshalb bei Patienten Implantate zum Einsatz kommen, ist es insbesondere im Fall von älteren und alten Patienten rechts unten auf dem Lebenskreis entscheidend, die mit der Implantatbehandlung einhergehenden körperlichen und psychischen Belastungen auf ein Minimum zu reduzieren. Aus diesem Grund thematisieren die Autoren zu guter Letzt auch „Neue Wege der Sofortimplantation“ in diesem Buch. Damit sollen im Sinne der Patienten und so oft wie möglich die Zahl der chirurgischen Eingriffe gering gehalten, die Behandlungszeiten insgesamt so kurz wie möglich gestaltet und Schmerzen wie auch postoperative Traumata auf ein Minimum reduziert werden.
Fazit
In dieser einzigartigen Publikation zeigen die beiden Autoren, wie sich unter Beachtung wissenschaftlicher Erkenntnisse und der individuellen Risikoprofile und Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten gesunde und stabile gingivale und periimplantäre Weichgewebe erzielen lassen.
Das dreibändige Kompendium enthält dafür alle biologischen und technischen Grundlagen (Band 1) sowie sämtliche chirurgischen Techniken (Band 2 und 3) – aufbereitet in bemerkenswerter Form (Abb. 2 bis 4). Eine brillante Illustrierung sowie umfangreiches Videomaterial ergänzen dieses Werk, das ohne Zweifel ein Novum in der zahnmedizinischen Fachliteratur ist.
Entscheidungsfindung im Spannungsfeld von Parodontologie und Implantattherapie
Otto Zuhr / Marc Hürzeler1. Auflage 2024, drei Hardcover-Bände im Schuber; inkl. 19 Videos mit 34 Minuten Gesamtlaufzeit, 1.900 Seiten, 4.900 Abbildungen
Noch bis 31. Dezember 2024 können Sie das neue „Zuhr/Hürzeler“ zum Einführungspreis bestellen.
Wer von den beiden Autoren noch erfahren möchte, warum sie dieses Buch geschrieben haben, bekommt ihre Erklärung hier im Video.
Bei Quintessence News haben wir die Philosophie der Autoren in einer kleinen Serie von Patientenfällen vorgestellt:
Teil 3 erscheint am 23. Dezember 2024.