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Vom geeigneten Zugang bis zur anatomisch tragbaren, bakteriendichten Aufbereitung – die wichtigsten Schritte und Verfahren

Fertige Zugangskavität eines OK-Molaren.

Bakterielle Infektionen des Wurzelkanalsystems machen eine endodontische Therapie nötig. Generell handelt es sich bei Wurzelkanalsystemen um komplexe anatomische Strukturen, die den Behandler vor große Herausforderungen stellen können. Nur eine möglichst umfassende chemomechanische Reinigung führt dabei zum langfristigen therapeutischen Erfolg. Neben einer sorgfältigen Gestaltung der Zugangskavität sind verschiedene manuelle und maschinelle Verfahren zur Erschließung solch komplexer Kanalsysteme sowie die Verwendung spezieller Handinstrumente und neuartiger wärmebehandelter Nickel-Titan (NiTi)-Feilen wichtige Bausteine für eine erfolgreiche Therapie. Dr. Ralf Schlichting stellt in seinem Beitrag für die Quintessenz Zahnmedizin 1/2022 den aktuellen Stand dieser manuellen und maschinellen Verfahren für die Zahnarztpraxis vor.

Die „Quintessenz Zahnmedizin“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wird 2024 wie der Verlag selbst 75 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit elf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.

Herausforderung Endodontie

Die möglichst vollständige Elimination von Mikroorganismen, infiziertem Gewebe und infiziertem Dentin ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche endodontische Therapie33. Die Reinigung eines komplexen Wurzelkanalsystems erfolgt einerseits durch mechanische Präparation mithilfe von Handinstrumenten und rotierenden beziehungsweise reziproken Feilensystemen, andererseits durch Desinfektion der Wurzelkanäle mit desinfizierenden sowie Gewebe auflösenden Spüllösungen und durch Aktivierung dieser Spüllösungen3 (Abb. 1).

Die Herausforderungen dabei sind vielfältig: Die größte Problem liegt in der komplexen Anatomie der Wurzelkanalsysteme. Sowohl das Auffinden als auch die Schaffung eines suffizienten Zugangs zu den Kanälen ist für den Behand­ler oft schwierig zu bewerkstelligen. Koronal obliterierte Kanaleingänge, enge Kanalsysteme, starke Krümmungen oder apikale Verästelungen sind nur einige weitere Beispiele. Bedenkt man außerdem, dass Kanalsysteme in den meisten Fällen asymmetrische Querschnitte aufweisen, wird die Komplexität der Aufgabe noch deutlicher (Abb. 2).

Komplexe Wurzelkanalsysteme

Generell sollte davon ausgegangen werden, dass es sich bei jedem Wurzelkanalsystem um ein komplexes System handelt. So kann die Schwierigkeit bei einem jugendlichen Oberkieferfrontzahn in der ausreichend großen Aufbereitung des schon initial sehr voluminösen Kanalsystems und dem apikalen Verschluss der häufig noch sehr breiten apikalen Region liegen. Bei einem mesialen Kanalsystem eines Unterkiefermolaren kann die Herausforderung in einer starken vestibulären Krümmung, im lateralen Gewebegeflecht oder einem initial sehr engen Kanalsystem bestehen.
Betrachtet man die mechanische Aufbereitung von Wurzel­kanalsystemen, können koronal obliterierte Kanalsysteme, sehr enge Kanalsysteme oder aber sehr enge und zusätzlich stark gekrümmte Kanalsysteme besonders herausfordernd sein.

Die mechanische Aufbereitung

Die mechanische Aufbereitung des Wurzelkanalsystems kann dabei in mehrere Abschnitte gegliedert werden:

  1. Schaffung eines korrekten Zugangs zum Wurzelkanal­system,
  2. Erschließung des koronalen Wurzelkanalsystems,
  3. initiale Erweiterung des Kanalsystems (Gleitpfad),
  4. finale Aufbereitung des Kanalsystems.

Der Schlüssel zum Erfolg: die Zugangskavität

Ein gerader Zugang zu den Wurzelkanalsystemen erleichtert die direkte Sicht auf den Pulpakammerboden und damit das Auffinden von Wurzelkanaleingängen. Er ermöglicht darüber hinaus das geradlinige Einführen von endodontischen Instrumenten, die kontrollierte Präparation sowohl von Zahnhartsubstanz als auch von Wurzelkanälen, das Einbringen von Spüllösungen und medikamentösen Einlagen sowie die abschließende kontrollierte Obturation des Wurzelkanalsystems (Abb. 3).

Die Qualität der Zugangskavität ist einer der entscheidenden Parameter für die nachfolgende Aufbereitung und Desinfektion4,5. Generell kann die Präparation der Zugangskavität in zwei Abschnitte untergliedert werden. Zunächst erfolgt der geradlinige Zugang zu den Kanaleingängen („straight line access“). Sodann dient der zweite Abschnitt bei der Präparation der Zugangskavität der initialen Eröffnung des Wurzelkanaleingangs sowie der Schaffung eines ungehinderten Zugangs zu den weiter apikal gelegenen Kanalabschnitten. Die Präparation dieses vom Autor als „Ameisentrichterform“ bezeichneten Zugangs wird im Englischen als „coronal preflaring“ bezeichnet. Es vermindert das Risiko für Feilenbrüche8, vermindert eine Vielzahl von Aufbereitungsfehlern9 und ermöglicht eine bessere taktile Rückmeldung bei der im Anschluss folgenden manuellen Erschließung des Kanalsystems34.

Obliterierte Kanalsysteme

Der kontinuierliche Anstieg der Lebenserwartung führt zu immer mehr älteren Patienten und Patientinnen, deren Wunsch nach möglichst langem Erhalt ihrer eigenen Zähne deutlich ausgeprägter ist als in der Vergangenheit38. Aufgrund der Fähigkeit der Pulpa zur Apposition von Se­kundär- und Tertiär­dentin besitzen ältere Patienten tendenziell engere Wurzelkanalsysteme oder auch koronal obliterierte Kanalsysteme10,16.

Bei der Erschließung von koronal obliterierten Wur­zelkanälen spielen die optimale Sicht und Vergrößerung sowie zu einem gewissen Anteil auch die Erfahrung der Behand­lerin  und des Behandlers eine entscheidende Rolle. Durch bessere Visualisie­rung mithilfe eines Dentalmikroskops, eventuell auch durch „Anfeuchten“ des Dentins mittels Spülflüssigkeiten lassen sich Struktur-und Farbunterschiede erkennen (Abb. 4). Nun kann versucht werden, minimalinvasiv unter Hinzunahme von feinen Piezo-Ultraschallspitzen oder feinen Rosenbohrern mit überlangem Schaft das Tertiärdentin Schicht für Schicht abzutragen, bis ein Kanalhohlraum detektiert werden kann. Dieses Verfahren kann zum Verlust von viel gesunder Zahnsubstanz führen und ist daneben oftmals sehr langwierig.

Vor wenigen Jahren wurde das minimalinvasive, navigierte Verfahren „Guided endodontics“ zur Erschließung von obliterierten Wurzelkanälen vorgestellt17. Neben der Schonung von Zahnhartsubstanz sind ein geringerer Zeitaufwand und die verringerte Fehlermöglichkeit als Vorteile dieses neuartigen Verfahrens zu benennen6,19.

„Initial preflaring“-Zugang zum Kanalsystem

Ein schwieriger Abschnitt in der Erschließung enger Kanaleingänge ist der Zeitpunkt vom ersten initialen Detektieren des Kanalsystems bis zur Schaffung eines sicheren Zugangs in die mittleren und anschließend apikalen Anteile des Kanalsystems. Dieser Abschnitt wird als „initial preflaring“ bezeichnet.

Wichtige Hilfsmittel sind hierbei die von verschiedenen Herstellern angebotenen Handinstrumente, die unter dem Begriff „Micro opener“ zusammengefasst werden können. Es handelt es sich um Feilen, die an einem langen Griff über eine Angulierung befestigt (zumeist K-Feile) und in unterschiedlichen ISO-Größen verfügbar sind (ca. ISO 10 bis 30). Meist verfügen diese Instrumente über eine größere Koni­zität (ca. 4 Grad) als standarisierte Handinstrumente (Abb. 5).

Beim „initial preflaring“ kommt diesen Feilen eine wichtige Aufgabe zu. Aufgrund einer gewissen Rigidität im Bereich der Spitze des Instruments lassen sie sich nach dem initialen Detektieren eines Kanaleingangs unter leichtem Druck für ca. 3 bis 4 mm in den Kanaleingang einführen. Beim Herausziehen des Instruments wird durch die Konizität der Instrumentenspitze der Kanaleingang initial erweitert. Wird dieser Vorgang mit intermittierenden Spülungen und Reinigung der Spitze des Instruments mehrfach wiederholt, hat der Kanaleingang schon eine leicht divergierende Form. Im nächsten Arbeitsschritt kommen rotierende beziehungsweise reziproke Gleitpfadinstrumente zum Einsatz. Diese werden ebenfalls mit leichtem Druck für ca. 3 bis 4 mm in den bereits initial erweiterten Kanaleingang geführt und wieder herausgezogen. Von großer Bedeutung ist hierbei, dass das Gleitpfadinstrument nicht in den Kanal gepresst, sondern nur mit minimalem Druck in einer pickenden Bewegung „geführt“ wird. Auch ist ein wiederholtes Reinigen der Schneidekanten und Spanräume sowie das Arbeiten im mit Flüssigkeit (am besten Natriumhypochlorit, NaOCl) gefüllten Kanaleingang von immenser Bedeutung. Sind diese Arbeitsschritte erfolgt, können die Kanaleingänge mit größeren Instrumenten erweitert werden.

Enge Kanalsysteme

Die Wurzelkanalanatomie ist in erster Linie genetisch determiniert. Daneben können aber auch externe und interne Stimuli die Wurzelkanalanatomie mit zunehmendem Lebensalter verändern. Bereits Walter Hess, der die Wurzel­kanalanatomien von 6- bis 55-jährigen Europäern studierte, kam zu der Schlussfolgerung, dass die Form und sogar die Anzahl der Wurzelkanäle bei den gleichen Zahngruppen altersabhängig unterschiedlich sein können14. In einer weite­ren Studie konnte gezeigt werden, dass die Kanal­morphologie mesialer Kanäle bei Unterkiefermolaren altersabhängig signifikant unterschiedlich sein kann26. Mit zunehmendem Alter nimmt also das Volumen des Pulpahohlraums und auch der Durchmesser der Wurzelkanäle ab21. Gerade in solchen Fällen gestaltet sich die Erschließung des gesamten Kanalsystems als schwierig und zeitaufwendig. Dieser als „Scouting“ bezeichnete Vorgang sollte bei solch engen Kanalsystemen mit Handfeilen kleiner ISO-Größe (K-Feilen, D-Finder) erfolgen. Bei diesem im apikalen Bereich unter endometrischer Längenkontrolle durchgeführten „Scouting“ kann der Behandler Informationen über die Kanaldurchgängigkeit, eine mögliche Krümmung oder aber Blockaden durch Engstellen gewinnen30. Nach Bestimmung der Arbeitslänge erfolgt bei derart engen Kanälen eine manuelle Aufbereitung mit Handfeilen. Dieser Arbeitsschritt wird als Etablierung eines Gleitpfads bezeichnet. Hierbei konnte in den vergangenen Jahren ein Paradigmenwechsel beobachtet werden. Während früher die manuelle Aufbereitung bis mindestens ISO 20 als ideale Größe betrach­tet wurde24, gilt heute eine Handaufbereitung bis ISO 10 als ausreichend37.

Oftmals gestaltet sich aber gerade diese primäre Etablierung eines Gleitpfads als schwierig. Dafür ist einerseits die Kanalanatomie, andererseits aber auch das Design von Handinstrumenten verantwortlich. Enge Kanalsysteme weisen im koronalen oder aber im mittleren Kanalanteil häufig Engstellen auf, die eventuell durch Apposition von Tertiärdentin entstanden. Auch auf ganz natürliche Weise können solche Engstellen im Kanalsystem auftreten11 (Abb. 6). Bei dem Versuch, die Geometrie enger Wurzelkanäle mithilfe von mathematischen Modellen zu beschreiben, zeigten sich ebenfalls Engstellen im Übergang vom mittleren zum apikalen Drittel7.

Ein zweiter wichtiger Faktor ist das Design der endodontischen Handfeilen. In der ISO-Norm 3630 ist dieses Design näher definiert. So müssen alle Handfeilen über einen 16 mm langes Arbeitsteil mit einem konstanten Taper von 2 Prozent von der Instrumentenspitze bis zum Ende des Arbeitsteils verfügen. Betrachtet man beispielsweise eine ISO-8- Handfeile, beträgt der Durchmesser dieser Feile nach der Hälfte des Arbeitsteils bereits 0,24 mm (ISO 24), am Ende des Arbeitsteils schließlich 0,4 mm (ISO 40). Das bedeutet, dass eine an der Arbeitsspitze sehr grazile Feile bereits ab der Mitte ihres Arbeitsteils über einen nicht zu vernachläs­sigenden Durchmesser verfügt. Kombiniert man diese Tatsache mit der bereits beschriebenen Möglichkeit von ge­ringen Kanaldurchmessern im koronalen und vor allem mittleren Kanalabschnitt, ließe sich daraus ableiten, dass Handfeilen oftmals gerade in diesen Bereichen starke Friktion aufweisen können. Dadurch kann das Vordringen der Feile nach apikal verhindert werden. Wie können diese Engstel­len nun überwunden werden? Wenn die „Scouting“-Feile nicht weiter nach apikal vordringen kann, erfolgt eine Erweiterung der bereits gängigen Kanalabschnitte mit der nächstgrößeren Feile beziehungsweise den zwei darauffolgenden Feilen­größen. Danach wird wieder auf die dünnere „Scouting“-Feile gewechselt und versucht, weiter nach apikal vorzudringen, bis dank endometrischer Kontrolle „Patency“ beziehungsweise Durchgängigkeit erreicht ist. Kombiniert mit dem „coronal preflaring“ handelt es sich bei dieser Technik also um eine Modifikation der klassischen „Crown down“ Technik35.

Ist das Kanalsystem mit einer ISO-10-Handfeile leichtgängig erschlossen, erfolgt der Wechsel zu rotierenden oder reziproken Aufbereitungssystemen in sehr kleinen Größen, die oftmals als „Gleitpfadfeilen“ bezeichnet werden37. Der möglichst frühe Umstieg auf die maschinelle Aufbereitung weist mehrere positive Aspekte auf: Im Vergleich zur Handaufbereitung zeigten sich weniger Aufbereitungsfehler, ein besserer Erhalt des Kanalverlaufs, eine substanzschonendere Aufbereitung sowie eine geringere Aufbereitungszeit13,27.

Kanalsysteme mit starken Krümmungen

Stark gekrümmte Wurzelkanalsysteme sind häufig Ursache für Aufbereitungsfehler. Dadurch kann die Erfolgswahrscheinlichkeit der gesamten Wurzelkanalbehandlung beeinträchtigt werden18. In diesem Zusammenhang ist die Tatsache erwähnenswert, dass 84 Prozent aller Zähne klinisch relevante Wurzelkanalkrümmungen aufweisen39. Häufig wird für ihre Beschreibung nur der Krümmungswinkel verwen­det31. Hierbei bleibt aber ein weiterer wichtiger Parameter – der Krümmungsradius – unberücksichtigt. Ein geringerer Krümmungsradius kann bei gleichem Krümmungswinkel den Schwierigkeitsgrad der Aufbereitung beträchtlich erhöhen29,32 (Abb. 7). Je geringer der Krümmungsradius, umso abrupter erfolgt also die Änderung des Krümmungswinkels. Bei geringerem Krümmungsradius erhöht sich also auch die Belastung, die auf Hand- und Rotations­feilen ausgeübt wird.

Einmal mehr hat die korrekte Gestaltung der Zugangskavität und ein gutes „initial preflaring“ eine sehr große Bedeu­tung für alle folgenden Arbeitsschritte. So führt das korrekte „Preflaring“ der Wurzelkanaleingänge zu einer besseren Zentrierung der Wurzelkanalinstrumente im apikalen Kanaldrittel23. Nachdem – wie bereits oben beschrieben – die initiale Arbeitslänge bestimmt und bestenfalls Durchgängigkeit und ein manueller Gleitpfad präpariert werden konnten, erfolgt die weitere Aufbereitung mit maschinellen Feilensystemen.

Generell sollten im Zusammenhang mit der Verwendung von Nickel-Titan (NiTi)-Feilen spezielle Torque-kontrollierte Endomotoren und Handstücke verwendet werden, da sie eine hohe Sicherheit vor Feilenfrakturen bieten2. Natürlich kommt auch der Auswahl der zur Aufbereitung verwendeten maschinellen Feilen eine große Bedeutung zu. So sollten Feilen in engen und gekrümmten Kanälen über ein hohes Maß an Flexibilität und Sicherheit vor Feilenfrakturen verfügen.
Welche Parameter beeinflussen nun die Flexibilität und Sicherheit rotierender oder aber reziprok arbeitender Feilen? Grundsätzlich haben folgende Parameter Einfluss auf die Flexibilität von NiTi-Feilen23:

  • Feilengröße,
  • Querschnitt der Feile,
  • Konizität beziehungsweise Taper der Feile,
  • metallurgische Eigenschaften,
  • eine hohe Resistenz gegenüber zyklischer Ermüdung.

So wird die Flexibilität einerseits durch den Feilendurchmesser, andererseits durch das Querschnittsdesign der Feile beeinflusst40. Ein größerer Durchmesser führt zu verringerter Flexibilität der Feile22. Abgeflachte Seitenflächen bedingen einen kleineren Kerndurchmesser, eine geringere Querschnittsfläche und damit eine höhere Flexibilität15. Mathe­matisch gesehen, haben bestimmte Querschnitte wie dreieckige oder länglich rechteckige Designs eine geringere Querschnittsfläche, was zu einer erhöhten Flexibilität führt12.

Ebenso wird die Flexibilität und der Widerstand gegen zyklische Ermüdung ganz maßgeblich vom Taper einer Feile bestimmt. Ein kleinerer Feilendurchmesser und ge­ringerer Taper führen somit zu größerer Flexibilität und verbes­sertem Widerstand gegen zyklische Ermüdung36. So beschrieb eine erst kürzlich publizierte Studie signifikant bessere Werte hinsichtlich der zyklischen Ermüdung für Feilen mit 4 Prozent Taper verglichen mit Feilen von 6 Prozent Taper, wobei beide Feilen über identisches Design und dieselbe Wärmebehandlung verfügten25.

Auch der Herstellungsprozess sowie eine möglich anschließende Wärmebehandlung können Einfluss auf wichtige Feilenparameter haben. So führt beispielsweise die „Electrical discharge machining“ (EDM)-Technik zu verbesserten Oberflächeneigenschaften28. Aber auch die Wärmebehandlung selbst kann die Eigenschaften endodontischer Feilen entscheidend verbessern. Generell weisen wärmebehandelte NiTi-Feilen eine höhere Flexibilität gegenüber nichtwärmebehandelten NiTi-Feilen auf41. Über eine Nachbehandlung der Feilen kann die Mikrostruktur der Legierungen verändert werden, was letztendlich wiederum die Flexibilität der Feilen beeinflussen kann20. So führte die Erwärmung auf 600 Grad Celsius für 1 Stunde bei gleichem Ausgangsmaterial zu völlig anderen Mikrostrukturen verglichen mit einer Erwärmung auf 290 bzw. 350 Grad Celsius für jeweils 30 Minuten (Abb. 8). Eine Nachbehandlung modifiziert die kristalline Struktur der Feile und verbessert damit ihre Flexibilität1 (Abb. 9).

Aus diesen Überlegungen ergeben sich einige Anforderungen, die eine Feile für den Einsatz in engen gekrümmten Kanalsystemen erfüllen sollte:

  • einen geringen Taper,
  • einen kleinen Durchmesser,
  • eine modifizierte Querschnittsfläche,
  • eine wärmebehandelte, sehr flexible Legierung,
  • eine hohe Resistenz gegenüber zyklischer Ermüdung.

Bei der Auswahl des Feilensystems sollten also entsprechend der anatomischen Situation die dafür erforderlichen Feilensysteme ausgewählt werden, um die Therapie sicher und vorhersehbar zu gestalten. (Abb. 10)

Zusammenfassung

Die möglichst vollständige Entfernung von infiziertem Pulpa­gewebe, Bakterien und infizierter Zahnhartsubstanz sind die wichtigsten Ziele jeder endodontischen Therapie. Dabei sind die mechanische Erweiterung der Wurzelkanäle und deren Desinfektion mit Spüllösungen von enormer Bedeutung.

Anatomisch komplexe Kanalsysteme sind immer eine Herausforderung. Die präzise Gestaltung der endodontischen Zugangskavität erleichtert die nachfolgenden Behand­lungsschritte. Bei sehr engen oder engen und gekrümm­ten Kanalsystemen ist eine initiale Handauf­bereitung zur Schaffung eines Gleitpfads sinnvoll. An­schließend sollte der Kanal mit rotierenden beziehungsweise reziproken Feilensystemen präpariert werden. Hierbei macht es Sinn, die Auswahl der Feilen der Anatomie des ursprüng­lichen Kanalverlaufs anzu­passen. Für stark gekrümmte Kanal­systeme sind wärme­behandelte, flexible Feilen­systeme mit einem geringen Taper zu empfehlen.

Ein Beitrag von Dr. Ralf Schlichting, Passau

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Reference: Zahnmedizin

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