Die Entwicklungen und Fortschritte in vielen, die Zahnmedizin berührenden und beeinflussenden Bereichen erfuhren durch Covid eine Zäsur und einen Impuls zugleich. Systemrelevanz war auf einmal eine wichtige Eigenschaft und die Zahnmedizin erhielt durch sie einen neuen Stellenwert in der Medizin, Politik und Gesellschaft. Hinzu kommen weitere Trends von Demografie und Digitalisierung, Feminisierung und KI sowie eine Dynamik im Praxisalltag, die von Prof. Roland Frankenberger während seiner DGZMK-Präsidentschaft 2020 auf den Punkt gebracht wurde: „In dieser Dekade wird sich in der Zahnmedizin mehr verändern als in den 30 Jahren zuvor“.
Daher war für Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft, Berufspolitik und Praxis der Zeitpunkt gekommen, ein Impulspapier Orale Medizin zu initiieren, um damit eine Diskussion im Berufsstand zur Zukunft der Zahnmedizin auf dem Weg zur Oralmedizin anzustoßen. Alle gemeinsam wollen verschiedene Aspekte zu dieser Thematik mit ihrer jeweiligen Expertise beleuchten: Da ist das orale System als wichtige Verteidigungslinie unseres gesamten Immunsystems mit der erstaunlichen Fähigkeit, bakterielle Etablierungsversuche sowohl abzuwehren als auch zu tolerieren – sonst gäbe es kein orales Mikrobiom.
Da ist der demografische Wandel der Gesellschaft und die damit verbundene Multimorbidität und Multimedikation der Patientinnen und Patienten, die interdisziplinäres oralmedizinisches Verständnis fordert sowie der Fakt, dass 15 Prozent aller seltenen Erkrankungen sich im oralen System manifestieren.
„Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“
(Molière)
Das Zitat von Molière bringt auf den Punkt, weshalb die Definition der Zahnmedizin auf dem Weg zur Oralen Medizin in Wissenschaft, Lehre, Klinik und Praxis erweitert werden sollte, um damit die Bedeutung des oralen Systems für die Allgemeingesundheit der Patienten zum Ausdruck zu bringen. Die Beteiligten dieses Impulspapiers sind sich einig, dass sich das bestehende zahnmedizinische Behandlungsspektrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde immer mehr interdisziplinär ausrichten wird.
Prof. Dominik Groß ordnet die Orale Medizin historisch-ethisch ein. Aus Sicht der Universität definieren Prof. Roland Frankenberger und Prof. Diana Wolff die Zahnmedizin und formulieren Forderungen an die Politik, wie die universitäre Ausbildung anzupassen ist. Prof. Henrik Dommisch legt die Sicht der Wissenschaft offen, Martin Hendges vertritt die gesundheitspolitischen Aspekte und Prof. Christoph Benz die berufspolitischen Eckpunkte. Die demografischen Rahmenbedingungen heute und in Zukunft bringt Dr. Markus Tröltzsch ein, Prof. Nele Wicking veranschaulicht die Sicht der Professionsforschung. Im Epilog werden die wichtigsten Punkte noch einmal verdichtet.
Das Impulspapier wird in gedruckter Form den „zm – Zahnärztliche Mitteilungen“ vom 1. April 2024 beigelegt und kann außerdem online kostenfrei auf der Website des Quintessenz Verlags gelesen beziehungsweise heruntergeladen werden.