0,00 €
Zum Warenkorb
  • Quintessence Publishing Deutschland
Filter
4018 Views

Embryonale Schneidezahnzellen können Druck „spüren“ und organisieren sich dadurch

Zahnepithel (Zelloberfläche, gelb) und Mesenchym (Zelloberfläche, magenta). Proliferierende Zellen (cyan) dehnen das Gewebe aus und erzeugen einen mechanischen Druck in der Mitte des Gewebes. Dieser treibt die Bildung des zentralen Signalzentrums des Zahns voran, dem Organisator, der Schmelzknospe

(c) Neha Pincha Shroff & Pengfei Xu

Ein Forschungsteam des Exzellenzclusters Physics of Life der TU Dresden, der Universität Kalifornien und des Cedars-Sinai Guerin Children’s Los Angeles veröffentlicht in Nature Cell Biology bisher ungeklärte Mechanismen darüber, wie ein Embryo seine Zellen während des Zahnwachstums organisiert. Der Aufbau von Geweben und Organen während der Embryonalentwicklung wird von den Zellen bemerkenswert choreografiert. Für diesen Prozess braucht es spezielle sogenannte „Organisatoren“ – bisher war unklar, wie der Embryo diese Organisatoren bildet. In einer aktuellen Veröffentlichung in dem renommierten Fachjournal Nature Cell Biology berichten Forscher:innen des Exzellenzclusters Physics of Life (PoL – Physik des Lebens) der Technischen Universität Dresden (TUD), der University of California in Santa Barbara (UCSB) und San Francisco (UCSF) sowie des Cedars-Sinai Guerin Children's in Los Angeles, durch welchen Vorgang diese Organisatoren im Gewebe entstehen und wie sie dann die Bildung von Zähnen orchestrieren.

Funktion von Signalzentren erforscht

Um uns in neuen Umgebungen wie komplexen Städten zurechtzufinden, sind wir auf Hilfsmittel wie Karten auf unseren Mobiltelefonen oder markante Wahrzeichen vor Ort angewiesen. Die Zellen in unserem Körper stehen vor einem ähnlichen Problem, wenn sie während der Embryogenese unsere Organe aufbauen: Sie brauchen Orientierung, wohin sie gehen und wie sie sich verhalten sollen. In einem Embryo existieren dafür an einigen Stellen Organisatoren – spezielle Zellverbände – die Signale senden und anderen Zellen helfen, sich beim Organaufbau zu orientieren.

Ein Ort mit Organisator-Zellen ist eine Art Signalzentrum und verschickt die Signale in Form von Molekülen. Die Zellen in der Umgebung empfangen je nach Standort stärkere oder schwächere Signale und reagieren dementsprechend, indem sie sich bewegen beziehungsweise wie sie sich entwickeln. Aber nicht nur die Signale, auch die Verteilung der „Signalzentren“ ist für die Zellen ausschlaggebend – ähnlich wie Handymasten für den Telefonempfang. Kommt es im Embryo zu Fehlern bei der Platzierung der Organisatoren im Gewebe, ist der Empfang weg und die Zellen verlieren ihre Navigationsbefehle. Das führt zu teils tödlichen Fehlbildungen. Die Bedeutung dieser Signalzentren war seit langem bekannt, aber wie sie entstehen, blieb bislang fraglich.

Neue Methodik macht Entstehung von Organisatoren sichtbar

Das Forschungsteam um Prof. Otger Campàs (TUD und UCSB) und Prof. Ophir Klein (Cedars-Sinai Guerin Children's und UCSF) fand heraus, dass der Druck im Inneren des wachsenden Gewebes bestimmt, wo das Signalzentrum entstehen wird. „Am Exzellenzcluster PoL haben wir die Mikrotröpfchen-Technik entwickelt: Ein Tröpfchen wird in eine wachsende Zelle eingesetzt. Der zunehmende Druck in der Zelle verformt das Tröpfchen andauernd. Das enthüllt unsichtbare Prozesse in der Zelle“, beschreibt Prof. Otger Campàs, geschäftsführender Direktor und Lehrstuhlinhaber für Gewebedynamik sowie Mitverfasser der Studie.

Wie Menschen, die in einen Raum drängen, beginnen die Zellen, den Druck der anderen während der permanenten Zellteilung zu „spüren“ – es wird eng. Zellen, in deren Umgebung ein besonders starker Druck entsteht, hören auf, sich zu teilen. Stattdessen beginnen sie, Signale zu senden und die anderen Zellen zu koordinieren. Sie wurden buchstäblich unter Druck gesetzt, Organisatoren zu werden.

„Mit der Mikrotröpfchen-Technik haben wir entdeckt, wie sich der Aufbau von mechanischem Druck auf die Organbildung auswirkt“, ergänzt Campàs. „Es ist besonders aufregend, dass gerade Druck eine Rolle bei der Bildung von Signalzentren spielt, weil wir den Druck in Zellen im Exzellenzcluster erforschen. Daher sind wir gespannt, ob oder wie mechanischer Druck andere wichtige Entwicklungsprozesse beeinflusst.“

Unter Druck entsteht Organisation

Die Studie, die am 3. April 2024 in Nature Cell Biology veröffentlicht wurde, zeigt, dass embryonale Schneidezahnzellen beim Wachstum den steigenden Druck spüren und diese Information nutzen, um sich zu organisieren. „Im Schneidezahnknoten vermehren sich die Zellen auf engem Raum“, beschreibt Dr. Neha Pincha Shroff, Postdoktorandin an der School of Dentistry der UCSF und Mitautorin der Studie. „Dadurch wird ein Druck in der Mitte aufgebaut, der sich dann zu einem Cluster spezialisierter Zellen entwickelt – dem Organisatorbereich.“ Embryonen nutzen mehrere dieser Organisatoren beziehungsweise Signalzellen, um andere Zellen bei der Bildung von Geweben und Organen zu steuern. Für den Aufbau von Organen sind genaue Planung, viel Koordination und die richtige Strukturmechanik essenziell. Wenn einer dieser Prozesse versagt, kann das katastrophale Folgen haben und beim Heranwachsen im Mutterleib schädlich sein.

Originalveröffentlichung: 
Neha Pincha Shroff, Pengfei Xu, Sangwoo Kim, Elijah R. Shelton, Ben J. Gross, Yucen Liu, Carlos O. Gomez, Qianlin Ye, Tingsheng Yu Drennon, Jimmy K. Hu, Jeremy B. A. Green, Otger Campàs, Ophir D. Klein (2024): Proliferation-driven mechanical compression induces signalling centre formation during mammalian organ development. DOI: 10.1038/s41556-024-01380-4 

„Unsere Arbeit zeigt, dass sowohl der mechanische Druck als auch die molekulare Signalübertragung bei der Organentwicklung eine Rolle spielen“, fasst Prof. Ophir Klein zusammen, Mitautor der Studie, geschäftsführender Direktor des Cedars-Sinai Guerin Children's in Los Angeles. „Wenn wir verstehen, wie ein Embryo Organe bildet, können wir hinterfragen, was bei Kindern mit angeborenen Fehlbildungen schief ging", meint Prof. Klein. „Daraus könnten weitere Forschungen darüber folgen, wie Geburtsfehler entstehen und verhindert werden können.“

Reference: Zahnmedizin Chirurgie Interdisziplinär

AdBlocker active! Please take a moment ...

Our systems reports that you are using an active AdBlocker software, which blocks all page content to be loaded.

Fair is fair: Our industry partners provide a major input to the development of this news site with their advertisements. You will find a clear number of these ads at the homepage and on the single article pages.

Please put www.quintessence-publishing.com on your „adblocker whitelist“ or deactivate your ad blocker software. Thanks.

More news

  
27. Nov 2024

Millionenförderung: Individueller 3D-Druck für Patienten in der MKG-Chirurgie

Projekt der Uni Heidelberg gehört zum Aufbau von Industrie-in-Klinik-Plattformen zur Entwicklung innovativer Medizinprodukte
27. Nov 2024

Die Zukunft der Aligner-Kieferorthopädie auf Rhodos diskutieren

Erleben Sie den 6. Kongress der European Aligner Society (EAS) in historischer Umgebung
26. Nov 2024

Neue S3-Leitlinie „Intensivmedizin nach Polytrauma“

Jeder vierte Schwerstverletzte erleidet eine Gesichtsverletzung – MKG-Chirurgen in Primärversorgung gefragt
25. Nov 2024

Mikrochirurgischer Zugangslappen mit intraoperativer Behandlung einer Wurzelresorption in der Oberkieferfront

Fallbeispiele aus dem neuen Buch von Dr. Otto Zuhr und Prof. Dr. Marc Hürzeler „Entscheidungsfindung im Spannungsfeld von Parodontologie und Implantattherapie“ (Teil 1)
22. Nov 2024

Prof. Gerhard Schmalz ist Brandenburgs erster Zahnmedizin-Professor

Aus Leipzig an die MHB Theodor Fontane gewechselt – der Region schon länger verbunden
22. Nov 2024

Neuer Name, bewährte Qualität

Coltene: Roeko Flexi Dam wird Teil der HySolate-Produktfamilie – künftig auch in Grün erhältlich
21. Nov 2024

Der Beginn der „stillen Revolution“ in der Zahnheilkunde

Das Cerec-System: Von der Inlay-Maschine zur Netzwerk-Instanz (1) – Prof. em. Dr. Dr. Werner Mörmann skizzierte Status und Zukunft
19. Nov 2024

Neuartige Kariostatika für langfristigen Zahnerhalt

Millerpreis für herausragende Forschung in der Zahnmedizin geht nach Regensburg