„Neue Bürsten putzen gut“, könnte man salopp zum Vortrag von Prof. Dr. Falk Schwendicke, seit Anfang des Jahres Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie am LMU Klinikum, sagen. Seine Antrittsvorlesung am 4. November 2024 im großen Hörsaal der LMU-Zahnklinik, organisiert vom Ärztlichen Verein München e.V., bot spannende Perspektiven, kritische Anmerkungen und Beschreibungen eindrucksvoller Entwicklungen in der Zahnmedizin.
Eingeleitet wurde der Abend von Prof. Dr. Wolfgang Locher, Generalsekretär des Vereins. Es folgten Grußworte von Prof. Dr. Reinhard Hickel, dem Vorgänger von Falk Schwendicke auf dem Lehrstuhl für Zahnerhaltung und Parodontologie, sowie Prof. Dr. Sebastian Paris, Leiter der Abteilung für Zahnerhaltung und Präventivmedizin der Charité und Schwendickes vormaligem Chef in Berlin. Die Vorstellung des neuen Ordinarius übernahm schließlich der Dekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Dr. Thomas Gudermann.
Koppelung mit weiteren medizinischen Disziplinen
Falk Schwendicke, der sich unter anderem als KI-Experte in der Zahnmedizin einen Namen gemacht hat, legte dar, dass die zahnmedizinische Versorgung in einem komplexen Gefüge aus sozialem Umfeld, physischer Umgebung und politischen Rahmenbedingungen stattfindet. In der Praxis – beziehungsweise der Klinik – bedeutet das: Die Zahnmedizin sollte stärker mit weiteren Disziplinen verkoppelt werden, denn oftmals beeinflussen gemeinsame Risikofaktoren Zahn- und Allgemeinerkrankungen gleichermaßen – und eine Zahnbehandlung könnte teilweise sogar die Therapie von anderen Erkrankungen wie dem Diabetes unterstützen. Und natürlich spielen soziale Faktoren eine zentrale Rolle. „Wer alt und gebrechlich, sozial schwach und weniger gebildet ist oder einer Minderheit angehört, unterliegt einem höheren Risiko, die zahnmedizinischen Leistungen nicht in Anspruch zu nehmen“, sagte Schwendicke. Daher begrüße er es ganz besonders, dass unter seinem Vorgänger bereits eine wegweisende Ambulanz für die Versorgung von Menschen mit Unterstützungsbedarf eingerichtet worden ist. Darauf aufbauend ließe sich künftig eine aufsuchende Versorgung mit Fokus auf vulnerable Gruppen etablieren.
Blick auf alternde Gesellschaft
Denn, so Schwendicke weiter, die alternde Gesellschaft werde die Behandlungsnotwendigkeiten bestimmen. Dafür brauche es neue Versorgungsmodelle, mehr Public Health – und eben aufsuchende Versorgung. „Und es werden, trotz aller Fortschritte und künstlicher Intelligenz, nicht weniger, sondern mehr Zahnärzte benötigt, wenn diese umfassende Gesundheitsfürsorge für alle Menschen greifen soll“, zeigte sich Schwendicke überzeugt. „Zwar gibt es dank einer besseren Zahngesundheit heute immer weniger Bedarf an Totalprothesen, Extraktionen oder Füllungen bei Kindern und Jugendlichen – aber durch die demographische Entwicklung kumulieren die Erkrankungen in einer späteren Lebensphase – und dafür braucht es Lösungen.“
Gewicht auf Prävention in jedem Alter
Die bestünden nicht allein in der weiteren technologischen Entwicklung oder mehr zahnmedizinischer Forschung – sondern auch mehr Prävention in allen Altersgruppen. „Ein Modell könnte ein Oral Health Manager sein, der lebenslang für unterstützende zahnerhaltende Therapien sorgt“, sagte Falk Schwendicke. Und: „Wir brauchen auch eine moderne Lehre, die neue Versorgungsformen berücksichtigt“. Zu „seinem“ Thema KI fordert Prof. Schwendicke: „Wir brauchen einen kritischen Umgang mit diesen neuen Technologien – es braucht Standards und mehr Forschung zu dem praktischen Impact und den Risiken!“