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Geeignetes Vorgehen, Anforderungen und Erfahrungen in der Praxis

Die Sedierung mit Midazolam ist neben der Lachgasanalgesie und der Narkosebehandlung ein weiterer Weg, die Kooperation und damit die Behandlungsfähigkeit von Kindern positiv zu beeinflussen. In Deutschland wenig angewendet, bietet das Vorgehen insbesondere bei jungen Patienten Möglichkeiten zur Ausweitung der Therapieoptionen bei gleichzeitigem Verzicht auf die kostenintensive Allgemeinanästhesie. Der folgende Beitrag beschreibt den Einsatz der Technik in der täglichen Praxis und nimmt eine kritische Bewertung vor.

Langjährige Erfahrungen haben gezeigt, dass die orale Anwendung von Midazolam in niedriger Dosierung (0,4 mg/kg Körpergewicht) auch ohne Anästhesisten in der zahnärztlichen Praxis ein sicheres Verfahren ist. Patienten, bei denen eine Midazolamsedierung erfolgt, müssen vom Beginn der Gabe bis zum Abklingen der Sedierung überwacht werden. Das Monitoring schließt dabei die kontinuierliche Kontrolle der Sauerstoffsättigung ein. Zudem muss das Praxisteam in der Lage sein, bei unerwünschten Ereignissen beziehungsweise in Notfallsituationen adäquat zu handeln.

Die „Quintessenz Zahnmedizin“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wurde 2019 wie der Verlag selbst 70 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit zwölf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.

Einführung

Bei Kindern ist das zahnärztliche Team regelmäßig mit Behandlungssituationen konfrontiert, in denen der Therapiebedarf die Kooperationsfähigkeit der Patienten übersteigt. Insbesondere in den Altersgruppen der Klein- und Vorschulkinder sind der kindlichen Kooperationsfähigkeit enge Grenzen gesetzt. Das Problem lässt sich mit den bekannten Maßnahmen der Verhaltensführung, zum Beispiel der Tell-Show-Do-Methode, zwar positiv beeinflussen, aber nicht immer umfassend lösen21. Vor diesem Hintergrund nehmen die Verfahren der Sedierung einen hohen Stellenwert in der Kinderzahnmedizin ein.

In der zahnärztlichen Praxis haben vor allem zwei Sedierungsarten Bedeutung erlangt: die Sedierung mit Lachgas und die mit Midazolam. Lachgas wird wegen der erforderlichen Nasenatmung besonders bei Kindern nach dem vierten, mehrheitlich jedoch erst ab dem sechsten Lebensjahr angewendet. Demgegenüber ist Midazolam auch bei kleineren und ängstlichen Kindern indiziert und lässt sich erfolgreich ab dem dritten Lebensjahr einsetzen. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Sedativa beziehungsweiseAnästhetika, die in unterschiedlichen Kombinationen verwendet werden können, zum Beispiel Ketamin, Su­fentanil, Dexmedetomidin oder Clonidin. Diese gehören jedoch in die Hand eines Anästhesisten11, eignen sich daher nicht für eine Sedierung durch das zahnärztliche Team und sollen deshalb auch nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein.

Bei allen Sedierungsformen haben zusätzliche Impulse durch Verhaltensführung oder Hypnose immer einen positiven Einfluss auf den Behandlungsverlauf12,20,22 und sind aus dem Alltag einer kinderzahnärztlichen Praxis nicht wegzudenken. Ziel dieses Beitrags ist es, die Sedierung mit Hilfe von Midazolam einerseits einer systematischen Betrachtung zu unterziehen und andererseits bewährte praktische Vorgehensweisen zu beschreiben.

Midazolam als Sedativum

Die Anforderungen an ein Sedativum können aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden. Aus Sicht des Kindes wäre zu formulieren, dass

  • die Darreichungsform – zum Beispiel als Saft oder Suspension – eine problemlose Einnahme und eine optimale Dosierung erlaubt,
  • der Geschmack akzeptabel ist,
  • ein schneller Wirkungseintritt erfolgt und
  • die erwünschten sedierenden beziehungsweise anxiolytischen Effekte nach Beendigung der zahnärztlichen Behandlung rasch reversibel sind.

Hinzu kommt die Perspektive der Eltern, die sich wünschen, dass

  • die Angst ihrer Kinder auf Dauer verringert wird,
  • der Wirkstoff keine unerwünschten Neben- oder Wechselwirkungen aufweist,
  • Gewöhnungseffekte ausbleiben und
  • die Behandlung kostengünstig ist.

Neben den genannten Punkten ergänzen die Ansprüche des Zahnarztes das Anforderungsprofil:

  • Die erforderliche Sedierungstiefe und -länge sollte rasch und vorhersagbar eintreten,
  • die Applikation einfach vornehmbar sein und
  • die Sedierung auch ohne Anästhesist sicher durchgeführt werden können.

Eine größtmögliche Sicherheit für den Patienten muss in diesem Zusammenhang oberste Voraussetzung bleiben, doch wäre jede vertretbare Maßnahme zur Vermeidung einer Narkosebehandlung gerade bei geringerem Therapiebedarf auch ein erheblicher Beitrag zur Entlastung der Kostenträger. Außerdem würde die Verfügbarkeit eines Antidots den Umgang mit unerwünschten Effekten erleichtern.

Zu den wesentlichen Eigenschaften von Midazolam (Dormicum, Fa. Roche Pharma, Grenzach-Wyhlen, oder Midazolam-ratiopharm, Fa. Ratiopharm, Ulm) gehört, dass es neben einer Anxiolyse auch zu einer anterograden Amnesie führt und eine zentral muskelrelaxierende Wirkung hat17. Die Verabreichung kann parenteral, intravenös, nasal oder oral erfolgen. Der Zahnarzt wird in der Regel die orale und eventuell die nasale Verabreichungsform wählen, da bei beiden das Prozedere vergleichsweise einfach und zudem eine gute Dosierungsmöglichkeit gegeben ist. Die nasale Gabe wurde in der Vergangenheit kritisch diskutiert, weil Patienten die Applikation im Bereich der Nasenschleimhaut als schmerzhaft empfanden. Hier konnte jüngst durch günstigere Dosiervorrichtungen eine Verbesserung erreicht werden. Die intravenöse Applikation ist nur für Ärzte zugelassen, stellt allerdings auch die einzige Anwendungsform dar, bei der eine Titrierung möglich ist.

Pharmakokinetik von Midazolam

Die Dosierung für die orale Gabe von Midazolam wird in der Literatur mit 0,25 bis 1,0 mg/kg Körpergewicht angegeben. Da mit einer höheren Dosierung die Häufigkeit unerwünschter Nebenwirkungen zunimmt, sollte grundsätzlich versucht werden, mit der niedrigstmöglichen Dosierung den gewünschten Sedierungseffekt zu erreichen6,8,18. In der Praxis der Autoren hat sich eine Dosierung von 0,4 mg/kg Körpergewicht sehr bewährt, aber auch Dosierungen von 0,3 und 0,5 mg/kg Körpergewicht weisen eine gute Wirkung und ein niedriges Nebenwirkungsrisiko auf. Höhere Dosierungen sollten nur bei Anwesenheit eines Anästhesisten erfolgen.

Midazolam zeigt nach durchschnittlich 34 Minuten einen vollständigen Eintritt des sedierenden Effekts5. Aus praktischer Sicht hat es sich als günstig erwiesen, die Behandlung 20 bis 25 Minuten nach der Gabe zu beginnen und eine Gesamtbehandlungsdauer von höchstens 20 Minuten anzustreben5. Im Fall von schmerzhaften Eingriffen ist die zusätzliche Gabe eines Lokalanästhetikums notwendig.

Als häufigste Nebenwirkungen werden mit 3,8 Prozent bezogen auf die Gesamtheit der durchgeführten Sedierungen Übelkeit, Erbrechen und paradoxe Reaktionen genannt. Schwere Nebenwirkungen wie Atemdepression, Atemfunktionsstörung, Atemstillstand oder Kehlkopfkrampf bzw. Laryngospasmus treten selten auf15. Als Antidot steht Flumazenil (Anexate, Fa. Roche Pharma) zur Aufhebung der durch Benzodiazepin herbeigeführten Sedierung zur Verfügung. Bei Kindern, die älter als ein Jahr sind, beträgt die empfohlene Initialdosis 0,01 mg/kg Körpergewicht (bis zu 0,2 mg/kg Körpergewicht möglich), welche über 15 Sekunden langsam intravenös verabreicht wird. Wenn sich der gewünschte Bewusstseinsgrad nicht innerhalb von 45 Sekunden einstellt, kann eine weitere Injektion von 0,01 mg/kg Körpergewicht (bis zu 0,2 mg/kg Körpergewicht möglich) erfolgen und im Bedarfsfall in 60-Sekunden-Intervallen wiederholt werden (bis zu einem Maximum von vier zusätzlichen Applikationen). Allerdings ist bei der Gabe die Maximaldosis zu berücksichtigen, welche herstellerabhängig bei 0,05 mg/kg Körpergewicht (Anexate) beziehungsweise 1 mg Gesamtdosis (Anexate) liegt. Die Verabreichung sollte jedoch nur in lebensbedrohlichen Notfällen durch den Zahnarzt erfolgen, da auch dieses Medikament zu Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Sehstörungen, Übelkeit und Erbrechen führen kann.

Indikationen und Kontraindikationen

Der Gesundheitscheck für die Sedierung findet im Rahmen des obligatorischen präoperativen Anamnese- und Aufklärungsgesprächs statt, welches anschließend schriftlich zu dokumentieren ist und dem die Betroffenen nach ausreichender Bedenkzeit in Schriftform zustimmen. Im Fall unklarer allgemeinmedizinischer Befunde sollte eine Untersuchung durch den und/oder eine Rücksprache mit dem behandelnden Kinderarzt erfolgen. In der Praxis ist eine Behandlung mit Midazolam unter folgenden Voraussetzungen möglich:

  • Die Kinder sollten allgemeinmedizinisch weitgehend gesund sein (ASA-Klassen I und II, also maximal leichte Allgemeinerkrankungen).
  • Die Patienten sollten ein Mindestalter von 2, besser von 3 Jahren aufweisen.
  • Es sollte ein begrenzter Behandlungsumfang mit höchstens zwei bis drei Sitzungen vorliegen.
  • Die Kinder dürfen durchaus ängstlich sein, sollten aber eine noch ausreichende Kooperation zeigen.

Kontraindikationen bestehen bei Kindern mit schwerwiegenden Allgemeinerkrankungen (ASA-Klasse ≥ III), Atemwegsobstruktionen, Übergewicht oder einem Körpergewicht unter 10 kg. Außerdem hat es sich als weitgehend unmöglich erwiesen, unkooperative Kinder oder solche mit einem besonders großen Behandlungsumfang auf diese Weise zu sedieren. Hier stellt die Zahnsanierung in Allgemeinanästhesie das Vorgehen der Wahl dar.

Räumliche, personelle, apparative und klinisch-praktische Anforderungen

In Deutschland gibt es bislang keine Empfehlungen oder Leitlinien zur zahnärztlichen Behandlung von Kindern mit einer Midazolamsedierung. Demgegenüber haben sowohl die European Academy of Paediatric Dentistry6 als auch die American Academy of Paediatric Dentistry2 Empfehlungen zur zahnärztlichen Sedierung erarbeitet. Als wesentlicher Vorteil der Midazolamsedierung gilt der für die Durchführung im zahnärztlichen Umfeld erforderliche moderate apparative Aufwand. Die Verwendung eines Pulsoximeters ist hierbei jedoch obligatorisch. Mit diesem Gerät wird mittels eines optischen Mess­prinzips die Sauerstoffsättigung des kapillaren Blutes, der sogenannte SpO2-Wert bestimmt. Zusätzlich zeigt das Pulsoximeter die Pulsfrequenz an. Die Messung wird nicht invasiv an der Fingerspitze durchgeführt. Die optimale Sauerstoffsättigung des Bluts beträgt zwischen 95 und 98 Prozent. Um bei einem Abfall der Sauerstoffsättigung adäquat reagieren zu können, ist als eine weitere Voraussetzung die Verfügbarkeit von Sauerstoff im Behandlungsbereich zu nennen.

Aus architektonischer Sicht bedarf es eines separaten Aufwachraums, da die Wirkung von Midazolam nach der Behandlung – anders als bei der Lachgassedierung – nicht sofort beendet ist. Darüber hinaus muss in dieser postoperativen Phase das O2-Monitoring fortgesetzt werden können. Der Aufwachraum sollte zudem für das Praxispersonal immer gut einsehbar und erreichbar sein sowie zumindest einer Begleitpersonen Platz bieten.

Um während der Behandlung ein zuverlässiges Monitoring der Vitalfunktionen – Sauerstoffsättigung und Atmung – zu gewährleisten, ist eine zweite Assistenz empfehlenswert. Außerdem muss das zahnärztliche Team über profunde theoretische und praktische Basiskenntnisse der Reanimation verfügen und diese in regelmäßigen Abständen auffrischen.

Praktische Aspekte der Sedierung

Am Behandlungstag muss das Kind infektfrei und nüchtern sein, was im Rahmen des Elterngesprächs (Abb. 1) und der körperlichen Untersuchung verifiziert wird. Das aktuelle Gewicht ist zu bestimmen, um die exakte Dosierung des Medikaments festzulegen. In der Praxis der Autoren beträgt die gewählte Dosierung 0,4 mg/kg Körpergewicht. Dies entspricht einer geringen bis mittleren Dosis, bei der eine Anxiolyse und eine anterograde Amnesie vorhersagbar eintreten. Unerwünschte Nebenwirkungen sind bei dieser Dosierung selten4, womit sich eine sichere Anwendung ergibt. Vor der Einnahme des Medikaments durch das Kind (Abb. 2a) sollte die Messung von Puls und Sauerstoffsättigung erfolgen, um Referenzwerte zu erhalten (Abb. 2b).

Da der Midazolamsaft bitter schmeckt7, werden unterschiedliche Geschmacksrichtungen angeboten (zum BeispielMidazolam-ratiopharm). Die Auswahl des Lieblingsgeschmacks durch das Kind wird hier immer als positiv empfunden. Sollte der Saft einmal nicht komplett getrunken oder wieder ausgespuckt werden, darf auf keinen Fall eine Nachdosierung erfolgen, da die verabreichte Gesamtdosis als nicht kalkulierbar gilt und das Risiko für eine tiefe Sedierung überproportional zunimmt. Erfahrungsgemäß wurde in solchen Fällen eine relevante Menge Midazolam über die Mundschleimhaut aufgenommen, gerade wenn der Saft einige Sekunden im Mund verblieben ist. Oft kann die geplante Behandlung aber trotzdem durchgeführt werden. Sollte dies nicht möglich sein, wird ein neuer Termin vereinbart, oder es werden Therapiealternativen diskutiert.

Nach etwa 20 bis 25 Minuten beginnt die zahnärztliche Behandlung, die immer unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Kindes erfolgt (Abb. 3a bis d). Es sollte möglichst ein Quadrant in einer Sitzung saniert werden. Zudem hat sich die Anwendung von Kofferdam bewährt. Während der Behandlung überwacht grundsätzlich eine zweite Assistenz Puls und Sauerstoffsättigung.

Im Verlauf des Aufwachprozesses ist oftmals Unruhe bei den Kindern zu beobachten, da die sedierende Wirkung des Midazolams nachlässt und es dem Patienten parallel dazu noch schwerfällt, seine Eindrücke einzuordnen. Wir beobachten daher in dieser Phase von Zeit zu Zeit eine kurzfristige Aufregung, die aber mit zunehmender Wachheit schnell abklingt. Einige Patienten klagen dann insbesondere nach der Eingliederung konfektionierter Kronen auch über postoperative Beschwerden. Diese Symptome schwächen sich jedoch typischerweise mit zunehmender Zeit nach der Sedierung ab.

Im Anschluss an die Behandlung gehen Eltern und Kind gemeinsam für mindestens 1 1/2 Stunden in den Aufwachraum (Abb. 4). In dieser Phase erfolgt eine kontinuierliche Kontrolle von Puls und Sauerstoffsättigung. Nach ca. 30 Minuten darf etwas getrunken, später auch gegessen werden. Der Aufwachraum wird regelmäßig von einer Assistenzkraft kontrolliert, und die Eltern haben jederzeit die Möglichkeit, das Praxispersonal zu kontaktieren. Die Entlassung erfolgt, sobald die Sedierung (vollständig) abgeklungen ist und es dem Patienten gut geht (Abb. 5a und b). Das Kind sollte sicher geradeaus laufen können und auf gestellte Fragen sinnvolle Antworten geben. Ist das nicht der Fall, bleiben Kind und Eltern im Aufwachraum, bis das Kind ausreichend wach ist.

Die Eltern erhalten im Anschluss Anweisungen für den Weg nach Hause. Hier sollte das Kind an die Hand oder auf den Arm genommen werden, da seine Reaktionsfähigkeit noch verlangsamt sein kann. Wenn die Familie mit dem Auto fährt, ist die Anwesenheit eines zweiten Erwachsenen ratsam, welcher das Kind während der Fahrt beobachten kann. Dieses sollte in einer aufrechten Position sitzen, um die Atmung zu erleichtern. Zu Hause empfiehlt es sich, das Kind für mehrere Stunden durch einen Erwachsenen zu beaufsichtigen. Sobald die Lokalanästhesie abgeklungen ist, darf der Patient wieder alles essen und trinken. Eltern sollten darauf achten, dass das Kind sich an diesem Tag ruhig verhält. Zurückhaltung ist insbesondere bei körperlichen Aktivitäten angezeigt. Für weitere Fragen sollte die Zahnarztpraxis telefonisch zur Verfügung stehen. Diese Anweisungen sollten sowohl mündlich mitgeteilt als auch noch einmal schriftlich mitgegeben werden.

Kritische Wertung der Midazolamsedierung

Es bleibt die Frage, ob Midazolam die Anforderungen an ein ideales Sedativum erfüllen kann. Da das Medikament selbst keine analgetische Wirkung hat, ist bei schmerzhaften Eingriffen eine zusätzliche Lokalanästhesie erforderlich. Dies muss bei der Planung und Durchführung des Eingriffs bedacht werden. Dem Aspekt der gewünschten Amnesie kann Midazolam sehr gut entsprechen. Diese beginnt schon vor dem Eingriff und kann bis 48 Stunden post operationem andauern14. Besonders vorteilhaft ist das bei traumatischen Behandlungen, denn die Kinder behalten diese nicht in schlechter Erinnerung. Als traumatische, weil Angst auslösende Behandlungen gelten in der Kinderzahnheilkunde vor allem Extraktionen und nur sehr eingeschränkt auch sämtliche restaurativen Maßnahmen (hier speziell die Versorgung mit konfektionierten Kronen)9.

Nachteilig an der Amnesie ist allerdings, dass kein Lerneffekt zugunsten einer besseren Kooperationsfähigkeit auf dem Zahnarztstuhl eintritt und deshalb keine „graduate exposure“, ein durch Lern- und Behandlungserfolg entstehender Prozess mehrerer Behandlungen mit langsam ansteigendem Schwierigkeitsgrad, stattfinden kann. Generell wird die Angst vor der Behandlung aber verringert, da Midazolam in oraler Form anxiolytisch wirkt. Die Kinder zeigen eindeutig ein entspannteres, freundlicheres Verhalten, doch trotzdem kann Widerstand vorhanden sein3.

Wichtig ist auch zu erwähnen, dass es unter Umständen keine vorhersagbare Wirkung in Situationen gibt, in denen der Midazolamsaft von Kindern nicht vollständig getrunken wurde. Zum Thema eines möglichen Gewöhnungseffekts bei Midazolam existiert nur wenig Literatur. Zudem wurde in der Praxis beobachtet19, dass das Verhalten bei den Sedierungen von Sitzung zu Sitzung ungünstiger ausfällt, so dass das sonst gültige Prinzip der „graduate exposure“ hier umgekehrt wird. Der Effekt der Gewöhnung an das Sedierungsmittel wurde von Day et al.4 für die Midazolamsedierung sowie von Peretz und Gluck16 für die Lachgassedierung beschrieben. Auch Rienhoff19 hat über ein signifikant schlechteres Verhalten der Kinder bei aufeinanderfolgenden Sitzungen berichtet. Das könnte daran liegen, dass bedingt durch die anterograde Amnesie kein positives Lernen erfolgt und es zu einer Gewöhnung an Midazolam kommt. Unsere Empfehlung lautet daher, die Midazolamsedierung auf zwei, maximal drei Sitzungen zu beschränken.

Grenzen des Vorgehens und Alternativen

Grundsätzlich ist die Midazolamsedierung verglichen mit Lachgas kostengünstig und gegenüber der Intubationsnarkose, für die Risiken bei ca. 4 Prozent der Behandlungsfälle beschrieben werden, darüber hinaus risikoarm1,13. Der wesentliche Vorteil der Sedierung mit Midazolam im Vergleich zur Lachgassedierung besteht in der Anwendbarkeit bei jüngeren Patienten, da das einmal eingenommene Medikament seine Wirkung unabhängig davon ausübt, wie das Kind sich anschließend bei der Behandlung verhält. Eine gleichmäßige Atmung durch den Mund, die oft ein Ausschlusskriterium für den Einsatz von Lachgas bei sehr jungen Patienten darstellt, ist hier nicht erforderlich. Das Vorgehen stößt jedoch in Situationen an Grenzen, in welchen das betroffene Kind keinerlei Kooperation zeigt. Das ist vor allem bei älteren Kindern der Fall, und gerade in dieser Gruppe beobachten wir empirisch häufiger paradoxe Reaktionen.

Paradoxe Reaktionen

Als paradoxe Reaktionen bezeichnet man in der Medizin Reaktionen des Körpers, bei denen ein Wirkstoff das Gegenteil des beabsichtigten Effekts hervorruft. Im Zuge der Midazolamsedierung sind paradoxe Reaktionen möglich, und der Behandlungserfolg hängt in großem Maße von den begleitenden verhaltensführenden Maßnahmen ab. Zudem scheint ein Dosis-Wirkungs-Zusammenhang zu bestehen. Im Rahmen einer umfangreichen Untersuchung in unserer Praxis konnten 97 Prozent der Kinder mit Midazolam erfolgreich behandelt werden18. Ähnliche Ergebnisse erzielten andere Autoren nur mit einer deutlich höheren Dosis. So berichteten Somri et al.20 über eine Erfolgsrate von lediglich 80 % bei einer Dosierung von 0,5 mg/kg Körpergewicht, während der Wert bei einer Dosierung von 1,0 mg/kg Körpergewicht auf 100 % stieg. Eine Erfolgsrate von 100 Prozent gaben auch Peretz und Gluck16 bei einer Dosierung von 0,75 mg/kg Körpergewicht an. Wir gehen davon aus, dass unsere hohen Erfolgsraten bei einer deutlich niedrigeren Dosierung auf den Einsatz von Hypnose- und Verhaltensführungstechniken im Rahmen der zahnärztlichen Behandlung in unserer Praxis zurückzuführen sind12. So wird während der gesamten Sitzung Körperkontakt zum Patienten gehalten und dieser mit (non)verbalen Hypnosetechniken begleitet.

Im Fall von paradoxen Reaktionen oder einer Atemdepression sollte der Zahnarzt in der Lage sein, entsprechende Notfallmaßnahmen zu ergreifen. Der nachstehende Algorithmus beschreibt dabei in Kurzform das Notfallmanagement:

  • Unterbrechung der zahnärztlichen Tätigkeit,
  • sofortige Sauerstoffgabe,
  • Anlage eines intravenösen Zugangs,
  • intravenöse Verabreichung eines Antidots in gewichts- und situationsadaptierter Dosierung sowie
  • Monitoring bis zum Abklingen der Symptomatik.

Im Hinblick auf das Erfordernis eines intravenösen Zugangs ist die entscheidende Frage für den Zahnarzt, ob er und sein Team diesen unter Notfallbedingungen legen können. Mit einer notfallmedizinischen Zusatzausbildung sind auch für ihn Routinen erlernbar, welche sich durch das Legen von Zugängen im Rahmen regelmäßig durchgeführter Narkosebehandlungen festigen lassen. Trotzdem stellen Stresssituationen immer eine besondere Herausforderung dar. Deshalb ist jeder Anwender gut beraten, genau zu überlegen, ob Midazolamsedierungen in der zahnärztlichen Praxis gerade in der ersten Zeit nicht idealerweise bei Rufbereitschaft eines Notfallmediziners – eventuell eben eines Anästhesisten – durchgeführt werden sollten, auch wenn es hierfür wie für den gesamten Prozess der Midazolambehandlung in Deutschland keine Vorschriften oder Richtlinien gibt.

Eingriffe mit Todesfolge – was waren die Ursachen?

In regelmäßigen Abständen wird in der Fachwelt über Sedierungen mit Todesfolge während oder nach zahnärztlichen Behandlungen berichtet. Dabei stellt sich die Frage nach den möglichen Ursachen. In einem 2018 erschienenen Beitrag10 ging es um einen vierjährigen Jungen, der in Anschluss an eine Zahnsanierung unter Sedierung bei seinem Kinderzahnarzt verstarb. In diesem Fall kamen – wie häufig in vergleichbaren Situationen – verschiedene Sedierungsmittel (hier Lachgas und Midazolam) gemeinsam zum Einsatz. Weiterhin wurde Midazolam nachdosiert, und es gab kein Pulsoximeter zum kontinuierlichen Monitoring des Kindes. Es resultierte eine unkontrollierte Kumulation verschiedener Sedativa, welche zu einer übermäßigen Sedierungstiefe („deep sedation“) und in der Folge zu Atemdepression, zu Kreislaufversagen und schlussendlich zum Tod führte.

Im zahnärztlichen Umfeld sollte immer nur eine geringfügige Sedierung („conscious sedation“) angestrebt werden, bei der alle Schutzreflexe und die Vitalfunktionen aufrechterhalten bleiben. Bei einer Kombination verschiedener Medikamente oder einer unkontrollierten Nachdosierung kann dieser Zustand rasch in eine tiefe Sedierung übergehen, für die aber in jedem Fall ein Anästhesist anwesend sein muss, um die dann zwingend erforderliche Intubation und Beatmung durchführen zu können.

Hinweise zur Abrechnung

Die hier beschriebenen Maßnahmen lassen sich ausschließlich privat abrechnen, da diese Vorgehensweise weder im BEMA noch in der GOZ vorgesehen ist. Deshalb erfolgt in unserer Praxis für alle Versicherten – gesetzlich oder privat – eine Abrechnung nach GOZ Paragraf 6 Absatz 1 als selbstständige zahnärztliche Leistung, die nicht in das Gebührenverzeichnis aufgenommen ist, bzw. als „Gebühr für andere Leistungen“. Nach Rücksprache mit mehreren Factoring- bzw. Abrechnungsgesellschaften haben wir auch aus Gründen der besseren Übersicht für die Midazolamsedierung die Analogberechnung entsprechend einer einzigen Position, nämlich der GOZ-Nummer 6200 („Eingliedern von Hilfsmitteln“) gewählt, welche dann gegebenenfalls über den Faktor gesteigert werden kann.

Schlussfolgerungen

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Midazolamsedierung bei ängstlichen Kindern mit mäßigem Behandlungsumfang eine gute Alternative ist, um die Indikationsstellung zu einer Intubationsnarkose zu vermeiden. Bei einer Dosierung von 0,4 mg Midazolam pro kg Körpergewicht wird eine ausreichende Sedierung bei einer gleichzeitig niedrigen Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von unerwünschten Nebenwirkungen erreicht. In Kombination mit verhaltensführenden Maßnahmen lässt sich die Erfolgsrate erheblich steigern. Die Behandlung sollte nach Möglichkeit auf zwei Sitzungen begrenzt werden, da ansonsten die Kooperation bedingt durch einen Gewöhnungseffekt signifikant abnimmt. Im Fall besonders unkooperativer Kinder ist die Midazolamsedierung nicht indiziert. Als Selbstverständlichkeit gelten profunde Kenntnisse zum Umgang mit Komplikationen und Notfallsituationen.

Ein Beitrag von Dr. Sabine Rienhoff und Dr. Jan Rienhoff, beide Hannover

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Reference: Zahnmedizin Restaurative Zahnheilkunde Praxis Team Praxisführung

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