Etwa jedes 500. Baby wird mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (LKG) geboren – damit gehört diese zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen. Damit es nicht zu Schwierigkeiten beim Trinken und bei der späteren Nahrungsaufnahme kommt und damit keine Sprachprobleme entstehen, sind operative Eingriffe bereits im Babyalter wichtig. Passend zum Motto des diesjährigen Tages der Zahngesundheit „Gesund beginnt im Mund – von Anfang an!“ informiert die Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie e.V. (DGMKG) über moderne Behandlungsmethoden bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. Eine zentrale Forderung dabei: Auch notwendige Nachkorrekturen – wie zum Beispiel der Einsatz von dentalen Implantaten und eine adäquate prothetische Versorgung im jungen Erwachsenenalter – sollten einheitlich und bundesweit von den Krankenkassen übernommen werden.
Den Anfang macht eine Gaumenplatte
Babys, die mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte zur Welt kommen, bekommen üblicherweise direkt nach der Geburt eine Platte eingesetzt, die den Gaumen zur Nase hin verschließt. „Bei Neugeborenen mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte sind Mund und Nasenraum nicht getrennt. Dadurch kommt es zur Beeinträchtigung der Trinkfunktion sowie eventuell des Atmens“, erläutert DGMKG-Experte und Universitätsprofessor Dr. med. Dr. med. dent. Dr. h.c. Jürgen Hoffmann. „Um diese lebenswichtigen Funktionen zu verbessern, sollte bereits in den ersten Lebenstagen die Behandlung des Säuglings mittels einer Gaumenplatte angestrebt werden.“ Dabei spielen eine intensive Beratung und Begleitung der Eltern von Anfang an eine zentrale Rolle, um deren Ängste abzubauen.
Erste Operation erfolgt mit sechs Monaten
Eine erste Operation der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte sollte in der Regel dann stattfinden, wenn das Baby sechs Monate alt ist. „Dabei wird die Lippe der Kinder unter Vollnarkose verschlossen und das Lippenrot wird sozusagen „in die übliche Position“ gebracht“, so Hoffmann, Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg. „Zudem wird der Muskel in der Oberlippe operativ zusammengeführt und die Nase und die Lippe werden angepasst, so dass sie in ein reguläres Volumen gebracht werden.“ Ein paar Tage nach dem Eingriff können die Babys dann meistens schon entlassen werden – müssen jedoch die Gaumenplatte weiterhin tragen.
Eine zweite Operation wird etwa dann durchgeführt, wenn das Kind ein Jahr alt ist. Dann werden der Hart- und der Weichgaumen verschlossen. „Das ist sehr wichtig, denn wenn der Gaumen offenbleiben würde, würde das Sprechen sehr näselnd bleiben und das Trinken könnte über die Nase wieder herauslaufen“, erläutert Hoffmann. „Mit diesen zwei Eingriffen ist meistens schon sehr viel getan, so dass sich bei den Babys häufig nach einer gewissen Zeit des Gesichtswachstums die Trinkfunktion, die Sprache und die Nahrungsaufnahme normal entwickeln können. Je nach Ausprägung der Spaltfehlbildung werden die Behandlungskonzepte patientenindividuell angepasst. Ästhetisch sind die meisten Kinder heute nach diesen beiden Operationen kaum noch beeinträchtigt.“ Jährliche Nachkontrollen beziehungsweise möglicherweise Nachbehandlungen erfolgen bis zur Vollendung des Wachstums.
Nachkontrolle interdisziplinär ausrichten
Etwa einmal pro Jahr sollten die Kinder und ihre Eltern dann noch zur Nachkontrolle in eine Interdisziplinäre Sprechstunde kommen. Logopädisches Fachpersonal prüft gezielt die Sprachentwicklung des Kindes, Psychologinnen und Psychologen stehen zum Gespräch bereit und Kieferorthopädinnen und Kieferorthopäden prüfen das Kieferwachstum. Zudem wird das Hörvermögen kontrolliert. MKG-Chirurginnen und -Chirurgen prüfen hierbei das Ergebnis der Operationen und beraten zu gegebenenfalls zusätzlich erforderlichen operativenKorrekturen.
Fehlende Zähne ersetzen
„Diese jährlichen Nachkontrollen sind bis zum Ende des Wachstums sehr wichtig“, betont der DGMKG-Experte. „Wenn der Kieferknochen zum Beispiel nicht korrekt weiterwächst, muss manchmal noch Knochen in den Spaltbereich eingebracht werden. Im betroffenen Kieferbereich fehlen häufig Zähne, welche dann in der Regel implantatgetragen prothetisch ergänzt werden. Leider werden die Kosten für diese Nachbehandlungen in einigen Bundesländern nicht von den Krankenkassen getragen – hier fordern wir seitens der DGMKG dringend eine einheitliche, bundesweite Lösung. Die Kosten für eine prothetische Versorgung sollte hierbei in komplexen Fällen auch über die befundorientierten Festzuschüsse hinaus von den Krankenkassen getragen werden“, so Hoffmann abschließend. Mehr Informationen gibt es auf der Homepage der DGMKG.