„Full-Mouth Rehabilitation“ war das zentrale Thema eines ganzen Fortbildungstags im ICDE (International Center for Dental Education) von Ivoclar Vivadent in Wien Anfang Dezember 2018. Unter der Leitung von Martina Jakob (Marketing & ICDE, FA Ivoclar Vivadent) finden hier regelmäßig Fortbildungen sowie Workshops für Zahnärzte und -techniker statt.
An diesem Freitag lud Dr. Martin von Sontagh ein, den Werkstoff Komposit und sein Potenzial näher kennenzulernen. Dieser wird laut Sontagh grundsätzlich unterschätzt, birgt er doch viele Vorteile für Patienten wie für Anwender. Der Kurs gliederte sich in zwei Teile, beginnend mit der Theorie. In „Komposite mehr als nur eine Alternative“ erfolgte studienbasiert und anhand von Patientenfällen, was genau Komposite sind und welches Einsatzspektrum sie besitzen können.
Grundsätzliches zu Kompositen
Grundsätzlich beschreibt das Wort Komposit einen zusammengesetzten Werkstoff. In der Zahnmedizin werden Komposite daher als zahnfarbene, plastische Füllungsmaterialen bezeichnet, welche nach Einbringen in eine Kavität chemisch oder durch Energiezufuhr aushärten. Moderne zahnärztliche Komposite bestehen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Komponenten; nachfolgend die wichtigsten Hauptbestandteile wie
• die organische Matrix (Bis-GMA, UDMA TEGDMA),
• die disperse Phase (Füller; Quarz, Glas, Keramik),
• die Verbundphase (Silane, Kopolymere) sowie
• Initiatoren (Kampferchinon), Akzelatoren und Inhibitoren (zum Beispiel Eugenol).
Vorteile Komposit:
• minimal-invasiv
• Zahnhartsubstanzschonend
• Lebenszyklus des Zahnes verlängern - Reparaturmöglichkeiten • Bisskorrekturen
• Zeitfaktor (weniger Sitzungen)
• Kosten
• Keine SchleiftraumenNachteile Komposit:
• Anwendersensitiv
• Weniger abrasionsstabil
• Kavitäten teils zu groß
• eventuell wurzelkanalbehandelte Zähne, die lege artis überkront werden müssen
Gemessen an den Vor- und Nachteilen scheint zweifelsfrei Komposit das Restaurationsmaterial der Wahl zu sein. Auch hinsichtlich der Erwartungshaltung des Patienten an Material und Zahnarzt hält von Sontagh zum Komposit.
Tipps zur „Full-Mouth Rehabilitation“
Im zweiten Teil drehte sich alles um die „Full-Mouth Rehabilitation“. Immer häufiger werden Zahnhartsubstanzverluste diagnostiziert – verursacht durch Abrasion, Attrition und Erosion. Bisher gibt es noch kein allgemeingültiges Therapiekonzept für Zahnhartsubstanzverluste durch Bruxismus und Abrasion. Somit gibt es auch noch keine Evidenz, welches Material am besten geeignet sein könnte.
Aufgrund des Substanzverlustes wird Dentinmasse freigelegt. Der vertikale Verlust führt zu einer Abnahme der Bisshöhe. Daraus resultieren häufig Beeinträchtigungen in Funktion und Ästhetik ebenso wie Zahnfehlstellungen, welche Biss- und Okklusionsveränderungen nach sich ziehen.
Ziel der Rehabilitation ist es, Funktion und Ästhetik wiederherzustellen und durch Erhöhen der vertikalen Dimension diesen Problemen entgegenzuwirken. Eine Bisserhöhung mit Kompositen kann bis zu fünf Millimetern weitestgehend problemlos durchgeführt werden.
Die Behandlung von Erosionen und Abrasionen umfasst drei Schritte:
1. Untersuchung
2. Behandlung
3. Erhaltung.
Beispiel aus der Praxis
An in der eigenen Praxis durchgeführten Behandlungen demonstrierte von Sontagh Ablauf und Umsetzung hin zu einer erfolgreichen Therapie mittels Komposit. Nach erfolgter Untersuchung wird im Labor ein Wax-Up mit passender Tiefziehschiene für die geplante Bisssituation hergestellt. Diese wird dem Patienten zu Eingewöhnung für mehrere Wochen bis Monate zur Umgewöhnung mitgegeben. Ist der Patient mit der neuen Bisssituation zufrieden, folgt die definitive Übertragung am Patienten. Sontagh wendet hierbei meist die Freihandtechnik an. Diese erfordert eine hohe Maß an Geschicklichkeit im Umgang mit Komposit.
Die Stempelmethode bietet hier eine gute Möglichkeit, die Okklusion beim Patienten ideal zu gestalten. Hierbei wird das Prinzip der Formübertragung benutzt. Der Zahntechniker fertigt auf einem einartikulierten Gipsmodell ein Wax-up an, welches die zukünftige Okklusion widerspiegelt. Danach wird ein Silikonschlüssel (zum Beispiel mit einem Putty-Material) auf diesem Wax-up hergestellt.
Zunächst erfolgt die Vorbehandlung der Zahnhartsubstanz und Separieren der Interdentalräume mit durchsichtigen Matrizenstreifen. Der mit Komposit gefüllte Silikonschlüssel wird anschließend auf den Zahnbogen angelegt und durch Lichtpolymerisation ausgehärtet. Abschließend erfolgt die definitive Ausarbeitung (finieren und Politur). Ein Fallbeispiel zeigen die Abbildungen.
Im Anschluss wurden offene Fragen in gemeinsamer Runde geklärt. Dabei waren Behandlungsabläufe, aber auch andere Versorgungsalternativen wie Keramik von Bedeutung. Der Referent ging detailliert und gesprächsbereit auf die Kursteilnehmer ein; betonte hierbei auch seine persönliche Passion zu dem Werkstoff Komposit.
Abschließend erfolgte im „Hands on“ die praktische Anwendung des Gezeigten. Gemeinsam wurde Arbeitsabläufe simuliert, beispielsweise die Stempeltechnik. Die notwendigen Materialien wurden von Ivoclar Vivadent zur Verfügung gestellt.
Aufgrund der positiven Resonanz wird es einen weiteren Kurs zur „Full-Mouth Rehabilitation aus Composite“ von Dr. Martin von Sontagh am 16.Februar 2019 in ICDE Wien geben. Anmeldungen sind auf der Internetseite von Ivoclar Vivadent möglich.
Niels Karberg, Nico Rothenaicher, Krems a.d. Donau (Österreich)
Die Autoren dieses Beitrags, Niels Karberg (rechts) und Nico Rothenaicher, studieren derzeit im 10. Semester Zahnmedizin an der DPU (Danube Private University) in Krems und absolvieren parallel ihren Bachelor im Medizinjournalismus. (Foto: Privat)