Egal, ob frisch von der Uni kommend oder schon langjährig im Beruf: Craniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) stellen viele Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner oft vor eine schwer zu bewältigende Aufgabe. Häufig werden Patientinnen und Patienten, welche typische Symptome aufweisen, als „psychosomatisch“ abgetan und nicht adäquat behandelt. Der zahnärztliche Rat endet nicht selten bei einer alle zwei Jahre zu erneuernden Aufbiss-Schiene. Anhaltende Beschwerden haben häufig einen Ärztemarathon der Betroffenen zur Folge.
Damit ist nun Schluss: Nach dem erfolgreichen Debut zum Thema Endodontie widmet sich der zweite „IFG Online Kongress“ genau diesem schwer zugänglichen Thema – Funktion total, beleuchtet aus allen Blickwinkeln.
In gewohnt wissenschaftlich versierter Art erläutert Prof. Jens Türp zum Auftakt die Grundlagen der CMD – einfach aufgeteilt in die Schädelanatomie, typische Symptome und Risikofaktoren beziehungsweise Ätiologie. Nach kurzer Rekapitulation insbesondere der Kaumuskulatur, welche sicherlich vom ein oder anderen seit dem Anatomietestat nicht mehr genauer beleuchtet wurde, geht es schnell um die klassischen CMD-Symptome wie Muskelschmerzen und eine daraus resultierende schmerzbezogene Diagnostik. Eine klare Definition von Risikofaktoren hilft jedem Praktiker/jeder Praktikerin, eine CMD in der Praxis zu erkennen. Wussten Sie zum Beispiel, dass eine Hauptrisikogruppe für eine CMD Frauen im gebärfähigen Alter sind? Falls nicht –Türp erklärt in seinem Vortrag die Hintergründe.
Praktische Tipps gehören dazu
Prof. Marc Schmitter führt das Thema weiter, indem er Möglichkeiten einer effizienten Grunduntersuchung aufzeigt. Praktische Tipps, wie kostenlose Downloads für Bögen zur Funktionsanalyse oder der Appell, vor prothetischen Versorgungen eine CMD-Diagnostik durchzuführen, da sonst mögliche rechtliche Schritte drohen könnten, kommen in gewohnter IFG-Manier nicht zu kurz. Denn wie immer gilt der Anspruch der Fortbildungsreihe, auch im zahnärztlichen Alltag hilfreich zu sein.
Prof. Axel Bumann erklärt seinen Zuschauern, welche bildgebenden Verfahren in der Praxis durchführbar sind und welche bei korrekter Indikation besser von einem Spezialisten übernommen werden sollten. Hier wird der Fokus auf die Notwendigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit von verschiedenen Fachdisziplinen gelegt. Dies unterstreicht auch Prof. Michael Bornstein in seiner Präsentation über mögliche Differentialdiagnosen bei CMD-Symptomatik.
Dr. Wolf-Dieter Seeher, gibt als niedergelassener Kollege für die Zuhörenden wertvolle Einblicke in die Funktionsanalyse und eine mögliche Behandlungsstrategie in seiner eigenen Praxis. Leicht verständlich werden verschiedene Schienenarten erklärt und einfache Untersuchungsmethoden dargestellt. Der Fokus liegt auf einer korrekten patientenbezogenen Anamnese mit möglichen Beispielen, wie diese in den Praxisalltag mit eingebracht werden können.
Weiter geht es mit Prof. Georg Meyer, der eindrücklich die Michigan-Schiene erklärt, beginnend mit historischen Hintergründen, bis hin zur korrekten Schienenherstellung.
Interdisziplinarität nehmen sich Prof. Ulrich T. Egle und Prof. Türp zum Vorbild und bringen in ihren Vorträgen über psychosoziale Einflüsse und Schmerztherapie den Teilnehmenden näher, wie wichtig das Einbeziehen anderer Fachdisziplinen ist. Dr. Claus Derra, Arzt und Psychologe in Berlin, erklärt Entspannungsverfahren und autogenes Training als erprobte Verfahren bei psychosomatischen Erkrankungen. Neben einer Einführung in verschiedene Verfahren bindet er die Teilnehmenden auch aktiv in seine Präsentation mit ein – mit einfachen Übungen, die sicherlich jeder in seinen individuellen Alltag integrieren kann. Abgeschlossen wird die Vortragsreihe durch die Darstellung möglicher restaurativer Versorgungen und deren Grenzen nach Zahnverschleiß durch PD Dr. Oliver Ahlers.
Wie beim ersten Online-Kongress gibt die Abrechnungsexpertin Sabine Schmidt (DZR) auch in diesem Format wieder Hilfestellung, wenn es um die Wirtschaftlichkeit der CMD-Therapie im Praxisalltag geht.
Patienten weiterhelfen können
Auch wenn CMD nicht zum Schwerpunkt der eigenen Tätigkeit gehört, muss man sich vor Augen führen, dass im Schnitt jeder fünfte Patient an CMD leidet. Sie alle haben diese Patientinnen und Patienten schon einmal in Ihrer Behandlung gesehen. Nach diesem geballten Wissensinput werden Se in der Lage sein, diesen Patienten weiterzuhelfen – und sei es nur durch Erkennen der Risikofaktoren, eine Verdachtsdiagnose und der Behandlung solcher Fälle oder der möglicherweise korrekten Überweisung zu einem Spezialisten. Wie in der letzten IFG-Online-Fortbildung sind alle genannten Vorträge ca. 45 Minuten lang. Zwei „Doppelfolgen“ sind ebenfalls Teil des Kongresses. Der Zugang erfolgt online und die Vorträge sind in einfacher Handhabung auf jedem Endgerät – auch unterwegs – abrufbar.
ZÄ Isabel Scharfenberg, Köln