Frankfurt am Main war vergangenes Wochenende zum ersten Mal Schauplatz des nationalen Osteology Symposiums. Wissenschaftliche Leiter des mittlerweile 6. Symposiums waren die ortsansässigen Prof.Robert Sader und Prof. Frank Schwarz, beide von der Frankfurter Universität; sie konnten 391 Teilnehmer im „Kap Europa“ bei der Frankfurter Messe begrüßen.
Die Osteology-Symposien haben sich in den vergangenen Jahren weltweit als unabhängige und hochkarätige Weiterbildungs-Events etabliert und bieten eine moderne Plattform für eine wissenschaftlich fundierte, praxisbezogene Fortbildung, die durch einen interaktiven kollegialen Austausch charakterisiert ist.
Entsprechend praxisorientiert gestaltete sich der erste Symposiumstag am Freitag. Workshops von Geistlich und von der Osteology Foundation boten praktische und theoretische Updates von der Rezessionsdeckung über Alveolenmanagement, Bone Splitting, Sinuslift, Weichgewebe- und Komplikationsmanagement bis hin zum regenerativen Potenzial von PRF.
Der ewig junge Knochen
Ein Highlight des Praktikerforums, ebenfalls am Freitag, war der Vortrag von Prof. Michael Amling vom Institut für Osteologie und Biomechanik am Uniklinikum Hamburg Eppendorf „Forever Young: Das Wunder Knochen“. Sein Vortrag war gespickt mit ungewöhnlichen Aspekten rund um die Grundlage zahnärztlichen und oralchirurgischen Schaffens, den Knochen. Dazu gehörte, dass Zahn und Knochen „Brothers in Arms“ sind, die Tatsache, dass unsere Knochen mit 100 Jahren noch genauso jung sind wie mit 30 Jahren, und der Umstand, dass 80 Prozent der Deutschen einen Vitamin-D-Mangel haben, der mit 2 Cent pro Tag eigentlich schnell behoben sein könnte.
Weitere Themen des Praktikerforums waren Entscheidungskriterien für Scaffolds, Thrombozytenkonzentrat für den chirurgischen Einsatz, Bisphosphonate, Notsituationen und rechtliche Aspekte in der klinischen Praxis.
Autogen, allogen, xenogen
Das wissenschaftliche Programm am Samstagvormittag war den verschiedenen Ersatzmaterialien gewidmet, deren Eignung durchaus unterschiedlich gewertet und diskutiert wurde. PD Dr. Franz Josef Kramer gab einen Überblick über Hartgewebsmaterialien, eingeteilt nach biologischen Aspekten (osteokonduktiv, -induktiv, osteogen) und Herkunft (autogen, allogen, xenogen, synthetisch). Goldstandard ist der autogene Knochen, alle anderen Materialien sind biologisch weniger wertvoll. Erfolgskriterien sind Knochenregeneration, Volumengewinn, Stabilität, Komplikationsrate, Implantaterfolg.
Die Augmentation mit Knochenersatz stellte Prof. Bilal Al-Nawas kurzweilig und eloquent wie immer vor („die ,Kieler Wurst‘ kommt als ,Hungarian Sausage‘ wieder“). Großer Vorteil ist die Osteokonduktivität, aber es gibt Nachteile: „autogener Knochen ist nicht immer unkomplex“, die Qualität ist nicht homogen, schließlich ist die Entnahmemorbidität (bleibende Empfindungsstörungen, Schmerzen) einleuchtender Grund für die Wahl eines Knochenersatzmaterials (KEM). Al-Nawas präferiert die Kombination von autogenem Knochenmaterial und KEM, „schon wenig reicht zur Biologisierung“. Auch bei ihm ist der Ersatz von Knochen auf Schichten um vier Millimeter Stärke limitiert.
Einzigartiger Wiederaufbau
Prof. Hendrik Terheyden vertrat in Frankfurt die Gegenseite „pro autogene/allogene Transplantate“. Er trifft die Materialwahl nach Defekttypen und sieht das Limit partikulärer KEM ebenfalls bei 3,7 Millimetern – auch bei autologem Material, denn „mehr schafft die Angiogenese nicht“. Jenseits dieser Dimension braucht man Blöcke. Terheyden stellte das 3S Prinzip („Sinus Splitting Sandwich“) vor: Der Alveolarfortsatz wird horizontal abgetrennt und in prothetisch idealer Position fixiert, der Spalt mit BioOss gefüllt. Da der First des Kieferkamms nicht von der Mukosa abgetrennt wird, bleibt dessen Versorgung erhalten, auf diese Weise können bis zu acht Millimeter gewonnen werden, da die Vaskularisation von zwei Seiten erfolgt. Mit Blöcken erzielt man vor allem im UK-Seitenzahnbereich gute Erfolge, da dort guter Response durch Narbenzug erzeugt wird. Allgemein sind die in der Oralchirurgie erzielten Erfolge einzigartig in der Medizin: „Wer kann sonst behaupten, dass etwas, was weg war, wieder aufgebaut werden kann?“
Risiko HLA-Sensibilisierung
Die Referenten sehen allogene Materialien kritisch. Laut Terheyden sind Allografts antigen wirksam: Eine virale Belastung sei nicht ganz auszuschließen, und eine HLA-Sensibilisierung als Folge kann bei Patienten ein Ausschlusskriterium für Bluttransfusionen bis hin zu Organtransplantationen bedeuten. Xenogene und synthetische Materialien eignen sich ebenso gut und bergen weniger Risiken.
Welche Scaffolds für welche Indikation?
Prof. Katja Nelson, Dr. Dr. Keyvan Sagheb und Prof. Shahram Ghanaati bestritten den nächsten Vortragsblock zu gerüstartigen KEM, den Scaffolds. Konfektionierte Scaffolds müssen nachbearbeitet werden, sind dafür in gewünschter Menge und Qualität ohne Entnahmemorbidität verfügbar. CAD/CAM-gefertigte, defektangepasste Scaffolds wurden von allen als Gewinn für die Praxis bezeichnet. Interessant war die Vorstellung biologisierter Scaffolds wie Platelet Rich Fibrin (PRF). Mit der LSCC-Methode („Low Speed Centrifugation Concept“) kann aus einer Blutentnahme festes und flüssiges PRF gewonnen werden. Vorteile: Schnellere Heilung, weniger Resorption, Solid-Material kann in Form gebracht und entweder membranähnlich oder zerschnitten und mit partikulärem KEM gemischt, Liquid zum Beispiel zur Biologisierung von KEM verwendet werden.
Therapie so individuell wie Patient und Behandler
Neue Ansätze zur Implantatreinigung mit Galvanosurgery (PD Dr. Dr. Markus Schlee: „Nach 60 Sekunden ist das Implantat sauberer als vom Werk geliefert“), Parodontaltherapie und Reimplantationen waren weitere Themen des Nachmittags.
Bild: Quintessenz NewsIn den Vorträgen und Diskussionen kam immer wieder durch, dass es heute eine Vielzahl gut untersuchter, Materialien für evidenzbasierte Therapien gibt, deren Eignung zum einen vom Defekt und vom Patienten abhängt, zum anderen auch vom Therapeuten und seinen bevorzugten Verfahren unter Berücksichtigung seiner Erfahrungen. Insofern gelang es den Veranstaltern des 6. Nationalen Osteology Symposiums mit ihrem Programm „360 Grad Regeneration“ auch den Teilnehmern einen Rundum-Überblick über Materialien, Therapien, Limitationen und Ausblicke zum Hart- und Weichgewebemanagement in der Zahnmedizin und oralen Chirurgie zu verschaffen.
Karen Nathan, Quintessence News
Anm. d. Red.: Ein Video-Bericht über das Osteology Symposium mit vielen Impressionen und Statements der wissenschaftlichen Leiter und einiger Referenten folgt in Kürze hier auf Quintessence News.