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Schritt-für-Schritt-Herstellung anhand eines Patientenfalls

Aufnahmen wie diese verdeutlichen, dass Provisorien nicht nur ein billiger Kompromiss sein müssen.

Viele sehen in Provisorien einfach nur eine vorläufige Lösung, die vorübergehend einen Zweck erfüllen muss. In der Regel, insbesondere wenn Abheilungsprozesse oder Ähnliches indiziert sind, geht dieser Zweck über das Schließen einer Lücke hinaus. Autor Philip Hinz zeigt in seinem Beitrag für die Quintessenz Zahntechnik 4/2022, wie man mit relativ überschaubarem Aufwand Langzeitprovisorien fertigt, die einen mehr als zweckmäßigen Ersatz bieten.

Die Quintessenz Zahntechnik, kurz QZ, ist die elf Mal jährlich erscheinende Fachzeitschrift für alle Zahntechniker und zahntechnisch interessierte Fachleute, die Wert auf einen unabhängigen und fachlich objektiven Informationsaustausch legen. Im Vordergrund der Beiträge und Berichterstattung steht die Praxisrelevanz für die tägliche Arbeit. In dieser Zeitschrift finden sich Zahntechniker, Dentalindustrie und die prothetisch orientierte Zahnarztpraxis mit ihren Anliegen nach einer hochwertigen Fortbildung gleichermaßen wieder. Zur Online-Version erhalten Abonnenten kostenlos Zugang. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.

Einleitung

Im Rahmen der Herstellung laborgefertigter therapeutischer Langzeitprovisorien kommen für Behandler sowie Techniker immer wieder Fragen auf, die sich auf grundlegende Themen wie Indikation sowie den Nutzen einer derartigen Maßnahme beziehen.

Aufgrund der Erfahrung, die der Autor bei der Herstellung diverser therapeutischer Versorgungen sammeln konnte, soll anhand eines Patientenfalls ein reproduzierbarer und wirtschaftlicher Weg aufgezeigt werden, wie sich hoch ästhetische und therapeutisch wirksame Langzeitprovisorien herstellen lassen. Nicht zuletzt liegt es dem Autoren sehr am Herzen, dem Anwender/Behandler/Patienten die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme näher zu bringen.

Anamnese

Die Patientin, ungefähr Ende 30, wurde mit parodontalen Problemen und dem Wunsch nach einer natürlicheren Ästhetik in der Praxis vorstellig (Abb. 1). Die Diagnose ergab eine fortgeschrittene Parodontitis, hauptsächlich in Regio der insuffizienten Oberkieferfront, die auf die mangelhafte Kronenrandgestaltung in dieser Region zurückzuführen war. Des Weiteren wurden eine unnatürlich wirkende Ästhetik, fehlende Funktion sowie mangelhafte Mundhygiene festgestellt.

Der Behandlungsplan sah die Neuanfertigung der kompletten Ober- und Unterkieferfront sowie der Prämolaren vor. Zur Stabilisierung des Weichgewebes wurde eine Langzeittherapie mit laborgefertigten therapeutischen Langzeitprovisorien und umfassender parodontaler Behandlung geplant. Ziele dieser Therapie waren die Eindämmung der Parodontitis sowie die Wiederherstellung von Funktion und Ästhetik.

Warum therapeutische Langzeitprovisorien?

Um die Voraussetzung für eine stabile, definitive Versorgung zu schaffen, war eine therapeutische laborgefertigte Versorgung aus Kompositen geplant. Nach der konservativen zahnmedizinischen Vorbehandlung wurde im ersten Schritt eine Vorpräparation durchgeführt, um eindeutige Präparationsgrenzen zu deffinieren. Zudem wurden insuffiziente Unterfüllungen ausgetauscht. Erst in der darauffolgenden Sitzung wurde die Situation abgeformt (Abb. 2).

Im ersten Schritt sollte zunächst der Oberkiefer mit therapeutischen Kronen versorgt werden. Bis zum Beginn der definitiven Arbeit wurde mithilfe zielgerichteter Mundhygiene und chlorhexidinhaltigen Mundspüllungen eine parodontale Situation geschaffen, mit der ein langfristiges Ziel erreicht werden konnte.

Die Qual der Wahl

Für die Herstellung von Langzeitprovisorien bieten sich generell eine Vielzahl an Materialien, Techniken und Fertigungssystemen an – und all dies wiederum von diversen Anbietern (Abb. 3).

Zusammenfassend kann, so wie es in der Tabelle 1 aufgeführt ist, eine Unterteilung vorgenommen werden.

Hinzu kommt, dass sich die in der Tabelle aufgeführten Materialien, Herstellungsverfahren und der Umfang der Verblendungen untereinander kombinieren lassen. Von Fall zu Fall muss also zusammen mit dem Behandler individuell entschieden werden.

Wichtig für die Beurteilung der prothetischen Wahl sind generell der Behandlungsplan und die Klärung der Fragen, wie lange die Versorgung getragen werden soll, wie abrasionsfest sie sein soll, welche Art der Versorgung es sein soll und welchen Umfang sie hat, ob der Zahnersatz metallarmiert sein soll und ob extrahiert, augmentiert und ein Weichgewebemanagment durchgeführt werden muss/soll. Nicht zuletzt sind auch die Zahn- und die Stumpffarbe und die möglichst unsichtbare Integration in den natürlichen Zahnbestand maßgeblich. 

Vor jedem Behandlungsbeginn kommt der Patient zur individuellen Beratung ins Labor. Dies ist mit unseren Behandlern so abgestimmt und geschieht auf deren ausdrücklichen Wunsch hin. Im Rahmen dieses Labortermins wird die individuelle Zahnfarbe von speziell geschulten Kollegen bestimmt und es werden gemeinsam die Ziele der endgültigen Arbeit festgehalten. Für Termine wie diese hat die MB Dentaltechnik in Düsseldorf einen Patientenraum mit idealen Lichtverhältnissen eingerichtet (Abb. 4). Zur ausführlichen Dokumentation wird jede Arbeit nach einem definierten Fotostatus erfasst und festgehalten.

Bei der MB Dentaltechnik haben sich differenzierte Leistungsansätze etabliert; im ästhetischen Bereich teilreduzierte und verblendete Restaurationen, im Seitenzahnbereich monolithische Restaurationen (Abb. 5 bis 8).

Fallbeispiel

Anhand des hier aufgeführten Patientenfalls werden nachfolgend detailliert die einzelnen Arbeitsschritte beschrieben, die zu perfekten und funktionellen Langzeitprovisorien führen.

Gemäß der zuvor aufgeführten Tabelle fiel die Wahl auf die CAD/CAM-gestützte Planung und Herstellung von PMMA-basierten, mit einem Laborkomposit individualisierte Langzeitprovisorien. Der Aadva Lab Scan II (GC Germany, Bad Homburg) und die dazugehörige Software der Firma Exocad (Darmstadt) bietet dafür die besten Voraussetzungen. Der Scanner zeichnet sich durch schnelle und genaue Scans aus und besitzt eine Artikulationsfunktion. Letzterer sorgt dafür, dass verschiedenste Artikulatoren im Ganzen eingescannt werden können. Dadurch lässt sich eine lagerichtige und schädelbezügliche Artikulation sicher digitalisieren. Zudem besitzt der Scanner leicht nachvollziehbare Features und Komponenten zum exakten Scannen und Konstruieren zahlreicher prothetischer Versorgungen und stützt sich dabei auf das bisher weit verbreitete und bekannte Exocad-Interface.

Die CAD/CAM-gestützt gefertigten PMMA-Kronen wurden mit dem Laborkomposit GC Gradia Plus in Verbindung mit den dazugehörigen GC Gradia Plus Lustre Paints und Optiglaze color Farben individualisiert (alle genannten Produkte GC). Wahlweise können die genannten Massen und Farben auch mit dem lichthärtenden Universal-Komposit G-eanial (GC) kombiniert werden1. Das einfach nachvollziehbare Komposit-System von GC kommt mit wenigen Massen aus, die sich untereinander mischen lassen. Somit lässt sich jede Farbe sicher reproduzieren. Die guten Abrasionseigenschaften, die hohe Biegefestigkeit, geringe Plaqueakkumulation und gute Farbwirkung sind Merkmale, die aus Sicht des Autoren die verwendeten Komposite auszeichnen. Besonders von Vorteil sind die Flow-Massen. Diese ermöglichen es, die teilverblendeten Kronen mithilfe eines Injektionsverfahrens in einer Küvette fertigzustellen.

One-Body-Massen sind ebenfalls enthalten, sodass sich im gleichen Verfahren vollanatomische Restaurationen herstellen lassen. Diese müssen anschließend nur noch mit Lustre Paint und Opti­glaze color bemalt werden. Die One-Body-Massen besitzen eine gewisse Transluzenz und weisen dadurch lichtoptische Eigenschaften auf, die sie selbst in bestimmten Situationen für Provisorien im Frontzahnbereich empfehlen.

Für das Untergerüst sollten CAD/CAM-gestützt vollanatomische Kronen hergestellt werden, die zugleich als Dentinkörper dienen.

Im ersten Schritt wurden daher die Patienten- und Kundendaten, die Technikernummer, der Rekonstruktionstyp und das Material in der Projektdefinition der Scan-Software festgelegt (Abb. 9). Nachdem der Labscan II gestartet wurde, werden der Scanmodus, der Freistellungstyp sowie der Texturscan festgelegt. Der optimale Bereich der Scanhöhe liegt auf Höhe der Präparation (Abb. 10 bis 15). Besonders praktisch ist die Möglichkeit, die Bisssituation im Artikulator scannen zu können (Abb. 16).

Nachdem alles gescannt und somit digitalisiert sowie gematcht worden war, konnte die Arbeit in der CAD-Software fortgesetzt werden (Abb. 17). Sobald die Präparationsgrenzen festgelegt und die Kronenböden designt worden waren, konnte es an die Programmierung des Artikulators gehen (Abb. 18). Mithilfe von digitalisierten Situationsmodellen konnten die Platzverhältnisse und die fertige Konstruktion kontrolliert werden (Abb. 19 und 20).

Nachdem die vollanatomischen PMMA-Kronen fertig konstruiert waren (Abb. 21 und 22), wurden die Datensätze an das Fertigungszentrum der Firma Argen (Argen Digital, Düsseldorf) verschickt und dort entsprechend der bestellten Zahnfarbe gefräst.

Argen hat sich diesbezüglich für die MB Dentaltechnik als zuverlässiger Partner erwiesen und bietet eine breite Palette an zahnfarbenen Kunststoffen, deren Materialeigenschaften den Autor überzeugen.

Die gefrästen PMMA-Kronen wurden aufgepasst, auf Funktion überprüft, ausgearbeitet und gegebenenfalls formoptimiert (Abb. 23). Die so geschaffenen Rohlinge wurden daraufhin mithilfe eines transparenten Silikons eingebettet. In diesem Fall wurde die Basis mit hartem Kartuschensilikon von GC unterfüttert, isoliert und der Konter – ein transparenter Löffel – ebenfalls mit dem Kartuschensilikon aufgefüllt. Danach konnten die Kronen für eine Teilverblendung reduziert werden. Dafür setzt man mit einer Fräse gezielt Schleifrillen und reduziert die übriggebliebenen Stellen gleichmäßig. Kontrolliert wird dieser Vorgang mit einem Vorwall.

Zum Individualisieren der reduzierten Kronen wurde zunächst mit Gradia Plus ein transparentes Schild aus LB-Blue und HB-CLF angelegt, gegebenenfalls kann im Bauchbereich LB-Inlay für mehr Tiefenwirkung und Wärme aufgebracht werden. Um dem Zahn mehr Helligkeit zu verleihen, wurden die Mamelons mit LB-DW geschichtet. Farbkorrekturen können vor der internen Schichtung mit den Lustre Paints vorgenommen und diese gegebenenfalls mit Optiglaze color kombiniert werden (Abb. 24 bis 26). Sobald die Schichtung abgeschlossen war, konnte der transparente Konter aufgesetzt werden.

Für größere Arbeiten, Teleskoparbeiten oder Komplettkiefer, gibt es praktische und empfehlenswerte Küvetten von GC. Für den Konter empfiehlt sich dann allerdings ein etwas weicheres Dubliersilikon der Firma Anaxdent (Stuttgart).

Für die Reproduktion der Schneide lassen sich folgende Flow-Massen einsetzen:

  • jugendlich: B-Base E, G-eaniel-JE
  • altersgerecht: LB-Inlay E, G-eaniel-AE

Anschließend wurden die mit Komposit individualisierten PMMA-Kronen ausgearbeitet und poliert (Abb. 27 bis 29). Falls erforderlich, könnte nun nochmals oberflächlich korrigiert/individualisiert werden. Dazu sind die Farben von Optiglaze color und die Lustre Paints von Gradia Plus gut geeignet, die sich pur auftragen lassen und anschließend dünn, aber vollständig mit Optiglaze Clear oder Lustre Paints Clear überzogen werden sollten.
Eine vollständige Aushärtung ist besonders wichtig. Wer einen Verlust befürchtet, dass nach dem Überziehen mit Optiglaze Clear oder Lustre Paints Clear die erarbeitete Oberflächenstruktur verloren geht, kann mit einem Pinsel Struktur in die Oberfläche einarbeiten, nachdem die lichthärtende Versiegelung ganz kurz angehärtet wurde.

Zufriedener Patient

Die Abschlussaufnahmen der Patientin mit inkorporierten therapeutischen Langzeitprovisorien zeigen die Situation sechs Monate nach dem Einsetzen. Die parodontale Situation hat sich deutlich verbessert und stabilisiert.

Trotz mangelhafter Ästhetik im Unterkiefer und im Prämolarenbereich gliedert sich die Restauration harmonisch und natürlich in die Restbezahnung ein (Abb. 30 bis 32). Im Anschluss an diese Therapie folgt die definitive Versorgung in regio 14 bis 24 und in regio 34 bis 44.

Fazit

Das Scannen und Arbeiten mit dem neuen Aadva Lab Scan II von GC Germany gestaltet sich einfach, schnell, sicher, anwenderfreundlich, praktisch, selbsterklärend und bereitet schlichtweg Freude.

Und zugegeben, ein für eine Langzeittherapie professionell angefertigtes Provisorium ist aufwendig. Es steht einer definitiven Arbeit in nur wenig nach. Wenn man aber eine sichere, einfache, reproduzierbare und schnell umsetzbare Technik anwendet, erstklassige Materialien – angefangen bei den PMMA-Blanks (in diesem Fall von Argen) bis hin zu Kompositen (Gradia Plus von GC), moderne und innovative Geräte und Programme verwendet (Aadva Lab Scan II sowie Küvetten und Silikon von GC, Software von Exocad), sind sichere Ergebnisse garantiert.

Um planbare, langfristige Erfolge vor allem mit der späteren definitiven Arbeit erzielen zu können, muss man sorgfältig vorgehen. Ist die definitive Versorgung aus medizinischer Sicht noch nicht möglich, sind Langzeitprovisorien indiziert.

Ein Beitrag von Philip Hinz, Düsseldorf

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Reference: Zahntechnik

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