Weihnachten 2021 ist nun Geschichte, ein nicht mehr so laut böllernder, aber trotzdem nicht leiser Jahreswechsel ebenfalls. Willkommen im Jahr 2022, für das ich Ihnen alles Gute wünschen möchte! Vor allem aber positive Gedanken – selbst dann, wenn das neue Jahr erneut nicht als leeres, unbeschriebenes weißes Blatt Papier starten wird. Denn die Corona-Pandemie und die dadurch verursachten Maßnahmen und deren Konsequenzen für die Gesellschaft, Wirtschaft und insbesondere unser Gesundheitssystem haben das Blatt bereits gefüllt. Die fünfte Welle ist angekündigt – das Jahr 2021 wird nachwirken!
Meine persönlichen Vorsätze für das neue Jahr erspare ich Ihnen besser, nicht aber meine drei Wünsche. Beginnen wir also mit positiven Gedanken, was angesichts des bereits beschriebenen Platzes auf dem Papier 2022 nicht so einfach ist.
Wenn ich auf die Pandemie und die Handelnden in diesem Land schaue, drängt sich der Gedanke an fellige Marmotini – in Oberbayern Mankei genannt – auf. Auch wenn es kaum jemand geben mag, der den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ noch nicht gesehen hat: Bill Murray spielt darin einen arroganten, egozentrischen und zynischen Wetteransager, der in einer Zeitschleife festsitzt und ein und denselben Tag immer wieder erlebt, bis er als geläuterter Mann sein Leben fortsetzen kann.
Der Filmcharakter heißt zwar weder Jens Spahn noch Karl Lauterbach, sondern Phil Connors, aber eine Läuterung im Sinne von „die Corona-Pandemie neu denken“ wäre mein erster Wunsch für das neue Jahr. Denn nach nunmehr knapp zwei Jahren Coronadauerkrise ist es an der Zeit, das permanente Chaos der Corona-Regeln zu beenden und die Lautstärke der politischen und medialen Dauerbeschallung der Bevölkerung auf ein „versteh- und nachvollziehbares und damit händelbares Maß“ zu reduzieren. Dazu gehört, insbesondere auf billige, aber schlagzeilenträchtige politische Inszenierungen à la „Skandal – wir haben viel zu wenig Impfstoff“, zu verzichten. Zur Ehrenrettung der Mitarbeiter im Bundesgesundheitsministerium sei gesagt, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass diese schlechter rechnen können als die Redakteure der „BILD-Zeitung“ …
Neue Brieftauben für die Gesundheitsämter?
Es hilft deshalb auch nicht, lediglich ein Mehr an Digitalisierung zu fordern, wenn zum Beispiel viele Gesundheitsämter sich immer noch mit einer Computerisierung Marke „heutzutage unbrauchbar“ abquälen müssen. Und das nach mittlerweile fast zwei Jahren Pandemie. In Berlin veranstaltet RKI-Chef Wieler daher den pressebegleiteten zehntägigen Zahlenblindflug – weil überraschend Weihnachten und Jahreswechsel vor der Tür standen.
Ein mehr an Digitalisierung hilft auch dann nicht, wenn man Daten nicht richtig interpretieren kann – oder will. Deshalb wünsche ich mir, dass wir statt ausschließlich politisch motivierten Forderungen – wie der des bayerischen Gesundheitsministers Klaus Holetschek „Denkbar wäre aus meiner Sicht eine Befreiung von der Quarantäne für geboosterte Kontaktpersonen“ – endlich den Mut zu einem medizinischen Angang finden, der nicht permanent die Grundregeln der Epidemiologie ignoriert. Da helfen kreative Wortneuschöpfungen wie die „Immunfluchtmutante“ auch nicht mehr.
Doch für diesen Weg braucht es inzwischen viel Mut, denn Wissenschaft wird mittlerweile öffentlich in gut und schlecht, richtig und falsch im Sinne des herrschenden politischen und medialen Narrativs eingeteilt. Recherchekollektive mit fraglichem Sachverstand und die Löschzentren der großen Internetkonzerne lassen grüßen.
Nur gemeinsam stark: digitale Transformation als gemeinsames Projekt
Mein zweiter Wunsch ist, die digitale Transformation des Gesundheitswesens endlich zu einem gemeinsamen Projekt der Shareholder zu machen. Mit mehr Augenmaß, dafür aber verbaler Abrüstung. Wenn dazu statt des Lagerdenkens eine gegenseitige Akzeptanz der Beteiligten hinzukommen könnte, wäre vieles leichter zu erreichen.
Der letztjährige Aufgalopp zur Erprobung des E-Rezepts hatte wieder einmal deutlich gemacht: Kurz vor dem Start stand statt der Rennpferde nur ein einsames dreibeiniges Pony auf der Rennbahn. Das hätte man im Bundesgesundheitsministerium wie bei der Gematik auch ohne die massiven Proteste der Organisationen der Leistungserbringer – immerhin Mitgesellschafter der Gematik – erkennen können. Sei‘s drum, der Start des E-Rezeptes ist trotz der Terminfestsetzung im Patientendatenschutzgesetz mit Hilfe des Ausfalltatbestands erst einmal verschoben worden.
Ein neuer Termin steht noch nicht fest. Bis dahin heißt es testen, testen und die gewonnene Zeit nicht erneut verschwenden. Auch wenn es zum Leidwesen der großen Medikamentenversender wie Doc Morris ist. Die hatten nicht nur bereits bundesweit Werbung für das E-Rezept plakatiert, sondern auch in einem Mitgliedermagazin der CDU geworben: „E-Mail. E-Banking. E-Mobilität. Ganz einfach normal. Das E-Rezept kommt. Doc Morris“. Mal schau’n, wie sehr der Druck auf die Politik aus dieser Richtung in den nächsten Wochen steigen wird.
Den Mund halten, wenn man nichts zu sagen hat
Mein dritter Wunsch lautet, dass es auch den höchsten Standesvertretern der Heilberufler (man verzeihe mir diesen verallgemeinernden Begriff) zukünftig gelingen möge, auch mal nichts zu sagen. Ja, einfach an den aufgestellten Mikrofonen vorbeizugehen, ohne Äußerungen wie „die Tyrannei der Ungeimpften“ hineinzugranteln oder gar von „kleinen Richterlein“ zu sprechen. Das ist weder angemessen noch standesgemäß, noch gehört es zu den Aufgaben von Medizinerinnen und Medizinern, die Politik in deren Wortwahl zu toppen. Welchen Patienten bekommen da keine Zweifel an der Unabhängigkeit derer, die sie beraten und aufklären sollen? Und impfen …
Obwohl es noch einige Wünsche gäbe, möchte ich es an dieser Stelle bei meinen – zugegeben subjektiven – Gedanken für das neue Jahr belassen. Enden möchte ich mit einem „Auftrag“ für 2022, den ein junger Player im Gesundheitswesen formuliert hat: „Ich würde hier unterscheiden zwischen Themen, die ‚nur‘ Beachtung erhalten und solchen, die tatsächlich auch gelebt werden. Beachtung erhalten viele Themen – mittlerweile auch das Thema Digitalisierung oder ein weiteres Herzensthema von mir: der gegenseitige Respekt und die Wertschätzung im Gesundheitswesen. Gelebt werden diese Themen im Versorgungsalltag jedoch leider noch nicht genug.“[1]
Und das ist letztlich das Entscheidende!
Dr. Uwe Axel Richter, Fahrdorf
[1] Tobias Krick, Mitgründer und Geschäftsführer des Healthcare Innovations Network, im Interview mit kma – Klinik Management Aktuell. https://www.kma-online.de/aktuelles/it-digital-health/detail/5-fragen-an-tobias-krick-46853
Dr. med. Uwe Axel Richter (Jahrgang 1961) hat Medizin in Köln und Hamburg studiert. Sein Weg in die Medienwelt startete beim „Hamburger Abendblatt“, danach ging es in die Fachpublizistik. Er sammelte seine publizistischen Erfahrungen als Blattmacher, Ressortleiter, stellvertretender Chefredakteur und Chefredakteur ebenso wie als Herausgeber, Verleger und Geschäftsführer. Zuletzt als Chefredakteur der „Zahnärztlichen Mitteilungen“ in Berlin tätig, verfolgt er nun aus dem hohen Norden die Entwicklungen im deutschen Gesundheitswesen – gewohnt kritisch und bisweilen bissig. Kontakt zum Autor unter uweaxel.richter@gmx.net.