„Schreiben Sie an Ihre Bundestagsabgeordneten und Ihre Landesgesundheitsminister.“ Diesen Appell richtet der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) in ihrem aktuellen Newsletter an die Mitglieder. Hintergrund ist das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach vorgelegt hat.
DGZMK-Präsident Prof. Dr. Roland Frankenberger: „Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat ein Spargesetz für die Gesetzliche Krankenversicherung vorgelegt, das vom Bundeskabinett verabschiedet wurde und nun im Bundestag verhandelt wird. Das Gesetz sieht deutliche Einsparungen im zahnärztlichen Bereich vor – das Vergütungsvolumen und die Punktwerte sollen für 2023 und 2024 gedeckelt werden.“ Der Gesetzentwurf geht von Minderausgaben für die GKV im vertragszahnärztlichen Versorgungsbereich von rund 120 Millionen Euro im Jahr 2023 und rund 340 Millionen Euro im Jahr 2024 aus.
Geld wird vor allem für PAR-Behandlungen fehlen
„Das, was der Bundesgesundheitsminister sich davon an Einsparungen erhofft, wird für die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten fehlen, gerade für die neue, langfristig angelegte PAR-Behandlungsstrecke. Aber auch alle anderen Leistungen, auch in der Zahnerhaltung, werden darunter leiden“, so Frankenberger. Die Folgen haben die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, aber auch der DGZ-Verbund, die DG Paro und die DGAZ als Fachgesellschaften der DGZMK bereits deutlich beschrieben.
Hohe Kosten für die Praxen, ungebremster Leistungsanspruch der Patienten
Die für 2023 und 2024 geplanten Kürzungen kommen nach Einschätzung der Zahnärzteschaft faktisch einer drastischen Vergütungskürzung und einem Rückfall in die Zeit der strikten Budgetierung gleich. Kürzungen des Ausgabenwachstums bei gleichzeitig ungebremstem Leistungsanspruch der Versicherten, trotz Inflation und expandierender Kostenentwicklung, werden nicht nur der Versorgung der Versicherten schaden, sondern das Erbringen neuer, innovativer Leistungen sowie die längst überfälligen Digitalisierungsprozesse in der Versorgung behindern. Das betrifft vor allem die neue PAR-Richtlinie, die sich immer noch ganz am Anfang ihrer Einführung befindet und deren Behandlungsstrecke mindestens zwei Jahre umfasst.
Hintergrundinformationen und Textbausteine zur Verfügung gestellt
Der DGZMK-Vorstand forderte die DGZMK-Mitglieder daher auf, zeitnah an ihre Bundestagsabgeordneten und Landesgesundheitsminister zu schreiben, da das Gesetz bereits Ende August im Bundestag beraten werden soll: „Das GKV-FinStG gefährdet die Versorgung unserer Patienten.“ Der Vorstand stellte den Mitgliedern daher im Newsletter entsprechende Hintergrundinformationen und Textbausteine zur Verfügung. „Berichten Sie, was diese Budgetierung für Ihre Patientinnen und Patienten und Ihre Praxis bedeuten würde“, so Frankenberger.
Nachdem der Gesetzentwurf Ende Juli vom Bundeskabinett abgesegnet und dem Bundestag zugeleitet wurde, könnte sich dieser voraussichtlich schon Ende August/Anfang September mit dem Gesetz befassen, heißt es. Die Schreiben sollten daher möglichst rasch verschickt werden.
Ärzte protestieren gegen Streichen der Neupatientenregelung
Auch vonseiten der Ärzteschaft kommt weiter deutliche Kritik am GKV-FinStG. Vor allem das Streichen der Neupatientenregelung, die von Lauterbach-Vorgänger Jens Spahn (CDU) zusammen mit den Terminvereinbarungsstellen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen eingeführt wurde, steht in der Kritik. Die Pauschale wurde damals eingeführt, um Kassenpatienten einen besseren Zugang zur fachärztlichen Versorgung zu ermöglichen und Ärzten die Aufnahme von Neupatienten besser zu honorieren und einen Ausgleich für die gleichzeitig erhöhten Sprechzeiten zu bieten.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat dazu eine Unterschriftenaktion bei den Kassenärzten gestartet, zudem wird es am 9. September in Berlin eine außerordentliche Sitzung der KBV-Vertreterversammlung geben, zu der auch Lauterbach eingeladen wurde, um dort die Fragen der Ärzte zu beantworten. Diese können bis zum 6. September Fragen einreichen.
Die „Freie Ärzteschaft“ (FÄ) wirft Lauterbach eine „Rolle rückwärts“ vor. Lauterbach habe selbst als Teil der großen Koalition diese Investition dem damaligen Gesundheitsminister Spahn vorgeschlagen. Die Praxisarbeitszeiten seien seinerzeit per Gesetz um 25 Prozent heraufgesetzt, die zusätzlichen Arbeitsleistungen extra bezahlt worden, die Patienten bekamen schnellere Termine. „Nun also eine Rolle rückwärts, die einer Zechprellerei ähnelt. Denn die zusätzlichen Leistungen der Arztpraxen durch zusätzliche Sprechstundenzeiten sollen weiter verpflichtend bleiben, werden aber einfach nicht mehr bezahlt.“
„Missachtung der ambulant tätigen Arztpraxen“
Gleichzeitig seien die jüngsten Honorarverhandlungen zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zur Festsetzung des allgemeinen Punktwertes und des „Globalbudgets“ für die ambulante Medizin im Folgejahr ergebnislos vertagt worden, die Krankenkassen bieten unverschämt eine Nullrunde an, die KBV fordert eine Punktwerterhöhung um 5,9 Prozent. „Wir haben es hier mit einer völligen Missachtung der ambulant tätigen Arztpraxen von Seiten der Politik und der Kassen zu tun“, kritisiert Wieland Dietrich, Vorsitzender der Freien Ärzteschaft (FÄ). Die Freie Ärzteschaft, die der Telematikinfrastruktur kritische gegenübersteht, kritisiert zudem, dass weiterhin hohe Summen zum Beispiel für nicht praxisreife TI-Anwendungen verschwendet werden.
Die Freie Ärzteschaft fordert vor diesem Hintergrund den Stopp von Lauterbachs Gesetz zur Demontage der ambulanten Medizin, einen Inflationsausgleich für alle Arztpraxen durch eine Punktwerterhöhung um 9 Prozent, rückwirkend für 2022, den Stopp der Verschwendung von 400 Millionen Euro Beitragsgeldern der GKV-Versicherten für einen nutzlosen und maßlos überteuerten Konnektorentausch und den Stopp der Einführung von e-AU, e-Rezept und der elektronischen Patientenakte. „Zudem werden wir alle Möglichkeiten nutzen, unsere Patienten in den Wartezimmern ab sofort über diese gesundheitsschädliche Politik von Herrn Lauterbach aufzuklären. Wir rufen alle ärztlichen und psychotherapeutischen Kolleginnen und Kollegen auf, sich an den laufenden Unterschriftenaktionen und weiteren regionalen und bundesweiten Protestaktivitäten aktiv zu beteiligen“, so FÄ-Vorsitzender Dietrich.