Die vergangenen zwei Wochen hatten es für die standespolitische Schiffchen der Zahnärzteschaft heftig in sich. Der im politischen Berlin seit Jahren angekündigte Quoten-Orkan traf nun real und auch noch zum absolut schlechtesten Zeitpunkt auf 18 zahnärztliche Körperschaften, deren Kapitäne – mitten im Wahlgeschehen stehend – auf den veritablen Sturm nicht wirklich vorbereitet waren.
Denn er traf sie, wenn man so will, mit offenen Ladeluken nahezu manövrierunfähig auf Legerwall vor Anker liegend. Und dann geschah am Wochenende bei den Vorstandswahlen der KZV Rheinland-Pfalz auch noch eine – um im Bilde zu bleiben – Wende, die hochinteressante Folgen zeitigen kann.
Eine Revolution kündigt sich an
Sortieren wir also die Handlungsstränge und beginnen in Rheinland-Pfalz. Dort wählte die Vertreterversammlung am Samstag neben dem in Koblenz niedergelassenen Robert Schwan als neuem Vorsitzenden der VV den Mainzer Dr. Jens Vaterrodt als neuen Stellvertreter. Dr. Kai-Peter Zimmermann, angestellter Zahnarzt in Frankenthal wird, wie man hört, zukünftig drittes Mitglied aus Rheinland-Pfalz in der Vertreter-Versammlung der KZBV.
Erster rein weiblicher Vorstand in der KZV-Welt
Diese Wahlergebnisse waren für Rheinland-Pfälzer Verhältnisse zumindest bemerkenswert. Doch nun zur Revolution: Die Vertreterversammlung wählte mit Dr. Kerstin Bienroth aus der Pfalz und Dr. Christine Ehrhardt aus Mainz als designierte Vorstandsvorsitzende einen rein weiblichen Vorstand! Für die Nennung der Stimmenanteile bleibt das offizielle Wahlergebnis noch abzuwarten.
Zeitschnitt nach Berlin: Die Quote für die Vorstände wird Realität
Machen wir an dieser Stelle einen Zeitschnitt, gehen zwei Wochen zurück und schauen dabei gen Berlin. Die Welle, die die Ampelkoalition mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KGPflEG) lostrat und in KZBV und KZVen schwappen ließ, hat eine heftige Schlagseite für die Körperschaftsschiffe zu Folge. Wohlgemerkt nur für die KZBV und KZV-Welt, denn die Kammern fallen unter Landesrecht.
Dem Namen nach scheint die Zahnärzteschaft vom neuen Krankenhauspflegeentlastungsgesetz gar nicht betroffen zu sein. Aber da es im politischen Berlin zu einem (schlechten) Usus geworden ist, die Gesetzgebung im Omnibusverfahren durchzuführen, hatte man schon einige neue Fristen und Regelungen für die Telematikinfrastruktur darin verpackt. Der eigentliche Knaller aber steckte in den kurzfristigen Änderungsanträgen der Ampel-Koalition, hier vor allem im Antrag Nr. 3 vom 9. November.
Denn besagter Änderungsantrag zum Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Pflegepersonalbemessung sowie zur Anpassung weiterer Regelungen im Krankenhauswesen und in der Digitalisierung“, so die vollständige Bezeichnung des geplanten Gesetzes, hat es für die derzeit im KZV-System wie auch bei der KZBV stattfindenden Wahlen in sich. Der von den Fraktionen der SPD, Bündnis90/Die Grünen und der FDP eingebrachte Antrag ändert den Paragraphen 79 des 5. Sozialgesetzbuches so, dass ab dem 1. Januar 2023 „den Vorständen mindestens eine Frau und mindestens ein Mann angehören müssen.“
Damit will die Ampel die Repräsentanz von Frauen in den kassenärztlichen und kassenzahnärztlichen Vereinigungen wie auch deren Bundesvereinigungen stärken, um die Geschlechterverteilung unter den gesetzlichen Krankenversicherten und den an der Versorgung teilnehmenden Heilberuflern „auch im Vorstand so weit wie möglich abzubilden“.
Vorstandsquote ist nichts Neues
Eine Forderung, die mit Blick auf die hauptamtlichen Vorstände von KZBV und KBV im Übrigen bereits von den Vorgängerregierungen unter Merkel immer wieder erhoben wurde. Man erinnere sich nur an den denkwürdigen Auftritt der damaligen parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium Anette Widmann-Mauz, CDU, anlässlich der Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer, bei der sie mit deutlichen Worten zum Ausdruck brachte, dass kein Spitzenpolitikerin und -politiker „mehr kommen würde“, wenn auf dem Podium nicht endlich auch Frauen sitzen würden. Nebenbei bemerkt: Frau Widmann-Mauz ist seit 2015 auch Vorsitzende der Frauen-Union.
Und auch der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hielt im November 2019 ein Grußwort auf der KZBV-Vertreterversammlung in Berlin, in dem er den Vertragszahnärzten eine Quote ankündigte, wenn diese das Thema Parität und Repräsentanz von Frauen nicht aus eigener Kraft regeln könnten.
Forderungen seit Jahren bekannt
Insoweit kann dieser Änderungsantrag der Ampelkoalition niemanden mehr überraschen, denn die Forderungen sind weder neu noch unbegründet. Vielmehr haben die damit verbundenen Argumente mittlerweile einen so langen Bart – man sehe mir diese eher männliche Metapher nach –, dass man diese schon gar nicht mehr aufzählen mag. Obwohl wir uns mittlerweile im ausgehenden Jahr 2022 befinden, gibt es in den Vorständen der benannten Institutionen trotz der 2019 gestarteten Initiative Frauenförderung der KZBV, manifestiert im Gesamtkonzept der AG Frauenförderung, kaum Frauen, geschweige denn Zahnärztinnen. Und man muss es leider sagen: 2019 war das Thema Feminisierung der Zahnmedizin bereits über ein ganzes Jahrzehnt alt.
Und plötzlich fehlt die Zeit
In der Managementpraxis gibt es einen schönen Satz: „An Zeit fehlt es uns vor allem dort, wo es uns am Wollen fehlt(e).“ Das mag jetzt in manchen Ohren wie ein Vorwurf klingen, ist aber lediglich die Feststellung des Fakts, den die KZBV in ihrer ergänzenden Stellungnahme zu besagtem Änderungsantrag kalmierend so verbalisiert: „Der von der Selbstverwaltung bereits in 2019 angestoßene Prozess zur Stärkung des Engagements und Mitarbeit von Frauen in den Gremien der Selbstverwaltung (gemeint ist die AG Frauenförderung der KZBV, Anm. d. Autors) hat bereits Früchte getragen“.
Nun haben es Früchte an sich, dass man sie – egal ob klein oder groß – sehen kann. Und damit kommen wir zu dem Knackpunkt, den die KZBV nur einen Satz weiter so formuliert: „Zur bundesweiten Erreichung dieses seitens der Politik und der Selbstverwaltung gesetzten Ziels fordert die KZBV den Gesetzgeber auf, den Geltungszeitpunkt der Regelung in § 79 Abs. 4 SGB V-E zur paritätischen Beteiligung der Frauen im Vorstand der K(Z)Ven und der K(Z)BV um sechs Jahre – also mit Wirkung zum 01.01.2029 zu verschieben.“
Morgen, morgen, nur nicht heute …
Damit sind wir abseits aller wohlmeinenden Wortspenden der vergangenen Jahre zur Beteiligung von Zahnärztinnen in den entscheidenden Gremien bei des Pudels Kern: Warum passierte so wenig, obwohl der Gesetzgeber bereits Quoten in den Vorständen der Krankenkassen gesetzlich vorschrieb? Obwohl bis auf FDP und AfD alle anderen Parteien Vorgaben für eine Frauenquote haben? Sollte der Terminplan der Ampelkoalition eingehalten werden, pressiert natürlich die Zeit. Denn bis zum Scharfschalten des geplanten KGPflEG zum 1. Januar 2023 es sind nur noch 1,5 Monate. Das nennt man wohl Pistole auf die Brust setzen.
„Maßlose Respektlosigkeit“
Das muss auch Harald Schrader, Bundesvorsitzender des FVDZ, so empfunden haben, als er zum verbalen Gegenschlag ausholte und die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach geplante gesetzliche Geschlechterquote als eine „maßlose Respektlosigkeit gegenüber den ehrenamtlich Tätigen“ bezeichnete. Hinsichtlich des Zeitpunkts mutmaßte er absichtliches Unruhe säen seitens des BMG. Er dürfte damit nicht falsch liegen, denn mitten in die laufende Wahlperiode der KZVen und KZBV so eine Vorgabe „zu ballern“, kann nur als eine weitere Eskalation seitens des Ministers verstanden werden, der auf dem Auge der ambulanten Versorgung eh schon blind zu sein scheint. In der Sache aber gilt oben Gesagtes – es war mehr als genug Zeit, die Aufgabe selbst zu lösen.
Was kann im schlimmsten Fall passieren
Diese Sichtweise wird jedoch nicht von allen geteilt. Die zahnärztlichen Frauenverbände VZAE+ und Dentista beurteilen die Lage nicht nur naturgemäß anders. Mangel an geeigneten Frauen – Betonung liegt auf dem Wort geeignet – für die hauptamtliche Vorstandstätigkeit sieht Dentista nicht. Zitat: „Wir alle sind Akademiker und unser Engagement gilt dem Berufsstand und der zahnmedizinischen Versorgung der Bevölkerung. […] Viele Kolleginnen haben in den letzten Jahren die AS-Akademie durchlaufen, um sich im Bereich Standespolitik fortzubilden, in dem Bewusstsein, dass an den Spitzen von KZVen und Kammern kein Kaffeekränzchen abgehalten, sondern hart für die Zahnärzte(schaft) gekämpft wird.“
Was kann bei der vom Gesetzgeber geplanten Quote im schlimmsten Fall passieren? Es sitzt eine inkompetente Akademikerin mit Förderbedarf zwischen Männern im Vorstand. Das sage nicht ich, sondern steht so in der Stellungnahme von Dentista. Wie wahr.
Steile Karriere möglich
Apropos KZV-Wahl in Rheinland-Pfalz. Für die anstehende Wahl zum KZBV-Vorstand stehen nun zwei weitere Frauen zur Verfügung, mit Dr. Christine Ehrhardt sogar eine aus der AG Frauenförderung. Soll also niemand sagen, dass es nicht möglich sei, Karlchens Terminvorgaben umzusetzen. Es sind spannende Zeiten, dann vor allem für die KZV-RLP.
Dr. Uwe Axel Richter, Fahrdorf
Dr. med. Uwe Axel Richter (Jahrgang 1961) hat Medizin in Köln und Hamburg studiert. Sein Weg in die Medienwelt startete beim „Hamburger Abendblatt“, danach ging es in die Fachpublizistik. Er sammelte seine publizistischen Erfahrungen als Blattmacher, Ressortleiter, stellvertretender Chefredakteur und Chefredakteur ebenso wie als Herausgeber, Verleger und Geschäftsführer. Zuletzt als Chefredakteur der „Zahnärztlichen Mitteilungen“ in Berlin tätig, verfolgt er nun aus dem hohen Norden die Entwicklungen im deutschen Gesundheitswesen – gewohnt kritisch und bisweilen bissig. Kontakt zum Autor unter uweaxel.richter@gmx.net.