Wohl kaum eine Personalie hat in den vergangenen Tagen so die Medien beschäftigt wie die Kür von Jens Spahn zum „Bundesgesundheitsminister elect“ durch die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel. Seit 1991, als das Bundesministerium für Gesundheit wieder zu einem eigenständigen Ressort wurde, hat kein designierter Amtsinhaber so einen Medienrummel erlebt – und diesen auch noch selbst kräftig durch Interviews und Talkshow-Auftritte mit befeuert.
Überwiegend positive Bilanz bei Gröhe
Der noch geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe wurde vom Sonderparteitag der CDU am 26. Februar 2018 in Berlin mit Standing Ovations verabschiedet und wird – so zumindest der aktuelle Stand – zunächst in der politischen Versenkung verschwinden. Gröhe hat die gesundheitspolitisch auf „bessere Versorgung“ ausgerichtete Agenda des Koalitionsvertrags der letzten GroKo sauber abgearbeitet. Die gute Finanzlage der Kassen kam ihm dabei zugute. Die Zahnärzteschaft kann weitgehend mit seiner Arbeit zufrieden sein, immerhin hat er mit der aufsuchenden Betreuung für Pflegebedürftige, den Präventionsleistungen für Patienten mit Handicap (Paragraf 22a SGB V) und neuen Leistungen für die Null- bis- Dreijährigen das zahnärztliche Versorgungsspektrum in der Gesetzlichen Krankenversicherung erweitert.
Als unerfreuliche bis unnötige Gesetzesvorhaben aus seiner Zeit werden der Standespolitik und den niedergelassenen Zahnärzten das „GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz“ und das E-Health-Gesetz als anhaltende Ärgernisse bleiben. Die Öffnung der arztgleichen Medizinischen Versorgungszentren und damit den neuen Weg des Z-MVZ dürften Standespolitik und niedergelassene Zahnärzteschaft unterschiedlich beurteilen.
Fachliche Qualifikation unbestritten
Nun also Jens Spahn. Die fachliche Qualifikation spricht ihm niemand ab, die Jahre im Gesundheitsausschuss und als gesundheitspolitischer Sprecher der CDU haben ihm einen tiefen Einblick und fundierte Kenntnisse des komplexen Gesundheitssystems verschafft. Er hat den gesundheitspolitischen Teil des Koalitionsvertrags von 2013 mit Prof. Karl Lauterbach von der SPD ausgehandelt – und musste dann wie dieser gegen Gröhe bei der Besetzung des Amtes zurückstehen.
Die zahnärztliche Standespolitik hat eine lange und in weiten Teilen positive Geschichte mit ihm, man kennt sich und die Themen. Aus dieser Sicht ist Spahn eine gute Wahl – ebenso, wie es Annette Widmann-Mauz gewesen wäre, die langjährige parlamentarische Staatssekretärin im BMG, die nun ins Kanzleramt als Verantwortliche für das Thema Integration wechseln soll.
Ritt auf der Rasierklinge
Aber Spahn ist nicht nur wegen seiner Qualifikation für das Amt auserkoren worden. Er soll auch den konservativen Flügel der CDU in der neuen Bundesregierung vertreten. Er muss nicht nur die Gesundheits-und Pflegepolitik einer GroKo mit einem schwierigen Koalitionsvertrag und vielen Ankündigungen gestalten und umsetzen und das Haus selbst neu bestellen (es stehen einige personelle Neubesetzungen an). Er muss eben auch ein politisches Profil innerhalb der CDU bedienen. Das wird nicht nur einmal einen Spagat oder einen Ritt auf der Rasierklinge für ihn bedeuten.
Nicht zuletzt, weil Spahn bekanntermaßen meinungsfreudig ist. Schon nach seiner Nominierung hat er medial Pflöcke eingeschlagen – bei der Pflege, der verbesserten Versorgung (Stichwort Wartezeiten), gegen eine Bürgerversicherung, für Veränderungen bei der PKV etc. – und damit dem Koalitionspartner SPD durchaus auf die Füße getreten. Er macht auch keinen Hehl aus seinem Faible für die Telematik als Lösung für alle möglichen Probleme.
Das Bundesgesundheitsministerium wird neben dem Verteidigungsressort gerne als das Ministerium mit der höchsten Verschleißquote und Schleudersitzqualität tituliert (nach dem Motto: „Wen Merkel loswerden will, den setzt sie ins BMG“). Das politische Kabarett sieht Spahn schon auf dem Friedhof der gescheiterten unbekannten Minister zwischen Daniel Bahr und Philipp Rösler. Das könnte sich als Irrtum erweisen. Ein einfacher Job aber wird es für ihn trotz aller Qualitäten nicht werden.
Dr. Marion Marschall