Mit großer Skepsis sehen die meisten Gesellschafter der Gematik deren öffentliche Aussage, dass die bisherige Testphase zur Einführung des Elektronischen Rezepts (eRezept) „erfolgreich“ verlaufen sei. „Das Gegenteil ist der Fall: Tatsächlich sind die Tests in der Fokusregion Berlin-Brandenburg nicht aussagekräftig“, so die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), die Bundesärztekammer (BÄK), die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Deutschen Apothekerverband (DAV). Sie halten den jetzt zum 1. Dezember ausgerufenen bundesweiten Test für nicht sinnvoll.
In der gemeinsamen Pressemitteilung der sechs Organisationen heißt es, in der ursprünglichen Testphase sollten sogenannte Mengengerüste, die als Qualitätskriterien dienen, bis Ende September erreicht werden. Aber selbst nach einer Verlängerung bis Ende November seien diese noch immer nicht erreicht worden: „So sollten für einen bundesweiten Rollout mindestens 1.000 E-Rezepte ausgestellt und erfolgreich abgerechnet werden – aktuell sind es lediglich 42. Zudem konnte weder die Anzahl der teilnehmenden Systeme in den Arzt-, Zahnarztpraxen beziehungsweise Apotheken noch die Anzahl der teilnehmenden Krankenkassen im Test erreicht werden. Ein Krankenhaus war an den Tests bisher nicht beteiligt.“
Ob alle Anwendungen uneingeschränkt funktionieren, ist aufgrund des niedriger ausgefallenen Testvolumens zweifelhaft und daher noch nicht abschließend zu beurteilen, so die Organisationen. Täglich werden in Arzt- und Zahnarztpraxen etwa zwei Millionen Rezepte ausgestellt. Fehlerhaft übermittelte E-Rezepte sind nicht nur eine Belastung für Ärzte, Zahnärzte und Apotheken, sie seien insbesondere eine Gefährdung der Patientensicherheit.
„Der durch die Stimmmehrheit des Bundesgesundheitsministeriums herbeigeführte Beschluss der Gematik-Gesellschafterversammlung, das E-Rezept ab dem 1. Dezember 2021 bundesweit in ausgewählten Pilotpraxen und -apotheken der Softwarehersteller zu testen, ist vor diesem Hintergrund nicht sinnvoll. Der Gegenvorschlag der Vertreter der Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Krankenhäuser sowie Kostenträger, die Beendigung der erfolgreichen Testung an transparente Qualitätskriterien anzubinden, die jeder Anbieter zu erfüllen hat, wurde somit abgelehnt“, heißt es in der gemeinsamen Meldung.
Ankündigungen der Gematik zur bundesweiten Testphase
Am 24. November 2021 hatte die Gematik gemeldet, die bisherige Testphase für das E-Rezept in Brandenburg sei erfolgreich gewesen. Allerdings hätten nur wenigen Praxen und Apotheken Erfahrungen damit sammeln können, deswegen werde der Testbetrieb jetzt auf weitere Regionen ausgeweitet.
Am 1. Dezember wurde eine explizite Aufforderung veröffentlicht, die bundesweite Testphase jetzt intensiv zu nutzen, da bisherige Aufrufe ohne Erfolg geblieben seien: „Trotz des mehrfachen Angebots haben bisher nur vier Praxisverwaltungssysteme an der Testphase teilgenommen, obwohl der Marktanteil der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zertifizierten Praxisverwaltungssysteme bereits bei 94 Prozent liegt.
Auch die Anzahl der aktuell aktiv beteiligten Krankenkassen (AOK Nordost, IKK BB) ist noch zu gering. Woran nun mit Hochdruck gearbeitet werden muss, ist der reibungslose Prozess der Abrechnung zwischen den Abrechnungszentren, den Krankenkassen sowie deren technischen Dienstleistern.“ Im Endspurt vor der Einführung des E-Rezepts sei nun gemeinsames Miteinander gefragt. Denn, so die Gematik: „Ein Projekt dieser Größenordnung kann nur gemeinsam mit allen Beteiligten und Partnern gelingen.“
An der bundesweit verpflichtenden Einführung zum 1. Januar 2022 für diejenigen, die dazu technisch in der Lage sind, E-Rezepte zu erstellen beziehungsweise einzulösen, ändere sich nach wie vor ebenfalls nichts. „Die Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Krankenhäuser appellieren aber dringend an den Gesetzgeber, die Anwendung des E-Rezeptes erst nach einer ausreichenden Testphase und erwiesener Praxistauglichkeit für den Regelbetrieb in den Praxen vorzusehen“, so die Vertreter der Ärzte, Zahnärzte, Kliniken und Apotheker.