Die vergangenen Monate waren hochpolitisch: Nach dem zähen Ringen um das Terminservice- und Versorgungsgesetz und den letztlich erfolgreichen Bemühungen, der ungebremsten Ausbreitung von versorgungsfremden Investoren in der Zahnmedizin zumindest Grenzen zu setzen, kommen der Vorstand der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und die Delegierten ab morgen in Köln zu einer Vertreterversammlung zusammen. Als wichtigstes Selbstverwaltungsorgan der KZBV und zugleich oberstes Entscheidungsgremium der Vertragszahnärzteschaft stehen bei dieser „Arbeits-VV“ einmal mehr eine Reihe wichtiger Entscheidungen an. Denn politisch geht es mit Hochdruck weiter – der Bundesgesundheitsminister will nicht nur im Bereich E-Health und Digitalisierung schnelle Erfolge vermelden können.
Der Vorsitzende des Vorstands, Dr. Wolfgang Eßer und seine beiden stellvertretenden Vorstandskollegen Martin Hendges und Dr. Karl-Georg Pochhammer gaben im Gespräch mit QN-Chefredakteurin Dr. Marion Marschall in der KZBV in Köln Auskunft über aktuelle Aufgaben, die Themen der VV und die nächsten Herausforderungen für die Vertragszahnärzteschaft in Deutschland.
Das Terminservice- und Versorgungsgesetz, kurz TSVG, ist beschlossen. Es ist Ihnen gelungen, eine Quotenregelung für die Gründung zahnärztlicher MVZ – so genannte Z-MVZ – durch Krankenhäuser im Gesetz zu erreichen, die den Aktivitäten von Fremdinvestoren Grenzen setzen soll. Wie geht es jetzt weiter?
Dr. Wolfgang Eßer: Noch hat das Gesetz in diesem Bereich keine erkennbaren Auswirkungen, dafür ist es auch zu früh. Das TSVG ist ja erst im Mai in Kraft getreten. Aber wir werden jetzt natürlich sehr genau beobachten, ob und wie die Quotenregelung für Z-MVZ wirken wird. Dazu haben wir in den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und in der KZBV entsprechende Vorkehrungen getroffen. Unsere Erkenntnisse werden wir dann dem BMG in geeigneter Form zur Verfügung stellen.
Ich habe den Eindruck, dass viele politische Beobachter sich noch nicht im Klaren darüber sind, welche enorme Bedeutung eine solche Sonderregelung für den zahnärztlichen Bereich politisch entfaltet und wie schwierig es war, sie durchzusetzen. Gerade für einen vergleichsweise kleinen Versorgungsbereich wie die Zahnmedizin war das ein erheblicher Kraftakt, die Politik von unseren Argumenten zu überzeugen. Und am Anfang des Gesetzgebungsverfahrens standen die Chancen für uns auch alles andere als gut - um es vorsichtig auszudrücken.
Martin Hendges: Es waren umfangreiche Vorarbeiten erforderlich, damit die Informationen, die die KZVen während des parlamentarischen Verfahrens zum TSVG zum jeweiligen Versorgungsgrad bereitgestellt haben, rechtlich unangreifbar waren und auch auf Bundesebene einheitlich erhoben wurden. Wir haben bei diesen Versorgungsdaten äußerst gewissenhaft gearbeitet, um keine offenen Flanken zu bieten. Die in Rede stehenden Zahlen liegen jetzt sauber vor und wurden auch vielfach schon veröffentlicht. Zudem analysieren wir fortlaufend die strukturellen Veränderungen bei den Praxen und die bundesweiten Aktivitäten der Investoren aus dem In- und Ausland.
Eßer: Uns geht es vor allem darum, die flächendeckende und wohnortnahe Versorgung im ländlichen Raum zu stärken und darüber hinaus einen letztlich ruinösen Wettbewerb bei niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen in Städten und Ballungsräumen möglichst zu vermeiden. Ob das mit der Quotenregelung für die Gründung zahnärztlicher MVZ im TSVG gelingt, werden wir sehen. Der Minister und auch der parlamentarische Staatssekretär Gebhart haben uns aber in jedem Fall versichert, die weitere Entwicklung ebenfalls zu beobachten und gegebenenfalls einzugreifen, wenn es in diesem Bereich Fehlentwicklungen gibt.
Keiner will aufs Land, nur wenige wollen sich niederlassen, so das häufig von der Ärzteseite auch auf die Zahnärzteschaft übertragene Klischee. Sie setzen weiter auf die Versorgung durch niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte – mit welchen Konzepten soll das gelingen?
Eßer: Auf jeden Fall mit unseren eigenen Konzepten, die aus dem Berufsstand selbst heraus erarbeitet wurden. Dafür brauchen wir keine Fremdinvestoren, die bekanntlich ganz andere Ziele verfolgen. Wir intensivieren bereits seit einiger Zeit in den KZVen die Beratung für Existenzgründer und junge Teams in eigenen Praxen. Der wirtschaftliche Teil der Praxisführung spielt dabei eine zentrale Rolle. Wir kennen in den KZVen ja die relevanten Zahlen und Parameter, und wir geben dieses wertvolle Wissen an die jungen Kolleginnen und Kollegen gerne weiter.
Uns geht es dabei um zukunftsorientierte Praxiskonzepte. Möglichkeiten für die Weiterentwicklung der bewährten Einzelpraxis sind zum Beispiel größere und flexiblere Einheiten, etwa durch die Ausweitung von Anstellungsgrenzen, flexiblere Arbeitszeiten oder eine zusätzliche Erweiterung des Behandlungsspektrums. Die Einzelpraxis hat zwar auch weiterhin eine Zukunftsperspektive, wird sich aber im Wettbewerb mit anderen Praxisformen grundlegend verändern müssen. Zu diesem zentralen Ergebnis kommt auch eine wissenschaftliche Untersuchung, die das Institut der Deutschen Zahnärzte vor einigen Monaten in Köln vorgestellt hat.
Praxisformen und deren Größenwachstum unterliegen demnach einem erheblichen Wandel. So kann die vertragszahnärztliche Tätigkeit heutzutage bereits auch in Kooperationsform einer (überörtlichen) Berufsausübungsgemeinschaft oder einer Praxisgemeinschaft erfolgen. Und die Entscheidung für eine dieser Kooperationsformen ist nicht gleich für das gesamte Arbeitsleben festgelegt.
Die Analyse weist zudem nach, dass diese Entwicklung bislang aber nicht zum Rückgang der Einzelpraxis geführt hat. Die erweiterten Möglichkeiten der Beschäftigung von angestellten Zahnärzten lassen die Unterschiede zwischen den Praxisformen jedoch zunehmend verschwimmen. Während der „Einzelkämpfer“ vermutlich verschwinden wird, haben Einzelpraxen als solche durchaus Entwicklungschancen.
Ein wichtiger Trend verfestigt sich dabei schon lange: Die junge Zahnärztegeneration will ihre berufliche Tätigkeit flexibel in Praxisformen ausüben, die ganz auf ihre Bedürfnisse und Vorstellungen angepasst sind, etwa der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dazu bedarf es intelligenter Modelle, die ein positives Gründungsumfeld und eine ökonomisch nachhaltige Praxistätigkeit ermöglichen. Auch für die nächste Generation von Zahnärzten muss – bei gleichbleibend guten Lebensbedingungen – unser Beruf ein freier Beruf bleiben.
Wir müssen also die Idee des niedergelassenen, freiberuflich tätigen Zahnarztes aus dem tradierten Gründungsverhalten überführen in ein Modell auf der Höhe der Zeit, das sich auch wirtschaftlich trägt und den veränderten Vorstellungen der jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte Rechnung trägt. Das verlangt intensivere Beratung – eine Zahnarztpraxis ist auch ein Unternehmen, das perspektivisch geschickt geführt werden muss. Aber es erlaubt zugleich auch viel Flexibilität in verschiedenen Lebensphasen. Das wird oft zu wenig beachtet.
„Die KZVen müssen sich ganz klar von den Abrechnungsstellen der Vergangenheit hin zu Dienstleistern der Zukunft entwickeln“
Aber das verlangt auch „andere“ KZVen, als sie viele Zahnärzte aus der Vergangenheit kennen und immer noch wahrnehmen.
Eßer: Die KZVen müssen sich ganz klar von den Abrechnungsstellen der Vergangenheit hin zu Dienstleistern der Zukunft für die Vertragszahnärzteschaft entwickeln. Das ist nach intensiven Diskussionen und Analysen allen Beteiligten völlig klar und der dafür nötige Wandel hat ja zum Teil auch bereits eingesetzt. Einige KZVen sind hier schon sehr weit, andere auf einem guten Weg. Das verlangt auf allen Ebenen ein Umdenken, ein anderes Handeln sowie ein anderes Auftreten. Auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der KZVen geht das nicht mal eben von heute auf morgen. Aber wir haben in der vertragszahnärztlichen Selbstverwaltung schon gemeinsam ein gutes Stück eines langen Weges zurückgelegt. Und den Rest der Strecke packen wir auch noch.
Hendges: Es ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts natürlich unsere Aufgabe, gesetzliche Vorgaben in unserem Versorgungsbereich umzusetzen und auf deren Einhaltung zu achten, Verstöße gegebenenfalls auch zu sanktionieren. Aber es ist ebenso unsere Aufgabe, unseren Mitgliedern die Umsetzung und Einhaltung dieser gesetzlichen Regelungen so einfach wie möglich zu machen, sie dabei zu unterstützen, weitere Belastungen von ihnen abzuwenden und sie von überflüssiger Bürokratie wenn möglich zu entlasten. Das ist ein ganz anderes Denken, als noch vor einigen Jahren.
Über welche Möglichkeiten denken Sie zurzeit jenseits des bestehenden GKV-Rahmens und der üblichen KZV-Aktivitäten noch nach?
Eßer: Auch wenn die KZVen nicht ausdrücklich nach Paragraf 105 Absatz 1c SGB V ermächtigt sind, bei Unterversorgung eigene Einrichtungen zu gründen oder Mittel aus einem Strukturfonds einzusetzen, haben wir doch eine Reihe von anderen Möglichkeiten. Für die zahnärztliche Versorgung benötigen wir das Instrument der Ermächtigung nicht zwingend. Eine drohende Unterversorgung ist heute noch so gering und derart lokal begrenzt, dass wir das mit anderen Mitteln selbst in den Griff bekommen sollten. Dazu zählt, dass die KZVen – neben bereits beschriebenen Instrumenten – verstärkt die Kommunen beraten können, wenn es um den Erhalt einer flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung durch Zahnarztpraxen geht.
Wir schauen uns natürlich auch alle anderen Modelle an, die aktuell diskutiert werden, wie etwa Genossenschaften, die „Zahnarztpraxis der Zukunft “ der ZA eG und der ApoBank sowie auch Stiftungsmodelle. Welche Chancen bieten regionale Konzepte, bei denen wir alle Beteiligten vom Handel bis zur Bank zusammenbringen, um gemeinsam eine abgestimmte Lösung zu erarbeiten? Welche Mentoring-Konzepte könnten sinnvoll sein? Wie steht es mit einer Dienstleistungsgesellschaft? Wie Sie sehen, gibt es hier viele Ideen und Überlegungen in alle Richtungen. Wir werden zu dem Thema auch noch eine Klausurtagung ansetzen, um alle diese Konzepte zu bündeln, weiterzuentwickeln und konkrete Umsetzungsschritte zu besprechen.
Für die künftige Sicherstellung der Versorgung benötigen wir jedoch den vollen Instrumentenkasten. Wir fordern den Gesetzgeber auf, uns diese Instrumente optional an die Hand zu geben. Hier sollte die Politik nicht erst handeln, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist und die Versorgung in ländlichen Räumen nicht mehr sichergestellt werden kann.
Hendges: Wir können und wollen aber mit diesen Aktivitäten selbstverständlich nicht in den Markt eingreifen. Unternehmerisch tätige und freiberuflich handelnde Kolleginnen und Kollegen sind das Ziel, das wir unterstützen und für das wir uns einsetzen. Den Erfolg oder Misserfolg einer Praxis müssen die Zahnärzte letztendlich immer selbst verantworten. Aber wir als Körperschaften können sie und ihr Team bei ihrem Weg begleiten und gemeinsam mit der Politik günstige Rahmenbedingungen schaffen, etwa durch eine adäquate Honorierung oder durch den Abbau von Hürden bei der Niederlassung.
Wie hat sich aus Sicht der KZBV die wirtschaftliche Situation für die Praxen entwickelt?
Eßer: In den vergangenen Jahren haben wir eine ganze Menge erreicht. Die Vergütung für die Praxen hat sich nachweislich verbessert – durch die Endbudgetierung, den erst kürzlich durchgesetzten Wegfall der Degression und nicht zuletzt durch Leistungen wie die aufsuchende Betreuung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung, durch neue präventive Leistungen für besonders vulnerable Patientengruppen über den Paragrafen 22a SGB V und jetzt zum 1. Juli die zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen für Kinder vom 6. bis zum vollendeten 33. Lebensmonat. Das alles sind neue Bestandteile des GKV-Leistungskataloges, die von den Kostenträgern bezahlt werden müssen.
„Es stehen jetzt für Patienten und Praxen in der vertragszahnärztlichen Versorgung deutlich mehr Mittel zur Verfügung“
Hendges: Und wir haben uns auch sonst beim Gesetzgeber immer wieder erfolgreich für die Interessen des Berufsstandes stark gemacht und dazu beigetragen, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Praxen verbessern. Das ist in der Gesamtwirkung nicht zu unterschätzen. Allein der im TSVG festgeschriebene Wegfall der Degression macht pro Jahr viele Millionen Euro aus, die bis dahin von der Regelung betroffene Praxen jetzt für ihre erbrachten Leistungen endlich erhalten.
Rechnet man alle positiven Effekte der vergangenen Jahre wie zum Beispiel Ausweitungen des GKV-Leitungskataloges, bevorstehende Erhöhungen der Festzuschüsse und den Wegfall versorgungsschädlicher gesetzlicher Regelungen zusammen, dann stehen jetzt für Patienten und Praxen in der vertragszahnärztlichen Versorgung deutlich mehr Mittel für eine flächendeckende und wohnortnahe vertragszahnärztliche Versorgung zur Verfügung.
Wie ist die Reaktion auf die bereits im Vorfeld erreichte Ausweitung der Zahl angestellter Zahnärzte pro niedergelassenem Vertragszahnarzt?
Eßer: Zahlen zu den Auswirkungen haben wir derzeit noch nicht. Dafür war die Zeit seit Inkrafttreten der Regelung noch zu kurz. Aber entsprechende Umfragen laufen. Wir werden über die Entwicklungen berichten, sobald dazu belastbare Daten vorliegen.
Dr. Karl-Georg Pochhammer: Die Reaktionen auf die Neuregelung als solche waren aber bereits sehr positiv. Dass wir diese Ausweitung auf bis zu vier angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte – auf das Vollzeitäquivalent gerechnet – pro Vertragszahnarzt so schnell haben erreichen können, ist für viele Kolleginnen und Kollegen ein positives Signal. Mit dieser Regelung wird dem Bedarf junger Kolleginnen und Kollegen umfangreich Rechnung getragen, vor allem während der Assistenzzeit in größeren Praxisstrukturen zu arbeiten. Zudem haben die Niedergelassenen jetzt die Möglichkeit, ihre Praxisstrukturen zu vergrößern ohne zwingend die Rechtsform des MVZ wählen zu müssen.
Wie steht es mit der umstrittenen Zahl der Vorbereitungsassistenten in zahnärztlichen Medizinischen Versorgungszentren? Gibt es da bald eine bundeseinheitliche Regelung?
Hendges: Eine höchstrichterliche Entscheidung in dieser Angelegenheit steht bis dato noch aus. Allerdings ist aktuell ein einschlägiges Verfahren beim Bundessozialgericht anhängig, so dass wir mit einer baldigen Klärung dieser Frage rechnen können. Der Weg durch die Instanzen in Kassel ist bekanntlich lang.
Eßer: Bis dahin entfalten die sehr unterschiedlich ausgestalteten Assistenten-Richtlinien der KZVen weiterhin Wirkung.
Wie ist die Situation bei der Anbindung an die TI-Infrastruktur bei den Zahnärzten? Bei den Ärzten scheint es ja größere Probleme mit Verweigerern zu geben.
Pochhammer: Diese Probleme haben wir bei den Zahnarztpraxen tatsächlich in dieser Form nicht. Die Bereitschaft der zahnärztlichen Kolleginnen und Kollegen, ihre Praxen an die TI-Infrastruktur anzuschließen, ist hoch. Das zeigen auch die Zahlen aus den KZVen – Thüringen zum Beispiel hat schon eine Bestell- und Anschlussquote von 100 Prozent gemeldet. Von den KZVen wissen wir, dass manche Zahnärztinnen und Zahnärzte erfolgte Bestellungen und oder den Anschluss an die TI noch nicht an ihre KZV gemeldet und folglich auch die vereinbarte Erstattung durch die Kassen nicht geltend gemacht haben. Wir können aber auch an den ausgegebenen elektronischen Praxisausweisen abschätzen, wie viele Praxen bestellt haben oder schon angemeldet sind. Insgesamt sind die Anschluss- und Bestellquoten bundesweit hoch und liegen in den meisten KZVen um die 90 Prozent.
Und was passiert mit Verweigerern?
Pochhammer: Da hat der Gesetzgeber klare Vorgaben mit Honorarkürzungen gemacht und die müssen die KZVen dann auch umsetzen. Wir versuchen, die skeptischen Kolleginnen und Kollegen zu informieren, zu überzeugen und zu motivieren, sich an die TI anzuschließen. Das Thema Telematik und eHealth nimmt jetzt gewaltig Fahrt auf. Wer mit seiner Praxis nicht angeschlossen ist, wird eher über kurz als über lang an wichtigen Teilen der vertragszahnärztlichen Versorgung nicht mehr problemlos teilnehmen können. Bestimmte Daten und Informationen, die für die Abrechnung unverzichtbar sind, werden dann im geschützten Bereich der eGK abgelegt sein, die ohne TI-Anbindung schlicht nicht mehr zugänglich sind. Und unser Ziel ist es ja unter anderem auch, mit der Telematik auch Erleichterungen, und weniger Bürokratie für die Praxen zu erreichen.
„Die zahntechnischen Labore müssen die Möglichkeit erhalten, sich ebenfalls an die TI anzubinden“
Der Minister macht mit seinem neuen Gesetzentwurf für das Digitale Versorgung-Gesetz ja weiter mächtig Druck. Wie bewertet die KZBV diesen Gesetzentwurf?
Pochhammer: Das Gesetz enthält viele gute Ansätze, allerdings greift es für die Vertragszahnärzteschaft an einigen Stellen noch zu kurz. Wir wollen und müssen bei vielen geplanten Anwendungen von Anfang an dabei sein – das ist über den Gesetzentwurf bislang noch nicht gewährleistet. Und für uns besonders wichtige Partner in der Versorgung – die zahntechnischen Labore – müssen die Möglichkeit erhalten, sich ebenfalls an die TI anzubinden.
Für die im Entwurf des DVG vorgesehenen höheren Strafen für TI-Verweigerer sehen wir keinen Grund, sie sind kontraproduktiv. Auch die zahlreichen Fristen für verschiedene Projekte sind häufig zu kurz gesetzt. Wir haben es ja in der Regel mit komplexen Anwendungen zu tun, die zugleich auch sicher sein sollen und im Praxisalltag funktionieren müssen. Das braucht eine sorgfältige Entwicklung und die nötige Zeit für die Umsetzung.
Wie bewerten Sie das Thema Datensicherheit und Datenschutz?
Pochhammer: Da hat es ja durch Berichte über mögliche Falschinstallationen der TI-Infrastruktur in den vergangenen Wochen einige Unruhe gegeben. Die gematik prüft diese Fälle. Allerdings sind hier ganz eindeutig die Hersteller auf Industrieseite und deren Servicepartner in der Pflicht, die Installationen so sicher durchzuführen, wie die gematik das in ihren beiden Szenarien zum Reihen- bzw. Serienanschluss oder Parallelanschluss vorgegeben hat. Wenn da bei der Umsetzung dieser Vorgaben Fehler passiert sein sollten, muss natürlich nachgearbeitet werden. Dass die TI-Infrastruktur hinter dem Praxisrechner sicher ist, dafür sind Hersteller und gematik verantwortlich.
Natürlich liegt die Verantwortung für die Datensicherheit der Praxis-EDV zunächst beim Praxisinhaber, das gilt auch für den Internetanschluss der Praxis. Dafür gibt es entsprechende Vorgaben aus der Datenschutzgrundverordnung und anderen einschlägigen Regelungen, die eingehalten werden müssen.
Wie geht es beim Konzept für die Neubeschreibung und Neubewertung der parodontologischen Leistungen im BEMA weiter?
Eßer: Wir rechnen noch vor der Sommerpause mit einem Bericht der Fachberatung Medizin des Gemeinsamen Bundesausschusses, in dem die bestverfügbare und nicht wie bisher die bestmögliche Evidenz zu den parodontologischen Fragestellungen, vor allem zum Nutzen der Unterstützenden Parodontitistherapie, der UPT ausgewertet wird. Auf dieser Grundlage werden wir dann das politische Umfeld umfassend informieren und die Notwendigkeit aufzeigen, hier etwas zu tun.
Hendges: Dann geht es den bekannten Weg im G-BA – die Leistungsbeschreibung in der Behandlungsrichtlinie muss an die Ergebnisse der Methodenbewertung angepasst werden und am Schluss steht dann die wirtschaftliche Bewertung.
Welche Themen stehen noch auf der Agenda der VV beziehungsweise des Vorstands?
Hendges: Aus dem TSVG haben wir ja noch eine Reihe weiterer Arbeitsaufträge, die wir noch umsetzen müssen, zum Teil aber auch schon umgesetzt haben – die Mehrkostenregelung in der Kieferorthopädie, die bereits entfallene Degressions-Regelung bei den Honoraren sowie die Vereinbarung über die Einführung eines elektronischen Antrags- und Genehmigungsverfahren. Dazu kommen unsere laufenden Projekte wie die Datenerhebung zur zahnärztlichen Versorgung im Rahmen des Zahnärzte-Praxis-Panels und vieles mehr.
Eßer: Im Juni hat zudem eine Anhörung im Gesundheitsausschuss stattgefunden, bei der es um die adäquate Beteiligung von Frauen in den Gremien und Institutionen des Gesundheitswesens ging. Die Bundestagsfraktion der Grünen hat dazu einen entsprechenden Antrag eingebracht. Diese zwei Stunden im Ausschuss waren eine gute Bestandsaufnahme mit vielen Anregungen für Verbesserungsmöglichkeiten.
Aktuell ist der Stand bei den KZVen und bei der KZBV zugegebenermaßen noch unbefriedigend. Im Vorstand der KZBV gibt es bekanntlich keine Frau, in den KZVen sind von den 44 Vorständen nur drei Frauen. In der Vertreterversammlung der KZBV sind gerade einmal vier von 60 Delegierten weiblich. In den VVen der KZVen reicht der Anteil von 7 bis immerhin 26 Prozent. Wir haben uns die Förderung des berufspolitischen Nachwuchses – Frauen und Männer gleichermaßen – ganz deutlich auf die Fahnen geschrieben. So haben wir kürzlich zum Beispiel in der KZBV eine eigene AG Frauenförderung gegründet, die uns dazu gezielt beraten soll. Mit ersten konkreten Ergebnissen ist voraussichtlich im Herbst zu rechnen.
„Die von den Grünen geforderte Quote ist für uns definitiv nur ultima ratio“
Wie stehen Sie zur Quote, mit der ja auch der Minister schon öffentlich geliebäugelt hat?
Eßer: Die von den Grünen geforderte Quote ist für uns definitiv nur ultima ratio – das wollen und können wir aus dem Berufsstand heraus und ganz ohne Quote besser als mit gesetzlichem Zwang. Eine Forsa-Umfrage in einer großen KZV stimmt uns da zuversichtlich – bei dieser Erhebung haben 50 Prozent der befragten Frauen angegeben, dass sie daran interessiert sind, berufspolitisch aktiv zu werden.
Jetzt müssen wir die nötigen Rahmenbedingungen für dieses Engagement schaffen und diese Frauen und ihre ebenso interessierten jungen Kollegen in der Zahnärzteschaft bekannt machen, damit sie dann auch gewählt werden. Es wäre zu begrüßen, wenn sich viele erfahrene Kollegen bereitfinden würden, gerade junge Frauen als Mentor zu begleiten, für sie zu werben und vielleicht sogar ihren Listenplatz bei Wahlen zu unseren Gremien freizumachen. Wir haben in den KZVen und in der KZBV lange Wahlperioden von sechs Jahren, daher braucht eine solche Entwicklung auch etwas Zeit.
Ich habe im Gesundheitsausschuss aber erklärt, dass ich mit großer Zuversicht davon ausgehe, dass im nächsten hauptamtlichen Vorstand der KZBV eine Frau vertreten sein wird. Das ist mein erklärtes Ziel und das meiner beiden Vorstandskollegen.
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