Das Thema zahnärztliche Medizinische Versorgungszentren und Fremdinvestoren bestimmte die Reden und Statements auf dem Neujahrsempfang von Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung (KZBV) am 29. Januar 2019 in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin. Tenor sowohl der Standespolitik als auch der Vertreter von CDU, AfD, FDP und Linken: Wir müssen und werden etwas tun, um den Bewegungsspielraum der Fremdinvestoren und rein renditegesteuerter Klinik- und MVZ-Betreiber in der ambulanten zahnärztlichen Versorgung zu beschränken.
Appell an die Politik
Offen blieb aber bei allen, wie das geschehen könnte. „Ich habe inzwischen gelernt, dass es im Bereich Pflege, Kliniken und einigen ambulanten ärztlichen Bereichen nicht ohne Fremdinvestoren geht“, konstatierte auch der Vorstandsvorsitzende der KZBV, Dr. Wolfgang Eßer, in seinem Schlusswort. Es werde also auf eine Regelung für den zahnärztlichen Sektor hinauslaufen müssen. Er und Bundeszahnärztekammerpräsident Dr. Peter Engel appellierten daher an die Abgeordneten, zu tun, was nötig ist, um die Gründungsberechtigung für Z-MVZ entsprechend zu regeln.
Dauerbrennerthemen AOZ und GOZ
In seiner Ansprache verdeutlichte Engel, dass 2018 nicht sehr viel passiert sei, es damit also für 2019 viele offen gebliebene gesundheitspolitische Aufgaben gebe, für die realistische Lösungsvorschläge aber bereits vorliegen. Weiterhin ein Sorgenkind ist die Approbationsordnung für Zahnärzte, die mit 64 Jahren nun auch das Pensionsalter erreiche, genauso die Gebührenordnung für Zahnärzte mit dem 30 Jahre alten Punktwert, der dringend angehoben werden müsse. „An die Adresse der Politik in Bund und Ländern gerichtet kann ich nur sagen: Beide Rechtsrahmen müssen dringend modernisiert werden, wenn wir bleiben wollen, was wir Zahnärzte sind – ein für den Nachwuchs attraktiver und international anerkannter Berufsstand. Unsere Vorschläge dazu sind allseits bekannt“, so Engel.
Selbstbestimmung der Zahnärzte
Er thematisierte erneut auch die verschiedenen Initiativen und Aktionen auf europäischer Ebene hinsichtlich der Heilberufe und Kammern und ihre möglichen negativen Auswirkungen auf eine funktionierende Selbstverwaltung und die Freiberuflichkeit in Deutschland: „Die zahnmedizinische Versorgung in Deutschland nimmt in der EU einen Spitzenplatz ein und ist – einmal abgesehen von unserem Ethos als Zahnmediziner - auch eine Folge der erfolgreichen Arbeit in unseren Selbstverwaltungsstrukturen, wie den Kammern und KZVen. Wohlgemerkt, diese werden von uns Zahnärzten selber finanziert und getragen, sie basieren auf demokratischen Prinzipien und entlasten den Staat beziehungsweise die Steuerzahler. Natürlich sind die Strukturen, so wie sie heute sind, und die Standards, die wir uns setzen, nicht selig- und heiliggesprochen. Aber etwa notwendige Veränderungen wollen wir selbst definieren und dann auch selbst vornehmen“, bekräftigte Engel.
Problem der einheitlichen Aufsicht
Engel verwies zudem darauf, dass man kammerseitig nicht grundsätzlich gegen die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren sei, diese Art der Berufsausübung komme den Wünschen und Anforderungen vieler Berufskolleginnen und -kollegen entgegen. Zu schaffen machten jedoch Großinvestoren und eine berufsrechtliche Lücke. Der Gesetzgeber müsse sicherstellen, dass für die Berufspflichten aller am Markt tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte eine einheitliche Aufsicht bestehe. Alle Zahnärztinnen und Zahnärzte müssten unabhängig von ihrer persönlichen Anstellungssituation persönliche Verantwortung übernehmen für die Qualität der zahnärztlichen Leistung und für alle Verpflichtungen, die damit verbunden sind. Der Blick nach Europa zeige eindrucksvoll zahlreiche Beispiele dafür, was passiert, wenn Investoren jenseits der Kontrolle im Gesundheitswesen aktiv werden: die Versorgung wird maßgeblich verändert und häufig in ihrer Nachhaltigkeit sehr negativ beeinflusst. Man müsse Fehler nicht wiederholen, so Engel.
Positionen der Fraktionen
Die CDU-Bundestagsabgeordnete und gesundheitspolitische Sprecherin Karin Maag, MdB, erklärte, man werde jetzt im Gesetzgebungsverfahren einen sinnvollen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen schaffen müssen. Sie könne aber auch nicht versprechen, dass man eine Branche herausnehmen könne. Noch sei man nicht zu einem Ende gekommen, was die Möglichkeiten hier angehe. Sie erneuerte zugleich das klare Bekenntnis der Union zur Freiberuflichkeit
Für die AfD als stärkste Oppositionspartei – Vertreter der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen waren eingeladen, hatten aber kurzfristig abgesagt – sprach ihr Obmann im Gesundheitsausschuss, der Mediziner Prof. Dr. Axel Gehrke, MdB, selbst Sohn eines Zahnarztes. Er sah die Zahnmedizin noch gut aufgestellt, merkte an, dass die Personalprobleme im medizinischen Bereich nicht durch Arbeitskräfte aus dem Ausland zu lösen seien – wo sie dann in der Versorgung fehlen würden. Es müssten mehr Mediziner und Fachpersonal ausgebildet werden, so sein Vorschlag. Zudem müsse man endlich aufhören, Menschen im Gesundheitswesen immer nur als Kostenfaktor zu sehen, den man minimieren muss.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, MdB, kritisiert scharf und unter Beifall die Versuche des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU), mit Ermächtigungen des Ministeriums die Axt an die Selbstverwaltung zu legen. Die Situation bei den fachfremden Investoren sei aus liberaler Sicht differenziert zu betrachten, nicht alle seien Hedgefonds, aber riesige Renditeversprechen auf Kosten der Versichertengemeinschaft und Verkauf nach sechs Jahren wolle man nicht. Auch die FDP wolle in Deutschland nicht das, was im Ausland mit Investoren schon zu beobachten sei.
Dr. Achim Kessler, MdB, Obmann der Linken im Gesundheitsausschuss, positionierte sich ebenfalls klar gegen Fremdinvestoren. Er lenkte den Blick auf die Versorgung – aus Sicht der Linken gebe es hier bei allen Erfolgen der Zahnmedizin und allen neuen Regelungen immer noch Menschen, deren Zugang zur zahnärztlichen Versorgung nicht ausreiche oder für die eine Versorgung mit Zahnersatz zu teuer sei. Er forderte, dass Regelversorgungen komplett von der Gesetzlichen Krankenversicherung erstattet werden müssten.
Kritik an Investoren erneuert
KZBV-Vorstandsvorsitzender Eßer dankte den Abgeordneten für ihr Engagement und unterstrich in seinen abschließenden Worten noch einmal die Forderungen der Zahnärzteschaft: „Wir sehen in dem völlig unregulierten Zutritt solcher Investoren in die zahnmedizinische Versorgung keine Verbesserung, sondern vielmehr eine Bedrohung für die bislang vollumfänglich gewährleistete Sicherstellung der wohnortnahen und flächendeckenden Versorgung. Nach aktuellen Analysen wird es – ganz im Gegensatz zu der politischen Zielsetzung, möglichst überall gleichberechtigte Lebensräume zu schaffen – zu einer Versorgungskonzentration in urbanen, einkommensstarken Regionen bei gleichzeitigem Ausbluten der Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Gegenden kommen“, mahnte Eßer.
Lösungsvorschlag des Berufsstands
Er appellierte noch einmal eindringlich an die Politik, die ordnungspolitischen Weichen für die künftige Versorgung jetzt richtig zu stellen und dafür den konsentierten Lösungsvorschlag des Berufsstands für die Investorenproblematik aufzugreifen: Im laufenden parlamentarischen Verfahren zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) müsse die Gründungsberechtigung von Krankenhäusern für MVZ auf räumlich-regionale und medizinisch-fachliche Bezüge beschränkt werden. Das würde den ungebremsten Zutritt versorgungsfremder Investoren sinnvoll regulieren, ohne diese vom Markt gänzlich auszuschließen und ohne notwendige Spielräume für die ambulant ärztliche Versorgung und den Krankenhaussektor grundsätzlich unmöglich zu machen.
Viele positive Regelungen im TSVG
Eßer begrüßte zugleich ausdrücklich auch vorgesehene Versorgungsverbesserungen im TSVG: Dazu zählt die geplante Abschaffung der Degression, die die Niederlassung auch in ländlichen, strukturschwachen Regionen attraktiver gestalten könne und damit ein Beitrag zur Sicherstellung der Versorgung in der Fläche sei. Die angekündigte Erhöhung der Festzuschüsse bei Zahnersatz entlaste Patienten finanziell, während die vorgesehenen Regelungen im kieferorthopädischen Bereich die Patientenautonomie stärken und die Transparenz in der KFO-Versorgung insgesamt verbessern werde.
Die Zahnärzte seien in der Politik aus der langjährigen Zusammenarbeit als seriöser, ehrlicher und konstruktiver Partner bekannt. „Wir bitten Sie intensiv darum, nehmen Sie unsere Bedenken und Vorschläge so ernst, wie wir das von Ihnen aus der langjährigen konstruktiven Zusammenarbeit gewohnt sind”, so Eßer.
Die zahlreichen Gäste aus Politik, Ministerien, ärztlicher und zahnärztlicher Standespolitik, Interessenverbänden, Wissenschaft, Medien und auch von Investorenseite nutzten den Neujahrsempfang dann auch zu intensiven Gesprächen und Diskussionen der anstehenden komplexen Herausforderungen. MM