Mit einem Parlamentarischen Abend am 27. September 2022 in der Landesvertretung des Saarlands in Berlin haben zwölf Verbände und Initiativen von weiblichen Führungskräften im Gesundheitswesen darauf aufmerksam gemacht, dass alle Entscheidungsebenen öffentlich-rechtlicher Körperschaften paritätisch besetzt sein müssen, um die Personalversorgung und damit auch die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu sichern. Zudem brauche es klare Zielvorgaben für alle Gremien, die Entscheidungen für gesetzlich und privat Krankenversicherte treffen.
Sie erheben ihre Stimme und treten gemeinsam für Veränderungen ein: Frauen- und Branchenverbände sowie Initiativen im Gesundheitswesen haben am Dienstagabend in der Hauptstadt mit namhaften Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft dringend nötige politische Weichenstellungen diskutiert, um Diversität und weibliche Perspektiven in Vorständen und Gremien des Gesundheitswesens zu fördern. Zu den Gästen zählten unter anderem die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, Sabine Dittmar, sowie Prof. Dr. Mandy Mangler, Chefärztin und Trägerin des Berliner Frauenpreises.
Eine echte Kulturveränderung entstehe nur, wenn Frauen gleichberechtigt Einfluss nehmen könnten, so die Verbände in einer anschließenden gemeinsamen Resolution. Sie verweisen auf den Koalitionsvertrag, der die paritätische Beteiligung von Frauen in Führungsgremien des Gesundheitswesens vorsieht.
Verbindliche Quoten, Transparenz und neue Arbeitszeitmodelle
Spiegel-Bestseller-Autorin („Wir sind doch alle längst gleichberechtigt“) Alexandra Zykunov machte als Keynote-Speakerin in der Landesvertretung Saarland gleich zu Beginn des Abends klar: Nicht die Frauen müssten sich ändern, um in Führungspositionen zu gelangen, „sondern das System, in dem diese Frauen leben“. Eine Frauenquote brauche es, nicht um Frauen zu bevorzugen, „sondern um die seit Jahrzehnten und Jahrhunderten existierende Bevorzugung von Männern ausgleichen zu können“.
Die anschließende Paneldiskussion benannte wesentliche Hebel für den überfälligen Ausgleich. „Für einen nachhaltigen Wandel der Führungs- und Entscheidungskultur benötigen wir Politik, Unternehmen und Organisationen des Gesundheitswesens gleichermaßen“, so Saskia Weishaupt, MdB (Bündnis 90/Die Grünen). „Verbindliche Quoten und Transparenz sind wichtig, um progressive Entwicklungen ernsthaft anzustoßen, genauso wie neue Arbeitsmodelle, damit Frauen, die leider immer noch hauptsächlich für die Sorgearbeit verantwortlich sind, die Vorstandsarbeit auch mit der Familie vereinbaren können.“
„Wir im Top-Management müssen Verantwortung übernehmen und Fakten schaffen“
Nicht nur die Politik, auch Unternehmen und Organisationen sehen sich in der Verantwortung, den Weg für Frauen in Führungspositionen zu ebnen, wie die Diskussion zeigte: „Diversität – und damit auch Förderung von Frauen – ist Führungsaufgabe. Deshalb sollten wir Diversität und Inklusion fördern und immer wieder hinterfragen, ob wir genug dafür tun“, so Chantal Friebertshäuser, Senior Vice President und Geschäftsführerin MSD Deutschland. Das gelte für Unternehmen genauso wie für die Politik.
Auch für Simone Schwering, Vorstandsmitglied der gesetzlichen Krankenkasse Barmer, ist Frauenförderung eine Führungsaufgabe: „Es ist unser Job, Vorbild zu sein. Wir im Top-Management müssen Verantwortung übernehmen und Fakten schaffen. Unsere Aufgabe ist es, Gleichstellung zur Selbstverständlichkeit zu machen.“ Ihre Kollegin Dr. Ute Wiedemann, Vorstandsmitglied der DAK-Gesundheit, ergänzte: „Mit einem Anteil von 75 Prozent sind Frauen das Fundament im deutschen Gesundheitswesen. Ich setze mich für einen Kulturwandel ein, damit Frauen mit ihrem Wissen, ihrer Energie und Strahlkraft zu Leuchttürmen werden, die Orientierung geben. Deshalb müssen Frauen für Top-Positionen gezielt vorbereitet und gefördert werden, um die überfällige Ausgewogenheit zwischen Basis und Führung zeitnah zu erreichen.“
Politik beim Wort nehmen – Jetzt handeln für Gesundheit und Pflege
Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats e.V., verwies darauf, dass neben der Stärkung von weiblichen Führungsrollen auch die Pflege zwingend gestärkt werden müsse, um das Gesundheitswesen zukunftsfähig zu machen. „Während traditionell männerdominierte Berufe im Bereich der Medizin und Pharmazie ihren festen Platz im Selbstverwaltungssystem Gesundheit besitzen, werden den Pflegenden als klassischer Frauenberuf Mitbestimmung durch fehlende Gesetze politisch verweigert und akademische Bildungswege seit Jahrzehnten vorenthalten“, so Vogler. „Im Jahr 2022 unerträglich!“
Höherer Frauenanteil ist Ziel des Bundesgesundheitsministeriums
Sabine Dittmar, MdB (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, hatte bereits in ihrem Grußwort signalisiert, dass die Bundesregierung die Missstände erkannt hat: „Es ist weiterhin notwendig, die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen der Krankenkassen, in ihren Verbänden, Organisationen der Ärzte- und Zahnärzteschaft und weiteren Organisationen der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen voranzutreiben. Das ist ein Ziel, das auch das Bundesgesundheitsministerium kontinuierlich verfolgt“, so Dittmar. Die Führungsfrauen aus verschiedenen Sektoren des Gesundheitswesens zeigten an diesem Abend vereinte Entschlossenheit, die Politik beim Wort zu nehmen.
Dentista und VZAE+ unterzeichnen die Resolution
Für die Zahnärztinnen waren Vertreterinnen von Dentista – Verband der Zahnärztinnen (Dentista) und des Verbands der Zahnärztinnen Plus (VZÄ+) dabei, so die Dentista-Präsidentin Dr. Rebecca Otto und die Past-Präsidentin der Women Dentists Wordwide, Dr. Juliane von Hoyningen-Huene, Dr. Anke Klas, VZÄ+-Präsidentin und VZÄ+-Vizepräsidentin Dr. Andrea Servos, sowie weitere Vorstandsfrauen aus dem VZÄ+. Ebenfalls unter den Gästen waren die Vizepräsidentin der Bundeszahnärztekammer, Dr. Romy Ermler, und der Präsident der BZÄK, Prof. Dr. Christoph Benz. Beide Verbände haben auch die Resolution zur Parität unterzeichnet.
Das Gesundheitswesen braucht mehr Chefinnen
Resolution der Frauen im Gesundheitswesen für Parität in den Institutionen – Gesundheitswesen als Vorbild für die Wirtschaft!Frauen sind die tragende Kraft des Gesundheitswesens. Ohne sie geht schon heute nichts. Rund drei Viertel der Beschäftigten sind Frauen. In den Führungsetagen sind sie dennoch selten zu finden. Nur rund jede fünfte Position in Vorständen und Entscheidungsgremien ist mit einer Frau besetzt. Damit fehlen weibliche Expertise und Lebenserfahrung, wenn wichtige Entscheidungen zum Beispiel rund um Arbeitsbedingungen und -abläufe sowie Digitalisierung getroffen werden. Wir brauchen Frauen in Führungspositionen, um die Personalversorgung und damit auch die Patientinnen- und Patientenversorgung zu sichern. Frauen sind heute schon wichtige Vorbilder. Eine echte Kulturveränderung entsteht jedoch nur dann, wenn Frauen genauso und gleichberechtigt Einfluss nehmen können.
Seit mehreren Jahrzehnten wird diese Schieflage benannt, aber sie ändert sich trotz vieler Willensbekundungen nur marginal. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag festgelegt, die paritätische Beteiligung von Frauen in Führungsgremien des Gesundheitswesens zu stärken.
Wir fordern jetzt Parität für alle öffentlich-rechtlichen Körperschaften und klare Zielvorgaben für alle Gremien, die Entscheidungen für die Menschen in der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung treffen.
Warum mehr Frauen in Führungspositionen zu einer stärkeren Performance im Gesundheitswesen führen und welche Voraussetzungen Politik, Unternehmen und Organisationen dafür schaffen müssen? Lesen Sie hier.