Ärzte verbringen knapp 323.000 Stunden mehr mit bürokratischen Aufgaben als noch 2017. Die Bürokratielasten für niedergelassene Ärzte sind erneut um 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Einer der Haupttreiber ist der demografische Wandel: Für ältere und multimorbide Patienten fällt häufig viel „Papierkram“ an. Der direkte Aufwand aus neuen Vorschriften ist dagegen leicht gesunken. Das geht aus dem Bürokratieindex für Ärzte und Psychotherapeuten (BIX) hervor, den die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zum dritten Mal mit der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) erstellt hat.
Pro Jahr entsteht pro Praxis damit eine Gesamtbelastung von 60 Tagen, das entspricht insgesamt rund 54,5 Millionen Nettoarbeitsstunden. Der BIX stellt dar, wie viel Zeit die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten im Jahr aufwenden, um bürokratische Pflichten zu erfüllen.
Mehr an Dokumentation und Bescheinigungen
Als Hauptfaktor macht die Studie der FHM die Folgen des demografischen Wandels aus. Denn dieser schlage sich nicht nur in einer steigenden Nachfrage nach medizinischen Leistungen nieder, sondern damit verbunden auch in einem Mehr an Dokumentationen und Bescheinigungen. „Ältere und mehrfacherkrankte Patienten gehen öfter zum Arzt und benötigen mehr ärztliche Leistungen. Dadurch erhöht sich auch der bürokratische Aufwand“, erläuterte Kriedel. So schlagen neben der allgemeinen Patientendokumentation und dem Datenaustausch mit Kollegen vor allem die Verordnungen für häusliche Krankenpflege, für Heilmittel und zur Krankenbeförderung zu Buche. Die stetig gestiegene Zahl an Beschäftigten in Deutschland hat auch eine häufigere Ausstellung von Bescheinigungen zur Arbeitsunfähigkeit (AU) mit sich gebracht. Mit einem Aufwand von insgesamt 4,9 Millionen Nettoarbeitsstunden gehören AU-Bescheinigungen zu den Top 3 zeitintensiver Dokumente.
Starke Entlastung durch bessere eGK
Eine starke Entlastung konnte hingegen bei der Informationspflicht „Erhebung von Daten im Ersatzverfahren“ festgestellt werden. Durch bessere elektronische Gesundheitskarten und Lesegeräte wird die manuelle Erfassung seltener erforderlich. Erleichterungen gab es auch durch den Wegfall der „Überweisung zum Durchgangsarzt“ und des „Behandlungsausweises“ für Opiatabhängige.
Massiver Einfluss auf Niederlassungsbereitschaft
„Das Problem der wachsenden Belastung durch Bürokratie wirkt nicht nur auf etablierte Arztpraxen. Auch die Entscheidung für oder gegen eine Niederlassung junger Ärzte wird dadurch massiv beeinflusst“, soProf. Dr. Volker Wittberg von der FHM und Leiter des Nationalen Zentrums für Bürokratiekostenabbau.
Nachhaltiger und aktiver Bürokratieabbau gefordert
„Der BIX zeigt: Die Bürokratiebelastung steigt allein schon wegen des demografischen Wandels und unabhängig von neuen Regelungen weiter an. Sie nimmt zunehmend wertvolle Arbeitszeit in Anspruch, die nicht mehr für die Behandlung der Patienten zur Verfügung steht – und das in Zeiten, da ärztliche Arbeitszeit ohnehin ein knappes Gut ist“, so der zuständige KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Kriedel, und ergänzte: „Dem wollen wir entgegenwirken: Wir fordern einen nachhaltigen und aktiven Bürokratieabbau.“
Hierfür sei ein verbindliches Abbauziel von 25 Prozent nach Vorbild der Bundesregierung sinnvoll. „Ein solcher Abbau entspricht einer Summe von insgesamt rund 13 Millionen Stunden pro Jahr oder 15 Arbeitstagen je Praxis. Zeit, die zusätzlich für die Versorgung der Patienten zur Verfügung steht. Letztlich wäre dies gleichzusetzen mit einem Plus von über 4.000 Ärzten“, führte Kriedel aus. Entsprechende Vorschläge sind von der KBV bereits zusammengetragen worden.
Potenzial der Digitalisierung nutzen
Eine weitere Chance, Bürokratie abzubauen, sieht die KBV in der Digitalisierung. Das aufwandsreduzierende Potential digitaler Lösungen sollte genutzt werden, um die Verwaltungsarbeit zu verringern. „Der Arzt soll seine Zeit schließlich dem Patienten widmen, nicht dem Schreibtisch“, so Kriedel.
Mehr Informationen zu den aktuellen Daten des BIX gibt es hier.