Nachwuchs für die Selbstverwaltung der Zahnärzteschaft auf allen Ebenen gewinnen, mehr Männer und Frauen für die Mitarbeit in den Körperschaften zu motivieren – diese Aufgabe stand neben den zahlreichen politischen Themen auf der Agenda der Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung im Zahnärztehaus in Köln am 25. und 26. Juni 2019. Der KZBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Eßer widmete diesem Thema daher auch einen ausführlichen Teil seines Vorstandsberichts am ersten Tag.
Eßer nahm erneut die Regelungen des TSVG zu den Aktivitäten von Fremdinvestoren im zahnärztlichen Bereich in den Fokus und kündigte an, dass die weitere Entwicklung sehr intensiv beobachtet werden wird. Man wolle die Rahmenbedingungen für gründungswillige Zahnärzte verbessern, so Eßer. Eine Klausurtagung dazu habe bereits viele Punkte gebracht, zur Herbst-VV Mitte November in Berlin werde man Vorschläge vorlegen. (Zum TSVG gab es einen eigenen Tagesordnungspunkt, siehe unten)
Nachwuchs- und Frauenförderung mit Priorität
Einen breiteren Teil seines Berichts nahmen die mit hoher Priorität gekennzeichneten Themen Förderung des berufspolitischen Nachwuchses für die Selbstverwaltung und eines höheren Frauenanteils auf allen Ebenen ein. Eßer verwies auf die neue AG Frauenförderung, die bereits zur Herbst-VV Mitte November 2019 in Berlin einen ersten Bericht und Empfehlungen vorlegen soll. Zugleich betonte er, wie wichtig die Vorbildwirkung der aktuellen Amtsträger auf allen Ebenen sei und stellte die Verantwortung und die Kerntugenden heraus wie Verlässlichkeit, Integrität, Glaubwürdigkeit, Kompetenz. Nur so könne man den Nachwuchs überzeugen.
Klares Signal nach außen
Es sei wichtig, dass aus den Körperschaften selbst und aus der VV der KZBV ein klares Signal nach außen gehe, dass die Vertragszahnärzteschaft sich dieses Themas sehr bewusst sei, es mit großem Engagement angehe und gesetzliche Regelungen bis hin zur Quote nicht erforderlich seien. Er erinnerte zugleich daran, dass die fortlaufenden Eingriffe des Gesetzgebers in die Selbstverwaltung ihren Teil dazu beitrügen, ein Engagement für den Nachwuchs unattraktiv zu machen. Ein entsprechender Antrag zur Förderung der Frauen wurde einstimmig angenommen.
Die vom Bundesgesundheitsministerium in schneller Folge vorgelegten Gesetzentwürfe der vergangenen Monate forderten nicht nur den Vorstand, sondern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung in besonderen Maße, da fast alle vom BMG vorgesehenen Neuregelungen direkt oder indirekt für den vertragszahnärztlichen Bereich Auswirkungen haben, so Eßer. Er dankte diesen daher ausdrücklich schon zu Beginn seiner Ausführungen.
Rasantes Tempo bei eHealth und TI
Dr. Karl-Georg Pochhammer lieferte einen Parforceritt durch die vom Ministerium mit Hochdruck vorangetriebenen Gesetzesprojekte und organisatorischen Änderungen im Bereich Telematik und eHealth. Die Fristen seien für nahezu alle im Daten-Versorgung-Gesetz (DVG) genannten Projekte deutlich zu knapp angesetzt. Mit Sorge sehe man das Vorhaben, Krankenkassen die Initiierung und wirtschaftliche Beteiligung an Projekten, Firmen und Produkten im Bereich eHealth zu erlauben. Dies auch vor dem Hintergrund, dass zugleich mit dem Gesetz vorgesehen sei, Patienten Gesundheitsapps verschreiben und damit von den Kassen finanzieren zu lassen. Ein entsprechender Antrag, der eine solche Aktivität der Kassen ablehnt, wurde einstimmig verabschiedet.
Positiv sei, so Pochhammer, dass der Minister und das Ministerium grundsätzlich anerkannten, dass ein mit digitalen Innovationen verbundener Mehraufwand den Praxen auch honoriert werden müsse. Auf der anderen Seite bestehe immer die Gefahr, dass Sicherheitsaspekte und neue Bürokratie auf die Praxen geschoben werde. Damit werde das Ziel konterkariert, durch die TI die Praxen von Bürokratie zu entlasten.
Aufsuchende Betreuung läuft
Das aktuelle sogenannte Versorgungsgeschehen und die Analyse von Abrechnungs- und Praxisdaten standen im Fokus der Ausführungen von Martin Hendges. Er präsentierte sowohl zu den Kooperationsverträgen mit Pflegeeinrichtungen die abgerechneten Positionen und Honorarvolumina der aufsuchenden Betreuung, als auch bei den neuen Präventionsmöglichkeiten aus dem Paragrafen 22a SGB V erfreuliche Zahlen. So gab es im 1. Quartal 4.700 Kooperationsverträge von Zahnärzten mit Pflegeeinrichtungen, die neuen Positionen wurden fast eine Million Mal abgerechnet. Die KZBV stellt dazu den KZVen in Kürze eine neue Broschüre und eine Musterpräsentation zur Verfügung.
Amalgamfüllungen künftig kennzeichnen
Hochgerechnete Zahlen gab es zur Inanspruchnahme von Alternativmaterialien zu Amalgamfüllungen nach der zum 1. Juli 2018 eingeführten Änderungen, nach denen Amalgam bei Schwangeren und Kindern nicht mehr eingesetzt werden sollte. Danach bewegen sich die nun abgerechneten alternativen Positionen in Frequenz und Volumen im erwarteten Bereich. Künftig werden die Zahnärzte jedoch angeben müssen, ob sie Amalgam verwendet haben, so Hendges, denn man habe aktuell keinerlei Daten dazu, ob und wie häufig dieses Material noch eingesetzt werde. Die Verpflichtung daraus ergibt sich aus dem Nationalen Aktionsplan Dentalamalgam.
Elektronische Anwendungen in der Entwicklung
Zweites dickes Paket sind die elektronischen Anwendungen wie der elektronische Heil- und Kostenplan. Hier überschlagen sich aktuell durch den Druck aus den neuen eHealth-Gesetzen die Ereignisse, da jetzt eine Fülle von gesetzlich vorgesehenen Anwendungen mit kurzen Fristen durch die Körperschaften und vor allem die PVS-Anbieter umgesetzt werden müssen. Für das Modul des elektronischen Heil- und Kostenplans (eHKP) sei schon allein mit einem erheblichen Programmieraufwand zu rechnen. Die Delegierten forderten den Gesetzgeber dazu auf, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, mit der die Anbieter von Praxisverwaltungssystemen (PVS) dazu verpflichtet werden, neue TI-Anwendungen zu integrieren, und dabei auch die Refinanzierung für die PVS so zu regeln, dass sie nicht zulasten der Anwender geht.
Werbung für Teilnahme am ZäPP
Hendges dankte allen Zahnärzten, die am 2018 modernisierten Zahnärzte-Praxis-Panel (ZäPP) teilgenommen hatten. Die Auswertungen würden nun an die teilnehmenden Praxen verschickt. Die neue Erhebung startet im Herbst – alle Praxen, die jetzt dabei waren, und möglichst viele neue sind aufgerufen, sich wieder zu beteiligen. Es wird daran gearbeitet, die Datenerfassung etc. für die Praxen und deren Steuerberater weiter zu erleichtern.
Insgesamt können die KZVen und die KZBV für die an der Morbiditätsentwicklung gekoppelten Vergütungsverhandlungen mit den Krankenkassen nun auf einen vielfältig auswertbaren Bestand von Abrechnungsdaten aus den Jahren 2015 bis 2018 zugreifen – damit sind die vor Jahren gestarteten Arbeiten des Datenkoordinierungsausschusses erfolgreich umgesetzt worden.
Umsetzung des TSVG
Zum TSVG und der Umsetzung der daraus resultierenden Aufgaben wie Mehrleistungen in der KfO, geänderte Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen etc. gab es einen eigenen Tagesordnungspunkt. Martin Hendges erläuterte hier die Detailregelungen zu den Zulassungen von zahnärztlichen Medizinischen Versorgungszentren (Z-MVZ), die von Krankenhäusern gegründet werden sollen. Eine MZV-Fachgruppe wurde gebildet, um bundesweit möglichst einheitliche Verfahren, Muster und Bescheide zu erreichen.
150 Z-MVZ von Investoren
Prognostiziert zum 30. Juni 2019 gibt es bundesweit 870 Z-MVZ, davon befinden sich etwa 150 im Besitz von Fremdinvestoren, das sind rund 17 Prozent. Aktuell sind zehn Investoren ausgemacht worden, die auf dem deutschen Markt aktiv sind. Es sei eine Konzentration auf Großstädte und Ballungsräume zu beobachten, wo in der Regel auch die Grenzen des TSVG weniger oder gar nicht greifen.
Tendenzen zu Über- und Fehlversorgung
Hendges berichtete auch zum Abrechnungsverhalten dieser Z-MVZ – es zeigten sich Tendenzen zu Über- und Fehlversorgung. Es würden in fast allen Bereichen höhere Leistungen und Aufwendungen je Patient abgerechnet im Vergleich zu Einzelpraxen, Berufsausübungsgemeinschaften und „normalen“ Z-MVZ. Dies gelte vor allem im Bereich Kons/Chir, aber auch in der Endo, in der Füllungstherapie und bei Schienen. In der Regel seien die Investoren-Z-MVZ auch nicht in der aufsuchenden Betreuung aktiv.
Noch sei die Versorgungssituation insgesamt gut, so Hendges. Aktuell seien elf Planungsbereiche von Unterversorgung bedroht. Es gebe begrenzte regionale Probleme in einzelnen Regionen von Rheinland-Pfalz, Nordrhein, Westfalen-Lippe, Niedersachsen, allerdings weniger in den neuen Bundesländern. Aufgrund der Altersentwicklung in der Zahnärzteschaft müsse die Entwicklung aber genau beobachtet werden.
Unvereinbarkeit von Vorstandsamt und Verkauf der Praxis an Investoren
Die Diskussion zu den Berichten der Vorstandsmitglieder war kurz, ebenso die zu den eingebrachten Anträgen. Die VV-Delegierten votierten bei einer Enthaltung für die vom Vorstand eingebrachte Resolution, die unter dem Credo der Einheit des Berufsstands eine Tätigkeit in einem KZV-Vorstand mit dem Verkauf der Praxis an Fremdinvestoren für unvereinbar erklärt. Ein solches Verhalten schade dem gesamten Berufsstand, da es die Glaubwürdigkeit der Forderungen der Zahnärzteschaft gegenüber der Politik und der Gesellschaft konterkariert, und sei nicht hinnehmbar. Die Diskussionen zu dieser Resolution wurden am Dienstagnachmittag unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt.
Weitgehend einstimmig oder mit wenigen Enthaltungen/Gegenstimmen wurden auch die weiteren Vorträge angenommen. Gefordert wird unter anderem eine Ausweitung der gesetzlichen Möglichkeiten der KZVen, die Niederlassung durch verschiedene Maßnahmen zu fördern und über Dienstleistungsgesellschaften für digitale Anwendungen die Praxen zu unterstützen. Alle politischen Beschlüsse sind auf der Internetseite der KZBV nachzulesen.
Dr. Marion Marschall, Quintessence News
Mehr zu den aktuellen Themen aus Sicht der Vertragszahnärzteschaft auch im Interview mit dem KZBV-Vorstand: „Es geht uns um zukunftsorientierte Praxiskonzepte“