Nach dem TSVG ist vor dem Digitalisierungsgesetz. Und auch sonst gibt es aus Sicht der Zahnärzteschaft noch mehr als genug Themen, bei denen die Politik im Wort ist, tätig werden sollte oder ihre Unterstützung gefragt ist. Das zeigte sich erneut am 7. Mai 2019 beim Frühjahrsfest der Zahnärzteschaft in Berlin.
Für den Abend des 7. Mai hatten Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und Bundeszahnärztekammer (BZÄK) Bundestagsabgeordnete, Bundespolitik, Ministerien und Organisationen, Wissenschaft, Industrie, Presse und zahnärztliche Standespolitik in den Bärensaal im Alten Stadthaus in Berlin eingeladen. Kommen zum Neujahrsempfang traditionell die Gesundheitspolitiker der Bundestagsfraktionen zu Wort, gehört das Frühjahrsfest politisch den Vertretern des Bundesministeriums für Gesundheit.
Ende der Degression richtiger Schritt
In diesem Jahr übernahm der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Thomas Gebhart (CDU) für den Minister die Aufgabe, in einem Grußwort das gesundheitspolitische Spannungsfeld im Allgemeinen und speziell für die Zahnärzteschaft zu beleuchten. Er dankte den Zahnärzten für die sehr gute zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung, die sich auch in der hohen Zufriedenheit der Patienten mit den Zahnärzten widerspiegele, und den Spitzen der Zahnärzteschaft für die konstruktive und offene, an der Versorgung orientierte Zusammenarbeit auf politischer Ebene. Diese habe auch erneut Früchte getragen, so bei den Zahnersatz-Festzuschüssen, beim Ende der Degression und der nun beschlossenen Mehrkostenfähigkeit auch bei kieferorthopädischen Behandlungen. Gerade die Degression habe „nicht mehr in die Zeit gepasst“, es sei „ein richtiger Schritt, dass wir das jetzt abgeschafft haben“, sagte Gebhart unter Beifall der Gäste. Auch für die Frage der Fremdinvestoren und der zahnärztlichen MVZ habe man eine Lösung gefunden.
Gesetzentwurf zur Digitalisierung kommt in Kürze
Das nächste große Thema auch für die Zahnärzte sei die Digitalisierung. Dies sei die größte Chance, aber auch die größte Herausforderung für das Gesundheitswesen. Digitalisierung sei dabei kein Selbstzweck, sondern solle den Menschen Nutzen stiften. Die elektronische Patientenakte, die Anfang 2021 angeboten werden soll, sei nur ein erster Schritt. Gebhart kündigte den Entwurf eines Digitalisierungsgesetzes an, der in Kürze vorliegen soll. Es gehe in hohem Tempo weiter, so der Staatssekretär, „ich zähle auf Sie“.
Investoren weiter unter Beobachtung
Für die Gastgeber zeichnete der Vorstandsvorsitzende der KZBV, Dr. Wolfgang Eßer, in seiner Begrüßung einen Aufriss der aktuellen politischen Situation und der Herausforderungen. Seit 30 Jahren habe kein Thema in so einer Art und Weise und so schnell die zahnmedizinische Versorgungslandschaft und die Zukunft der freiberuflichen zahnärztlichen Tätigkeit und freien Arztwahl betroffen wie das Eindringen von Fremdinvestoren, so Eßer. Er dankte unter Beifall stellvertretend für die Zahnärzteschaft dem Bundesgesundheitsminister und den Abgeordneten dafür, dass sie einen Weg möglich gemacht haben, mit dem sich diese Entwicklung hoffentlich eindämmen und abwenden lasse.
Zugleich machte er deutlich, dass dieser Bereich weiter aufmerksam beobachtet werden müsse, um Missstände wie in anderen EU-Ländern zu vermeiden: „Wir beobachten sehr genau, wie sich die MVZ-Regelung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes in der Praxis auf die Investitionsbestrebungen von Private-Equity-Fonds auswirken wird. Sollte es nicht gelingen, deren Marktbeherrschungspläne dauerhaft einzudämmen, steht viel auf Spiel – die Sicherstellung der Versorgung sowie auch die freiberufliche zahnärztliche Berufsausübung“, sagte er.
Junge Generation besser unterstützen
Eßer betonte, dass der Berufsstand auch künftig aktiv und konstruktiv daran mitarbeiten werde, die nötigen Rahmenbedingungen für Freiberuflichkeit und flächendeckende Versorgung zu gestalten. „Dazu zählt insbesondere auch, dass wir die Niederlassung junger Zahnärztinnen und Zahnärzte in freiberuflicher Selbständigkeit fördern.“ Den Anliegen der jungen Generation – etwa Vereinbarkeit von Familie und Beruf – müsse verstärkt Rechnung getragen werden, so Eßer, dieser Aufgabe müssten sich die KZBV und die KZVen nun intensiv stellen.
Zum Thema Digitalisierung betonte Eßer: „Die Anbindung an die Telematikinfrastruktur ist eine Grundvoraussetzung, damit wir mit anderen Heilberufen und Krankenkassen den Weg in die digitale Zukunft beschreiten können. Digitalisierung muss dabei aber immer einen echten Mehrwert für Patienten und Praxen bieten, also Bürokratielasten bewältigen oder Prozesse vereinfachen und effizienter gestalten.“
GOZ-Punktwert: elf Deutsche Pfennige
BZÄK-Vizepräsident Prof. Dr. Dietmar Oesterreich verwies in seinem Grußwort auf offene Punkte, bei denen es politisch endlich Bewegung geben müsse. Ein Punkt sei die Gebührenordnung für Zahnärzte, kurz GOZ, und der noch immer nicht angepasste Punktwert. „Denn seit genau 30 Jahren und vier Monaten, als der Punktwert 1988 auf elf Deutsche Pfennige festgesetzt wurde, hat er sich nicht verändert. Lediglich nach Einführung des Euro wurde er auf die x-te Nachkommastelle genau auf 5,62421 Cent umgerechnet. Angepasst wurde allerdings nichts, trotz steigender Dienstleistungspreise und stetiger Inflation“. Das sei für die BZÄK ein nicht hinnehmbarer Zustand, so Oesterrreich.
Stillstand bei der ZApprO
Auch die dringend notwendige Novellierung der Approbationsordnung liege seit ewigen Monaten im Bundesrat auf Eis. „Ich hatte gehofft, dass wir ihren 64. Geburtstag dieses Jahr nicht mehr erleben müssen. Aber da wurden wir alle – und allen voran die Studierenden – enttäuscht“, so Oesterreich. „Ich kann nur an die Politik in den Ländern appellieren: Wenn sie eine moderne, zukunftsgerichtete, patientenorientierte Zahnmedizin wünschen, verabschieden Sie endlich die neue ZApprO! Wir haben lange genug gewartet.
100 Tage Vollzeit für Dokumentation
Der dritte Punkt sei die Bürokratie in der Praxis, so Oesterreich, die man inzwischen auch als „Misstrauensbürokratie“ gegenüber den Zahnärzten bezeichnen könne. So sei rein rechnerisch in einer Zahnarztpraxis eine Vollzeitkraft 100 Tage pro Jahr nur mit Dokumentations- und Informationspflichten beschäftigt. „Ich finde, diese Zeit wäre in die Patientenversorgung wesentlich sinnvoller investiert“, so Oesterreich.
Mundhygiene in die Pflegeausbildung
Unterstützung des Ministeriums sei bei der anstehenden Reform der Pflegeberufe nötig, hier „muss zwingend auch das Thema Mundhygiene in der Ausbildung vorkommen“, appellierte der BZÄK-Vizepräsident an den Staatssekretär. „Und wir bitten Sie außerdem, sich den Forderungen der BZÄK nach einer Sonderabgabe auf stark gezuckerte Softdrinks, einer deutlichen Reduktion des Zuckeranteils in Nahrungsmitteln für Kinder sowie Werbebeschränkungen in diesem Bereich anzuschließen. Wir brauchen endlich wirksame und verbindliche Regeln, um Fehlernährung und Übergewicht entgegenzuwirken.“
Am 26. Mai wählen gehen
Beifall gab es für seine Aufforderung, am 26. Mai zur Europawahl zu gehen: „Auch wenn sie vielleicht nicht so sexy wie die Bundestagswahl ist, ist sie dennoch wichtig – auch aus zahnärztlicher Sicht: Denn die Deregulierungsbestrebungen der bisherigen EU-Kommission betreffen auch unser Berufsrecht. Hier droht eine Verwässerung sinnvoller Regelungen auf Kosten der Patientensicherheit. Mit Ihrer Stimmabgabe bei der Europawahl können Sie die zukünftige Richtung der Politik in Brüssel mitbestimmen“, so Oesterreich. (MM)