Auf dem Land wird es stellenweise dünn mit der vertragszahnärztlichen Versorgung. Was angesichts der vergleichsweise hohen Zahl der Studienabsolventinnen und -absolventen statistisch ausgewogen scheint, bringt in der Praxis schon jetzt und mehr noch in den kommenden Jahren starke Verwerfungen: Die geburtenstarken Jahrgänge der Zahnärztegeneration 50+ gehen in den Ruhestand, und gerade in den so gerne zitierten „strukturschwachen Regionen“ werden sie für ihre Praxen nicht in ausreichender Zahl Nachfolger finden.
Kammerpräsidenten und KZV-Chefs in den neuen Bundesländern haben diese Probleme schon länger im Blick, aber auch in den alten Bundesländern treiben diese Sorgen die Zahnärzte und die Standespolitik um, wie der jetzt von der KZV Rheinland-Pfalz veröffentlichte Versorgungsatlas zeigt und solide vorrechnet. Da helfen auch keine offiziellen Verkündigungen, dass es ja derzeit keine unterversorgten Gebiete gibt – es wird auch in „reichen“ Bundesländern Regionen geben, in denen Menschen künftig weit fahren müssen zum nächsten Zahnarzt.
DB Medibus mit privatem Partner
In Mecklenburg-Vorpommern fordert jetzt die CDU, dass es auch für die Zahnmedizin Studienstipendien mit Verpflichtung zur Tätigkeit auf dem Land geben soll, um Versorgungslücken zu verhindern. Und das noch immer dem Bund gehörende Unternehmen Deutsche Bahn will für sein von der DB Regio Bus betriebenes Modellprojekt DB Medibus nun auch eine zahnärztliche Variante entwickeln.
Das Interessante daran: Partner für dieses interessante Modellprojekt ist nicht etwa eine Kammer oder KZV (wie beim Medibus Nordhessen, wo die KV Hessen Projektpartner ist), sondern eine Praxiskette mit Investoren im Hintergrund: die Zahneins GmbH in Hamburg, die Zahnarztpraxen und MVZ unter anderem in Ostfriesland und Bayern betreibt. Mitarbeiter von Zahneins sollen dann auch die zahnärztliche Besatzung und das Fachpersonal auf den Bussen stellen.
Andere Partner zur Mitarbeit eingeladen
Beide Unternehmen laden ausdrücklich andere Zahnarztpraxen, zahnärztliche Körperschaften und Kommunen zur Mitarbeit am Projekt ein – und gerade Kammern und KZVen sollten diese Einladung ernst nehmen und prüfen. Denn noch haben die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen – anders als die Ärzte – nicht die gesetzlichen Mittel an der Hand, um selbst bei Versorgungsengpässen mit eigenen Einrichtungen tätig werden zu können. Aber das soll nach dem Willen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und mit Segen des Gesetzgebers hoffentlich zeitnah auch für sie möglich werden. Auf der ärztlichen Seite gibt es hier schon mehr Modellprojekte, die zu prüfen sich lohnen würde. Neue Ideen braucht das Land, wenn man die freiberufliche Tätigkeit von Zahnärztinnen und Zahnärzten in eigener Praxis fördern will – und dafür einen Blick ohne standespolitisch-ideologische Scheuklappen.
Zugang für „normale“ Zahnarztpraxen eher unmöglich
Für Zahneins und andere MVZ-Ketten, die gerne ihre Verantwortung für die flächendeckende Versorgung der Patienten betonen, den echten Beweis dafür über die Zeit noch werden erbringen müssen, ist die Beteiligung an einem solchen Modellprojekt wie Medibus aus wirtschaftlichen Gründen interessant. Schließlich geht es dabei auch um die Frage, wie sich neue Patienten für die eigenen Praxen und Z-MVZ gewinnen lassen. Ohne Investoren im Hintergrund dürfte die eigenständige Beteiligung an einem solchen Modellprojekt jedoch für „normale“ Zahnarztpraxen oder selbst größere Berufsausübungsgemeinschaften schon aus finanziellen Gründen vielfach außer Reichweite liegen.
Freie Arztwahl für die Patienten, fairer Wettbewerb für die Zahnärzte
Darum sollten sich Zahnärztekammer und KZVen an solchen Konzepten beteiligen und natürlich ebenso andere Angebote und Kooperationsformen prüfen und entwickeln. Es ist für die Patienten, aber auch für die niedergelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzte wichtig, dass der Zugang zu solchen neuen Angeboten und Ideen für beide Seiten frei ist. Für die Patienten ist die freie Arztwahl ist ein hohes Gut, und gerade beim Zahnarzt zählt das Vertrauen oft doppelt, wie Umfragen immer wieder belegen.
Auf der anderen Seite sollten alle Vertragszahnärzte, die das wollen, grundsätzlich Zugang zu solchen mobilen Behandlungsangeboten haben und ihre Patienten so erreichen können – unabhängig von der Finanzkraft ihrer Praxis. Findet sich kein Interessent aus freier Praxis, könnte auch eine KZV oder Kommune künftig den Bus mit angestellten Zahnärzten besetzen. Das ist eine Frage des fairen Wettbewerbs – und nicht zuletzt der Attraktivität einer Praxis auf dem Land.
Dr. Marion Marschall, Chefredakteurin Quintessence News, E-Mail marschall@quintessenz.de