Am 2. Dezember 2022 verabschiedete der Deutsche Bundestag das nächste große Gesetz im Gesundheitsbereich. Das „Gesetz zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus sowie zur Anpassung weiterer Regelungen im Krankenhauswesen und in der Digitalisierung“ (Krankenhauspflegeentlastungsgesetz, KHPflEG) enthält als klassisches „Omnibusgesetz“ nicht nur Neuregelungen für Pflegekräfte, Krankenhäuser mit Fachabteilung für Geburtshilfe und die stationäre Versorgung von Kindern und Jugendlichen, sondern auch zur Telematikinfrastruktur, zu Arzneimitteln und zur Repräsentanz von Frauen in den Vorständen der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen.
Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach ging so weit, das neue Gesetz als „Revolution“ für den Krankenhausbereich zu feiern. Er sieht darin den ersten Schritt, die Krankenhäuser von einer stärker ökonomischen Ausrichtung wieder zur medizinischen Orientierung der Behandlung zu bringen, Stichwort Diagnosis Related Groups (DRG). Das sah vor allem die Opposition anders und erinnerte den Minister auch daran, dass er an der Etablierung der DRGs als damals große Errungenschaft für eine wirtschaftlichere Behandlung im Krankenhaus (Stichwort: überlange Liegezeiten) Anfang der 2000er-Jahre durchaus beteiligt war. (Mehr zur Bewertung des Gesetzes auch in der Kolumne von Dr. Uwe Axel Richter Karl Lauterbach und seine „Revolutionen“.)
„Mit dem ersten Krankenhausgesetz setzen wir wichtige Signale. Nicht mehr ökonomischer Zwang, sondern medizinische Notwendigkeit soll künftig in den Kliniken über die Behandlung entscheiden. Kinderkliniken und Geburtshilfestationen werden zuerst entlastet. Patientinnen und Patienten sollen sich darauf verlassen können, dass sie zu jeder Zeit durch qualifiziertes Personal behandelt und betreut werden und dass sie nur im Krankenhaus übernachten müssen, wenn es wirklich nötig ist. Behandlungen sollen auch im Krankenhaus vermehrt ambulant gemacht werden können. Das entlastet die Pflege und verhindert Komplikationen“, erklärte der Bundesgesundheitsminister im spärlich besetzten Bundestagsplenum.
Neuregelungen bei den Kosten für die TI
Relevant für die Zahnärzteschaft sind vor allem die Neuregelungen bei den Kosten für die Telematikinfrastruktur. Laut Bundesgesundheitsministerium gehe es insbesondere darum, die Nutzerfreundlichkeit zu stärken und die Verbreitung zu erhöhen. So sollen Verordnungsdaten im Versorgungsprozess nutzbar gemacht oder einfache Identifizierungsverfahren in den Apotheken ermöglicht werden – das betrifft vor allem das E-Rezept. Zugleich sollen Hürden abgebaut werden, die derzeit aufgrund von Beschränkungen durch Anbieter und Hersteller informationstechnischer Systeme im Rahmen der Telematikinfrastruktur bestehen.
Nur noch monatliche TI-Pauschale
Künftig sollen Ärzte, Zahnärzte und Apotheker monatliche Pauschalen für die telematikbedingten Ausstattungs- und Betriebskosten von den Krankenkassen erhalten. „Die bisherigen Regelungen zu Einmalpauschalen haben sich nicht bewährt und sind auch langfristig mit Blick auf den vorgesehenen Anschluss einer Vielzahl von Leistungserbringergruppen an die Telematikinfrastruktur nicht mit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit vereinbar“, heißt es dazu in der Begründung zur Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses. Die Höhe der Pauschalen muss jetzt bis zum 30. April 2023 von der KZBV und dem GKV-Spitzenverband ausgehandelt werden, gezahlt werden soll sie ab 1. Juli 2023 – und dann für zwei Jahre in unveränderter Höhe.
Dagegen hatte die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung bereits in der Anhörung und in einer Stellungnahme argumentiert, nicht zuletzt, weil sie befürchteten, ganz aus dem Prozess herausgenommen zu werden. Eine solche Pauschale greife einseitig die Forderung der Krankenkassen auf und wirke erkennbar zum Nachteil der vertragszahnärztlichen Praxen. Durch den Wegfall einer Erstausstattungspauschale würden die Praxen gezwungen, in Vorleistung zu gehen und damit zusätzlich finanziell belastet. Die TI-Kosten für die Zahnarztpraxen sollten vollumfänglich erstattet werden, und es sei unerlässlich, dass die KZBV als Teil der Selbstverwaltung in diesen Prozess aktiv eingebunden werde, so die KZBV.
„Kleine“ Übergangsregelung für die Quote
Eine „kleine“ Übergangsregelung gibt es bei der kurzfristig noch in das Gesetz aufgenommene Neuregelung des Paragrafen § 79 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch zur Besetzung der Vorstände in den KZVen und der KZBV. Die Neuregelung findet keine Anwendung, wenn die Vorstandsmitglieder vor dem 3. Dezember 2022 von der Vertreterversammlung wirksam gewählt wurden. Damit haben alle bis zum 3. Dezember 2022 bereits erfolgten Neuwahlen von Vorständen Bestand. Für alle danach stattfindenden Wahlen – zum Beispiel in Bayern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg – und für die Wahl des KZBV-Vorstands Ende März 2023 muss dann die neue Regelung erfüllt werden und der Vorstand mindestens mit einer Frau und einem Mann besetzt werden.
Die KZBV hatte die Quote für grundsätzlich nicht erforderlich erklärt, da die KZVen und die KZBV sich bereits um die besondere Förderung von Frauen bemühten. Zudem kritisierten sie die kurzfristige Einführung der Neuregelung und forderten eine Geltung erst ab der nächsten Legislaturperiode 2029, weil sich KZVen und KZBV schon mitten im Wahlprozess befanden, Vorstandsämter bereits ausgeschrieben beziehungsweise bereits neu gewählt worden waren. Die Regelung schafft nun zumindest Bestandsschutz für die bereits neu gewählten Vorstände.
Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus
Die wesentlichen Gesetzesinhalte aber befassen sich mit der Situation in den Krankenhäusern. Mit dem Gesetz soll die Situation der Pflege in den Krankenhäusern mittelfristig verbessert werden. Hierzu werden Idealbesetzungen für die Stationen errechnet und durchgesetzt. Dazu wird ein Instrument zur Personalbemessung (PPR 2.0) eingesetzt, das im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege von allen Beteiligten entwickelt wurde. Die Einführung der PPR 2.0 erfolgt in drei Stufen: Am 1. Januar 2023 startet die Erprobungsphase mit einem Praxistest. Die Testphase erfolgt in einer repräsentativen Auswahl von Krankenhäusern. Auf dieser Basis werden in einer Rechtsverordnung den Krankenhäusern Vorgaben für die Personalbemessung gemacht. Ab 2025 wird die Personalbemessung dann scharf gestellt und sanktioniert.
Krankenhaustagesbehandlung und spezielle sektorengleiche Vergütung
Nicht jede stationäre Behandlung erfordert auch eine Übernachtung des Patienten oder der Patientin im Krankenhaus. Um Krankenhauspersonal stärker zu entlasten und Patientinnen und Patienten, die dies wollen, die Übernachtung in vertrauter Umgebung zu ermöglichen, wird daher eine Krankenhaustagesbehandlung eingeführt. Die Entscheidung hierüber treffen Ärzte und Patient/in im gegenseitigen Einvernehmen. Um diese Ziele zu erreichen, sollen die Dokumentationsanforderungen bei der tagesstationären Behandlung auf das erforderliche Mindestmaß begrenzt werden.
Um für Patienten nicht notwendige Übernachtungen im Krankenhaus zu vermeiden, wird für bestimmte Behandlungen eine sektorengleiche Vergütung eingeführt. Diese Vergütung liegt zwischen dem ambulanten (EBM) und stationären Niveau (DRG). Bis zum 31. März 2023 sollen Krankenkassen und Krankenhäuser gemeinsam einen Katalog ambulant durchführbarer Operationen sowie eine entsprechende Vergütung festlegen.
Förderung für Geburtshilfe und Pädiatrie
Um Geburtshilfeabteilungen in Krankenhäusern zu unterstützen, erhalten die Bundesländer zusätzliche finanzielle Mittel. Bei der Festlegung der konkreten Höhe je Krankenhausstandort sind die Vorhaltung einer Fachabteilung für Pädiatrie, einer Fachabteilung für Neonatologie ein bestimmter Anteil vaginaler Geburten, die Geburtenzahl sowie die Möglichkeit der Durchführung des berufspraktischen Teils des Hebammenstudiums zu berücksichtigen. Damit soll eine flächendeckende Versorgung mit Geburtshilfestandorten aufrechterhalten werden. Hierfür stehen für die Jahre 2023 und 2024 jeweils 120 Millionen Euro zur Verfügung.
Mehr Geld für Kinderstationen
Für die stationäre Versorgung von Kindern und Jugendlichen wird das vor der Pandemie im Jahr 2019 erbrachte Erlösvolumen weitgehend unabhängig von den tatsächlich erbrachten Leistungen garantiert. Das Erlösvolumen von 2019 wird zudem bis in die Gegenwart fortgeschrieben und jeweils für das Jahr 2023 und 2024 zusätzlich um 300 Mio. Euro aufgestockt - insgesamt also um 600 Millionen Euro. „Durch die Garantie des Erlösvolumens wird erreicht, dass die Versorgung von Kindern und Jugendlichen gegenüber der leistungsorientierten Logik des Fallpauschalensystems abgesichert ist. Besondere Einrichtungen können für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen einen Zuschlag abrechnen. Die Mittel sind zweckgebunden für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen“, so das Bundesgesundheitsministerium.
Weiter Hebammen auf den Stationen
Ab dem Jahr 2025 sollen die Personalkosten von Hebammen vollständig im Pflegebudget berücksichtigt werden. Damit werden die anfallenden Personalkosten von Hebammen für Betreuung von Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen vollständig refinanziert und die Beschäftigung von Hebammen in den Kreißsälen einer unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen gleichgestellt.
Das Gesetz wird noch vom Bundesrat beraten und tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.